Uni­ver­si­tät Bam­berg: War­um Flücht­lin­ge schnell Jobs fin­den müs­sen und wie das am besten gelin­gen kann

Symbolbild Bildung

„Es wird viel Zeit verschenkt“

Sind Flücht­lin­ge nur ein Kosten­fak­tor? „Nein“, sagt der Bam­ber­ger Öko­nom Her­bert Brücker. Deutsch­land kann pro­fi­tie­ren, aber dazu muss das Land viel inve­stie­ren und neue Wege in der Asyl­po­li­tik gehen – und das am besten sofort. Das neue Inte­gra­ti­ons­ge­setz ver­bes­se­re die aktu­el­le Situa­ti­on nicht ein­schnei­dend, meint der Wissenschaftler.

Prof. Dr. Her­bert Brücker, Inha­ber des Lehr­stuhls für Volks­wirt­schafts­leh­re, ins­be­son­de­re Inte­gra­ti­on der Euro­päi­schen Arbeits­märk­te an der Uni­ver­si­tät Bam­berg, beschäf­tigt sich seit Jah­ren mit Migra­ti­on und Arbeits­markt­po­li­tik. Er schätzt, dass die aktu­ell nach Deutsch­land Geflüch­te­ten lang­sa­mer Jobs fin­den als ande­re Migran­ten­grup­pen: „Unse­re For­schung zeigt, dass in der Ver­gan­gen­heit nach fünf Jah­ren etwa 50 Pro­zent der Flücht­lin­ge erwerbs­tä­tig waren, nach zehn Jah­ren 60 Pro­zent und nach 15 Jah­ren so um die 70 Prozent.“

Zu den aktu­el­len Flücht­lings­grup­pen gibt es noch kei­ne Zah­len, doch Brücker, der auch am Insti­tut für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB) in Nürn­berg tätig ist, führt gera­de mit dem Insti­tut für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung, dem Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) und dem Sozio-oeko­no­mi­schen Panel des Deut­schen Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung in Ber­lin eine groß ange­leg­te Stu­die durch. Die ersten Ergeb­nis­se soll es zum Jah­res­en­de geben.

Grund für die deut­lich schlech­te­ren Arbeits­markt­chan­cen der aktu­el­len Kriegs­flücht­lin­ge ist in den Augen des Bam­ber­ger Pro­fes­sors vor allem ein alt­be­kann­tes Pro­blem: Migran­ten könn­ten schnel­ler arbei­ten, aber das war lan­ge nicht das Ziel der Asyl­po­li­tik in Deutsch­land. „Man hat allein auf Abschreckung gesetzt.“ Um nun die Sozi­al­kas­sen zu ent­la­sten hilft laut Brücker nur eines: schnel­le­re Inte­gra­ti­on der Flücht­lin­ge in den Arbeits­markt. Doch dafür feh­len Struk­tu­ren und Res­sour­cen. Auch durch das am 25. Mai auf den Weg gebrach­te Inte­gra­ti­ons­ge­setz der Bun­des­re­gie­rung sieht der Wis­sen­schaft­ler kei­ne ein­schnei­den­de Ver­bes­se­rung der aktu­el­len Situation.

Bei­spiel Sprach- und Inte­gra­ti­ons­kur­se: Für Asyl­be­wer­ber, die Lei­stun­gen bezie­hen, sol­len zwar nun schon vor Ende ihres Asyl­ver­fah­rens Inte­gra­ti­ons­kur­se ver­pflich­tend sein, wenn sie von einer Behör­de dazu auf­ge­for­dert wer­den. Doch vie­le bekom­men auch künf­tig erst mit der Aner­ken­nung einen Inte­gra­ti­ons- und Sprach­kurs. Für Brücker ist das ein Graus: „Da wird immer sehr viel Zeit ver­schenkt. Wir müs­sen da mehr und vor allen Din­gen frü­her in die Men­schen investieren.“

Bei­spiel Wohn­sitz­auf­la­ge: Um gute Job­chan­cen zu haben, müs­sen aner­kann­te Flücht­lin­ge dort­hin gehen, wo es Arbeit gibt. Noch kön­nen sie das, doch mit dem geplan­ten Inte­gra­ti­ons­ge­setz soll eine Wohn­sitz­auf­la­ge ein­ge­führt wer­den. Das lehnt Her­bert Brücker ab: „Ich hal­te das für völ­lig absurd! Es ist grund­sätz­lich sinn­voll, dass sich Men­schen dort nie­der­las­sen, wo ihre Arbeits­markt­per­spek­ti­ven gün­stig sind. Und das ist in städ­ti­schen Räu­men eher der Fall.“

Was jetzt für die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on not­wen­dig ist: Der Fünf-Punkte-Plan

Der Fünf-Punk­te-Plan des Volks­wirt­schaft­lers: ein schnel­le­rer Erwerb von Spra­che und Kul­tur, sofor­ti­ge Inte­gra­ti­on der Kin­der und Jugend­li­chen in das deut­sche Bil­dungs­sy­stem, bes­se­re Mög­lich­kei­ten zur Erfas­sung von beruf­li­chen Kom­pe­ten­zen, eine ziel­ge­rich­te­te­re Arbeits­ver­mitt­lung und vor allem – eine schnel­le­re Bear­bei­tung der Asyl­an­trä­ge. „Man muss zuerst Rechts­si­cher­heit schaf­fen. Dazu gehört die Beschleu­ni­gung von Asyl­ver­fah­ren“, sagt Her­bert Brücker. Die­se fünf Maß­nah­men kosten vie­le Mil­li­ar­den Euro. „Aber das ist nach allem, was wir wis­sen, sehr, sehr gut ange­legt“, so der Arbeitsmarkt-Experte.