Leserbrief: "am Nasenring herumgeführt"

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Als ob es noch eines Beweises bedurft hätte:

Vor exakt einem Monat erst hatte das Bamberger Fahrradforum getagt. Doch die jetzt im Umweltsenat beschlossene Umgestaltung der Langen Straße (Fränkischer Tag am 13. Mai; http://www.infranken.de/regional/bamberg/Radweg-in-der-Langen-Strasse-in-Bamberg-soll-komplett-weg;art212,1862663), für den Radverkehr mit erheblichen Auswirkungen verbunden, war laut Protokolls mit keinem Wort erwähnt worden.

Erneut belegt die Stadtverwaltung, wie wenig ernst sie das in der Öffentlichkeit hoch gelobte Gremium nimmt. Seine einzige Funktion liegt offenkundig darin, die Vertreter einer umwelt-, stadt- und menschengerechten Verkehrspolitik ruhigzustellen, ihnen das Gefühl der Einbindung ihrer Vorstellungen zu geben. Tatsächlich werden sie am Nasenring durch die Arena geführt.

Die Führung des Radverkehrs in der Langen Straße war nie ideal. Vor der jüngsten Umgestaltung bestand sie, am Schönleinsplatz beginnend, aus mehrfachem Wechsel von baulichem Radweg ohne Benutzungspflicht und sogenanntem „Schutzstreifen“. Beide Varianten waren deutlich zu schmal und verfügten über keinerlei seitliche Sicherheitsräume zu den angrenzenden Verkehrsräumen: Gehweg, Bushaltebucht, Fahrbahn. Bei fließendem Verkehr war das (erlaubte, von etlichen Kraftfahrern aber nicht akzeptierte!) Radeln auf der Fahrbahn sicherer, soweit es nicht zu (häufigen – wo war die Polizei?) vorsätzlichen Attacken kam. Denn auf Radweg und „Schutzstreifen“ mußte jederzeit mit Fußgängern, Falschparkern und anderen Hindernissen gerechnet werden. Regelmäßig überholten Kraftfahrer ohne ausreichenden Seitenabstand bzw. mißachteten an der Einmündung der Hellerstraße die Vorfahrt der Radler.

Als Vorteil bot die (freiwillig benutzbare) Radverkehrsführung allein die Möglichkeit, am Autostau vorbeiziehen zu können – mit mäßiger Geschwindigkeit und der gebotenen Vorsicht, versteht sich. Die Aufhebung des Radwegs ab der Einmündung Hellerstraße schuf wegen des erzwungenen Spurwechsels nicht nur eine unverantwortbare Gefahrenquelle. Sie beseitigte auch diesen einzigen Pluspunkt. Radfahren in der Langen Straße wurde erheblich unattraktiver. Überdies bewirkt die (rechtlich bedeutungslose – aber wer weiß das schon?) Markierung mit Fahrradpiktogrammen am äußersten Fahrbahnrand:

  1. Radfahrer drängen sich dichter nach rechts als unter Sicherheitsgesichtspunkten geboten. Die gängige Rechtsprechung sieht einen zum Fahrbahnrand einzuhaltenden Seitenabstand von bis zu einem Meter vor.
  2. Autofahrer hegen die irrige Ansicht, die Piktogramme bezeichneten die von den Radlern zu befahrende Spur, quasi einen benutzungspflichtigen Fahrstreifen. In der Folge kommt es immer wieder zu Nötigungen und Abdrängmanövern.
  3. Kaum ein Autofahrer verzichtet auf das Überholen eines Radfahrers, wenn sein Fahrzeug durch die Lücke paßt – selbst, wenn es nicht möglich ist, den erforderlichen Seitenabstand (laut Rechtsprechung mindestens 1,5 m) einzuhalten und der Radler demzufolge gefährdet wird.

Es ist und bleibt unverständlich, daß derart gefährliche, teils unzulässige und gemäß der einschlägigen fachlichen Regelwerke zu vermeidende Maßnahmen in den zuständigen Gremien, ob Fahrradforum oder Umweltsenat, nicht hinterfragt werden. Augenscheinlich mangelt es erheblich an entsprechendem Sachverstand.

Die jetzt beschlossene Umgestaltung beseitigt zwar die zusätzliche Gefahrenstelle an der Hellerstraße. Da indes nicht vorgesehen ist, den Autoverkehr zu verringern – dazu bedürfte es einer spürbaren, in die Zukunft gerichteten Kehrtwende in der Verkehrspolitik -, bleibt der Dauerstau über weite Strecken des Tages bestehen. Und die Radler dürfen sich in die Schlange einreihen. Einer ihrer wichtigsten Vorteile im Stadtverkehr bleibt verloren.

Denn daß ihnen verläßlich eine Spur freigehalten wird, ist kaum zu erwarten. Dem Vernehmen nach empfiehlt ein bekannter Versicherungskonzern mit angeschlossener Motorsportabteilung seinen fälschlich als „Mitglieder“ bezeichneten Kunden ausdrücklich, ihr Fahrzeug so weit nach rechts zu ziehen, daß Radfahrer nicht mehr passieren können. Daß dieser Appell Erfolg hat, ist unter anderem an nahezu jeder roten Ampel zu beobachten.

Umgekehrt wird die vier Meter breite Fahrbahn weiterhin dazu animieren, die Radfahrer beinahe hauteng zu überholen. Wie gewohnt ist auch künftig nicht damit zu rechnen, daß die Polizei dem durch sichtbare Anwesenheit, Aufklärung oder gar Ahndung ihr Augenmerk schenkt.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig