Leserbrief: Stellungnahme zum Bebauungsplan G8 – Megalith-Gelände (Bamberg)

leserbrief-symbolbild

Sehr geehrte Damen und Herren!

Nachfolgend erhalten Sie den Wortlaut meiner Anregungen und Bedenken, die ich im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Bebauungsplan G8 (Megalithgelände, Breitäckerstraße) eingereicht habe.

Im Vergleich zur Öffentlichkeitsbeteiligung vor mehr als zwei Jahren fallen u. a. zwei Tatsachen besonders ins Auge:

  1. Selbst gröbste Fehler sind trotz bereits im Februar 2014 erfolgter Richtigstellung meinerseits nicht korrigiert. Die Breitäckerstraße war schon damals nicht mehr gesperrt und seitdem auch nicht wieder. Dennoch wird dies in den ausgelegten Unterlagen weiterhin behauptet.
  2. Obgleich ich schon damals jegliche Ausführungen zum Thema Fahrrad vermißt und dies angemahnt hatte, wird dieses Verkehrsmittel nach wie vor nur einmal in einer Zwischenüberschrift, im Text hingegen überhaupt nicht erwähnt – in der selbsternannten „Fahrradstadt Süddeutschlands“ und ungeachtet der seitdem neugefaßten Stellplatzsatzung, welche das Fahrrad zwar noch immer äußerst stiefmütterlich behandelt, aber immerhin im Zusammenhang mit Wohngebäuden und Gewerbeimmobilien nennt.

Die nachfolgende Numerierung orientiert sich an der in der „Begründung mit Umweltbericht“ verwendeten Gliederung.

zu „1. Anlass der Planung“ (Begründung)

Zwar ist die Konversion einer für den ursprünglichen Zweck nicht mehr benötigten Industriebrache in ein Wohngebiet grundsätzlich zu begrüßen. Zudem ist der Mangel an preisgünstigem (!) Wohnraum in Bamberg nicht anzuzweifeln. Im konkreten Fall „Innenentwicklung“ zu behaupten, verkennt indes die Realität. Denn das Plangebiet liegt am äußersten Stadtrand, von weiterer Wohnbebauung isoliert. Freiflächen, Friedhof und Gewerbe (Brauerei) schirmen es fast vollständig ab.

Ob eine Freilassung des Gebiets mit dem Ziel naturnaher Gestaltung / Entwicklung, ggf. mit sanfter Erholungsnutzung, ernsthaft (!) in die Prüfung möglicher Alternativen einbezogen worden ist, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Vermutlich werden rein wirtschaftliche Interessen dies verhindert haben.

Wenngleich in diesem Schreiben konkrete Details der Planung kommentiert werden, darf dieser grundsätzliche Einwand nicht aus dem Blickfeld verloren werden. Es ist eine Frage der Zeit, bis Besiedlung / Überplanung angrenzender Bereiche Gegenstand politischer Begehrlichkeiten sein wird.

zu „2.3 Erschließung und Infrastruktur“ (Begründung)

Bezeichnend ist, daß zunächst die Straßenanbindungen für den motorisierten Individualverkehr (MIV) deutlich herausgestellt werden. Während der Fußverkehr immerhin Erwähnung findet, ist das Fahrrad (schamvoll?) verschwiegen.

Der Anschluß an das ÖPNV-Netz überzeugt wenig: „In einer maximalen Entfernung von ca. 350 m erreichbar“, im Schnitt also um die 300 m, ist die äußerste Grenze dessen erreicht, was so eben als Erschließung gelten kann. Der 30-Minutentakt (werktags), sonntags gar auf Stundentakt ausgedünnt, bekräftigt das negative Bild. Das böse Wort vom 4A-ÖV, das schon vor Jahrzehnten grassierte, scheint in Bamberg nach wie vor Gültigkeit zu besitzen: „Öffentliche Verkehrsmittel werden für Arme, Auszubildende, Arbeitslose und Alte vorgehalten. Normale Menschen fahren Auto.“

Auch die nicht aufgeführte, auf vergleichbar langer Wegstrecke erreichbare Haltestelle am Friedhof, ebenfalls halbstündlich (sonntags stündlich) angedient, ist nicht geeignet, den Linienbus als Alternative zum MIV anzubieten.

Die drei Supermärkte Gaustadts sowie die Bäckereien liegen ca. 1 km und mehr in der Luftlinie entfernt. Gleiches gilt für die Mittelschule sowie zwei der vier Kindergärten. Grundschule und die beiden anderen Kindergärten finden sich zwar schon in 500 m Luftlinie. Doch der Weg führt zu einem geraumen Teil über die unattraktive Gaustadter Hauptstraße. Wer hier von „fußläufiger Entfernung“ schreibt, kann dies selbst kaum ernsthaft glauben. Ob Einkaufsfahrt oder Elterntaxi – es ist offenkundig, daß die Stadt Bamberg hinsichtlich der Verkehrsanbindung voll auf das Auto setzt.

zu „3. Planungsziele“ (Begründung)

„Das neue Wohnbaugebiet“ soll „der Nachfrage von jungen Familien für das innenstadtnahe Wohnen im eigenen Haus gerecht“ werden. Zugegeben: Es sind nur rund 3,5 km Fahrstrecke in die Innenstadt. Doch handelt es sich bereits heute um (viel zu) hoch belastete Straßen, die – aus Sicht der Anwohner – keinen zusätzlichen MIV vertragen. Ob verkehrstechnisch höhere Kapazitäten möglich sind, mag für Planer interessant sein. Lärm, Abgase und Beeinträchtigung des Lebensumfelds stellen schon jetzt eine erhebliche Gesundheitsgefahr und Einschränkung der Lebensqualität dar.

„Wohnen im eigenen Haus“ verdeutlicht ohne Umschweife, daß nur die Ansiedlung gut situierter Kreise mit gesichertem Einkommen erwünscht ist. Dem zunehmenden Bedarf an preiswertem Wohnraum wird die Planung sicher nicht gerecht.

Das Planungsgebiet soll nicht zuletzt von „gartengeprägten privaten Wohnwegen“ bestimmt sein. Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, aber auch mit Rücksicht auf die umliegenden, teils schützenswerten Freiflächen, das Wasser und vor allem spielende Kinder wäre dringend erforderlich, den Einsatz von Pestiziden (Auswaschungen, Verwehungen) weitestgehend einzuschränken. Neben restriktiven Anordnungen ist intensive Aufklärung dringend vonnöten.

zu „4.1 Art und Maß der Nutzung“ (Begründung)

Generationenübergreifende Wohn- und barrierefreie Bauformen sollen ermöglicht werden. Die wenigen phantasielosen Ausführungen hierzu einmal außen vor gelassen, verwundert: In der heutigen Zeit sollte selbstverständlich sein, beides grundsätzlich zu integrieren. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt. Junge Familien, die „jetzt“ einziehen, werden älter. Und ein Schicksalsschlag kann jeden in die Lage bringen, auf eine barrierefreie Wohnung, auf generationenübergreifende Hilfe aus der eigenen Verwandtschaft angewiesen zu sein. Nachträgliche Umrüstung wird kaum wirtschaftlicher darzustellen sein als frühzeitige Berücksichtigung schon beim Bau.

Beibehalten wird – selbst unter Beachtung vorstehender Ausführungen – die wie selbstverständlich hingenommene Strukturierung: Die preiswerteren Wohnungen (Mehrgeschoßbau) stehen an den höher frequentierten Straßen, die höherwertigen in den gering befahrenen. Anders ausgedrückt: Die Menschen mit kleinerem Bankkonto dürfen die Belastungen derer hinnehmen, die sie verursachen, sich aber leisten können, den Folgen auszuweichen.

zu „4.2 Erschließung“ (Begründung)

Die Positionierung der Stellplätze im Wohngebiet, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Wohnhäusern, vergibt eine große Chance, tatsächlich familiengerechten Lebensraum zu schaffen. Zudem unterstreicht sie die antiquierte, längst nicht mehr zeitgemäße Priorisierung des Autoverkehrs: hohe Zahl leicht auf kurzem Weg erreichbarer Autostellflächen, keinerlei Vorgaben bezüglich Anzahl und Qualität für die Unterbringung von Fahrrädern einschließlich Zubehörs, weite Wege zu den Bushaltestellen bei nur dünnem Fahrplantakt.

Selbst im Unterkapitel „ÖPNV, Fußgänger- und Fahrradverkehr“ kommt das Fahrrad nicht ein einziges Mal vor. Es wird nur und ausschließlich in dieser einen Überschrift genannt.

Eine moderne Planung verlegte die Stellplätze an den Rand der Siedlung, ließe die Einfahrt nur zum Be- bzw. Entladen zu, ermöglichte selbstverständlich Ausnahmen für diejenigen, die auf Grund körperlicher Beeinträchtigung darauf angewiesen sind, stellte Anforderungen an die bequeme Unterbringung von Fahrrädern samt Zubehörs, ebenso nutzbar für Kinderwagen, Rollatoren u. a. (Bayerische Bauordnung!), in ausreichender Zahl, und sorgte für die nutzergerechte Qualität der Andienung mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

zu „4.3 Stadtgestaltung“ (Begründung)

Einzeln stehende Häuser sind nicht nur energetisch, sondern auch stadtgestalterisch eher negativ zu beurteilen. Eine verbundene Bauweise, wie sie beispielhaft an der Tarvisstraße (ebenfalls in Gaustadt gelegen) verwirklicht ist, erscheint bedeutend effektiver wie auch attraktiver. Durch geschickte Anordnung ermöglicht sie zudem, nicht von außen einsehbare private, halböffentliche und öffentlich zugängliche Grün- und Gartenbereiche zu kombinieren.

zu „4.4 Infrastruktur“ (Begründung)

Wie bereits erwähnt, befinden sich die Einkaufsmöglichkeiten überwiegend in einer Entfernung, welche die meisten Bewohner mit dem privaten Kraftfahrzeug zurücklegen werden. Bezüglich der „besseren Auslastung des Kindergartens und der Schule“ bleibt festzustellen, daß freie Kapazitäten nicht bekannt sind. Es gibt, das sei wiederholt, vier Kindergärten und zwei Schulstandorte, deren fußläufige Erreichbarkeit angesichts – im Zusammenhang betrachtet – der Distanzen und Wegequalität mehr als zweifelhaft ist.

Spielplätze sprechen vor allem Klein- bis Grundschulkinder an. Ältere Kinder und Jugendliche benötigen auch frei zugängliche Flächen, die nicht schon gestaltet sind, die Raum für eigene Kreativität lassen, gestalterische Phantasie mit natürlichen Gegebenheiten und Materialien ermöglichen. Ebenso ist Vielfalt in freizeitsportlichen Aktivitäten zu ermöglichen. „Streifräume“ in der umgebenden „Kulturlandschaft“ und ein „kleiner Bolzplatz“ (5.1 Öffentliche Grünflächen) werden nicht genügen.

zu „4.5 Immissionsschutz“ (Begründung)

Wie schon unter 4.1 kommentiert, vervollkommnet die beschriebene „Immissionsschutzbebauung“ das dort beschriebene Bild. Wohngebäude sind als solche nur mit Einschränkungen zu nutzen, da sie den von außen anstehenden Lärm absorbieren sollen. Erneut mag die Tarvisstraße als gelungenes Beispiel gelten: Der Schallschutz wird durch Garagengebäude gewährleistet, die an dieser Stelle konzentriert sind.

zu „2.2 WASSER / HYDROLOGIE (GRUND- UND OBERFLÄCHENWASSER)“ (Umweltbericht)

Mehrfach wird in den Planungsunterlagen betont, daß der Untergrund nur geringe Versickerungsleistungen zuläßt. Dennoch soll das Niederschlagswasser weitgehend versickert werden (4.6 Nachhaltige … Planung, Begründung). Soweit dies nicht gelingt, soll es „durch einen neuen Kanal in den Main-Donau-Kanal eingeleitet“ werden (4.4 Infrastruktur).

Zu befürchten steht, daß diese Direkteinleitung der Normalfall sein wird, schon, um an den Gebäudefundamenten anstehender Staunässe vorzubeugen. Warum also wird nicht aus der Not eine Tugend gemacht?

Statt der unverbindlichen Aussagen zur Nutzung von Brauchwasser und Solarenergie sind verpflichtende Vorgaben denkbar. Zudem könnte das Niederschlagswasser in offenen Teichen aufgefangen werden, die ihrerseits – soweit im Plangebiet liegend – offene Überlaufabflüsse haben. Entsprechend gestaltet, wäre dies – bei vielleicht nicht hoher, aber doch vorhandener ökologischer Wertigkeit – ein wunderbarer Erlebnisspielplatz für (ältere) Kinder und Jugendliche mit naturpädagogischer Komponente. Absicherungen, welche den unbeaufsichtigten Zugang für Kleinkinder verhindern, sind erforderlich, aber auch machbar – allein der Straßenverkehr stellt selbst in verkehrsberuhigten Bereichen ein deutlich höheres Risiko dar. Der Wasserspielplatz am Fischpaß auf dem ehemaligen ERBA-Gelände zeigt den Bedarf an solchen Einrichtungen überdeutlich.

„Im Plangebiet oder im weiteren Umfeld werden keine Trinkwasserentnahmen getätigt“? Vielleicht könnte ich es wissen, die Lücke muß ich eingestehen: Woher bezieht die ansässige Brauerei ihr Brauwasser?

zu „2.6 MENSCH, KULTUR- UND SACHGÜTER“ (Umweltbericht)

Die Aussage, „die Breitäckerstraße ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt“, ist falsch. Die kurzzeitig angeordnete Sperrung war sehr schnell zurückgenommen worden.

Nicht verwunderlich wäre, die immer wieder aufkeimenden Ideen einer Bergverbindungsstraße zwischen Gaustadt und Bug bezögen die Breitäckerstraße als einen ihrer Endpunkte ein. Da die hiesige Politik in ihrer Mehrheit noch immer nicht begriffen hat, wie wenig zukunftsfähig das bisherige Verkehrssystem sein kann, steht die Realisierung durchaus zu befürchten. Die Folgen auch für das jetzige Plangebiet dürften klar sein.

zu „5.3 BETRIEBSBEDINGTE AUSWIRKUNGEN“ (Umweltbericht)

Es ist davon auszugehen, daß nahezu der gesamte Verkehr, welcher auf Grund des neuen Wohngebiets zu erwarten ist, mit dem privaten Kraftfahrzeug abgewickelt werden wird. Ausnahmen betreffen fast ausschließlich diejenigen, welche nicht über Führerschein / Kraftfahrzeug verfügen und auch nicht im Elterntaxi chauffiert werden können. Inwieweit diese zusätzlichen Emissionen die bestehende Vorbelastung relativ erhöhen, vermag ich nicht einzuschätzen. Doch belegt die Stadt Bamberg mit dieser Planung erneut, daß sie nicht wirklich interessiert ist, den Schwerpunkt ihrer Verkehrspolitik vom Auto zu den Alternativen zu verlagern.

Fazit:

Abgesehen von der grundsätzlichen Fragwürdigkeit, an dieser Stelle ein Wohngebiet zu errichten, besteht im Detail an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Verkehrserschließung: Kaum verkennbar, wenig glaubwürdig verschleiert, findet sich die Konzentration auf den motorisierten Individualverkehr. Doch auch darüber hinaus fehlen, ungeachtet weniger unverbindlicher Empfehlungen, innovative, zeitgemäße Ansätze.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig