Arten­viel­falt und Kli­ma­ge­schich­te: Blü­ten­pflan­zen auf Mee­res­in­seln spie­geln Ein­flüs­se der Eiszeiten

Symbolbild Bildung

Wie vie­le und wel­che Pflan­zen­ar­ten auf Mee­res­in­seln leben, hängt – wie For­schungs­ar­bei­ten in jüng­ster Zeit gezeigt haben – wesent­lich von heu­ti­gen Kli­ma­ver­hält­nis­sen und land­schaft­li­chen Gege­ben­hei­ten ab. Dar­über hin­aus haben aber auch die star­ken Schwan­kun­gen der Mee­res­spie­gel, die in der letz­ten Mil­li­on Jah­ren durch wie­der­hol­te Eis­zei­ten ver­ur­sacht wur­den, Spu­ren hin­ter­las­sen. Sie wir­ken sich noch immer welt­weit auf die Anzahl ende­mi­scher Pflan­zen­ar­ten aus, die nur auf ein­zel­nen Inseln und nir­gend­wo sonst auf der Welt vor­kom­men. Die­sen Ein­fluss der Kli­ma­ge­schich­te zeigt jetzt eine in „Natu­re“ ver­öf­fent­lich­te Stu­die, an der auch der Bay­reu­ther Öko­lo­ge Dr. Manu­el Stein­bau­er mit­ge­wirkt hat.

Der Wis­sen­schaft­ler, der zur­zeit als Post­doc an der Uni­ver­si­tät Aar­hus tätig ist, befasst sich am Bay­reu­ther Zen­trum für Öko­lo­gie und Umwelt­wis­sen­schaf­ten (Bay­CE­ER) inten­siv mit der Arten­viel­falt auf Mee­res­in­seln und ihren Ursa­chen. 2015 wur­de er für sei­ne For­schungs­ar­bei­ten mit dem Wil­helm Pfef­fer-Preis der Deut­schen Bota­ni­schen Gesell­schaft aus­ge­zeich­net. Nun hat Dr. Manu­el Stein­bau­er gemein­sam mit For­schern der Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen erst­mals unter­sucht, inwie­weit sich die Kli­ma­ge­schich­te der Erde in der Vege­ta­ti­on von Mee­res­in­seln wider­spie­gelt. Welt­weit sind heu­te rund 70.000 Pflan­zen auf Mee­res­in­seln behei­ma­tet, die ihrer­seits nur rund 5 Pro­zent der Land­mas­se der Erde ausmachen.

Neue Land­brücken, grö­ße­re iso­lier­te Land­flä­chen: Wie Eis­zei­ten das Gesicht von Mee­res­in­seln veränderten

Von beson­de­rem Inter­es­se sind die immer wie­der­keh­ren­den Eis­zei­ten. Wäh­rend die­ser extre­men Käl­te­pe­ri­oden wur­den rie­si­ge Was­ser­men­gen als Fest­land­eis gespei­chert und somit den Welt­mee­ren ent­zo­gen. Infol­ge­des­sen geschah es in der letz­ten Mil­li­on Jah­ren mehr­mals, dass die Mee­res­spie­gel um mehr als 100 Meter san­ken. Jedes­mal ent­stan­den dabei zwi­schen Küsten und vor­ge­la­ger­ten Inseln oder auch zwi­schen ein­zel­nen Inseln Land­brücken. Falls jedoch ozea­ni­sche Inseln iso­liert blie­ben, ver­grö­ßer­te sich deren Flä­che auf­grund der gesun­ke­nen Mee­res­spie­gel erheb­lich: Küsten­re­gio­nen, die zuvor unter Was­ser gele­gen hat­ten, bil­de­ten nun tie­fer gele­ge­ne Tei­le der insu­la­ren Land­mas­sen. Beson­ders aus­ge­prägt waren die­se Effek­te wäh­rend der letz­ten Eis­zeit vor rund 21.000 Jah­ren, als die Mee­res­spie­gel bis auf eine Tie­fe von 122 Metern unter dem heu­ti­gen Niveau absan­ken. Damals waren bei­spiels­wei­se die Kana­ren­in­seln Lan­za­ro­te und Fuer­te­ven­tura mit­ein­an­der ver­bun­den, und auch eini­ge Inseln der Hawaii-Ket­te bil­de­ten ein ein­zi­ges Felsmassiv.

Blü­ten­pflan­zen auf Mee­res­in­seln: Wie ende­mi­sche Pflan­zen­ar­ten die Kli­ma­ge­schich­te widerspiegeln

Für welt­weit 184 ozea­ni­sche Inseln haben die For­scher die­se eis­zeit­li­chen Fol­gen auf­grund von Kli­ma- und Mee­res­spie­gel­mo­del­len rekon­stru­iert und zu öko­lo­gi­schen Daten in Bezie­hung gesetzt, wel­che die heu­ti­gen Vege­ta­tio­nen die­ser Inseln betref­fen. Dabei haben sie sich auf die Fra­ge kon­zen­triert, wie vie­le und wel­che Arten von Blü­ten­pflan­zen dort vor­kom­men. „Die beein­drucken­de Arten­viel­falt die­ser Pflan­zen, die wir Bota­ni­ker als Angio­sper­men bezeich­nen, ist beson­ders gut erforscht. Ver­gleich­ba­re Ergeb­nis­se wür­de man aber auch für ande­re Arten­grup­pen erwar­ten“, erklärt Dr. Steinbauer.

Die heu­ti­gen Nach­wir­kun­gen der Eis­zei­ten betref­fen haupt­säch­lich ende­mi­sche Blü­ten­pflan­zen, also Pflan­zen­ar­ten, die nur auf ein­zel­nen Inseln oder Archi­pe­len vor­kom­men und hier auch ent­stan­den sind. Auf Inseln, die frü­her auf­grund von Land­brücken mit ande­ren Inseln ver­bun­den waren, fin­den sich ver­gleichs­wei­se weni­ge ende­mi­sche Arten. Offen­bar haben die­se Land­brücken bewirkt, dass Pflan­zen und Tie­re sich in bei­de Rich­tun­gen aus­brei­ten konn­ten. Unge­wöhn­lich hoch ist die Zahl ende­mi­scher Arten hin­ge­gen auf Inseln, die iso­liert blie­ben, aber infol­ge gesun­ke­ner Mee­res­spie­gel wäh­rend der Eis­zei­ten eine beson­ders gro­ße Flä­che hin­zu­ge­wan­nen. Auf die­se Wei­se erwei­ter­te sich die land­schaft­li­che Viel­falt, die auf den Inseln die Ent­wick­lung neu­er Arten begün­stig­te. Gleich­zei­tig gab es kei­ne Land­brücken, über die ein Arten­aus­tausch mit ande­ren Inseln oder mit kon­ti­nen­ta­lem Fest­land mög­lich gewe­sen wäre.

Kli­ma­ge­schich­te und Kli­ma­pro­gno­sen: Was sich aus der Ver­gan­gen­heit für die Zukunft ler­nen lässt

„Unse­re Stu­die belegt, dass es sich lohnt, die Pflan­zen- und Tier­welt auf Mee­res­in­seln genau­er zu erfor­schen. Wie schon die Unter­su­chun­gen von Charles Dar­win im 19. Jahr­hun­dert gezeigt haben, kön­nen ozea­ni­sche Inseln gera­de­zu als Modell­sy­ste­me auf­ge­fasst wer­den, die für die Ent­ste­hung und Ver­brei­tung von Arten beson­ders auf­schluss­reich sind“, meint der Bay­reu­ther Wissenschaftler.

Er sieht in den neu­en For­schungs­er­geb­nis­sen auch eine War­nung, die Fol­gen mensch­li­cher Ein­fluss­nah­me für die Arten­viel­falt auf der Erde nicht zu unter­schät­zen. „Die Ergeb­nis­se ver­deut­li­chen ein­drück­lich, dass die Ent­ste­hung neu­er Arten sehr lang­sam ver­läuft und sich in außer­or­dent­lich lan­gen Zeit­räu­men bewegt, die für uns Men­schen kei­ne Rele­vanz haben. Die Stu­die zeigt aber auch, dass das unwie­der­bring­li­che Aus­ster­ben von Arten ver­gleichs­wei­se schnell erfolgt.“ erklärt Manu­el Stein­bau­er. Dies gel­te nicht nur für die Vege­ta­ti­on auf Mee­res­in­seln, son­dern bei­spiels­wei­se auch für Pflan­zen auf dem euro­päi­schen Festland.

Ver­öf­fent­li­chung:
Patrick Weigel, Manu­el Jonas Stein­bau­er, Julia­no Sar­men­to Cabral, and Hol­ger Kreft,
Late Quar­ten­ary cli­ma­te chan­ge shapes island biodiversity,
Natu­re (2016), doi:10.1038/nature17443