Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Indu­stri­el­le Abwär­me als Energieträger

Symbolbild Bildung

Mit neu­en Wär­me­spei­chern zur kon­stan­ten Stromversorgung

Ein neu­ar­ti­ger Wär­me­spei­cher, wie er jetzt zu For­schungs­zwecken auf dem Cam­pus der Uni­ver­si­tät Bay­reuth instal­liert wur­de, ermög­licht in Ver­bin­dung mit einer ORC-Anla­ge eine kon­stan­te Strom­erzeu­gung auf der Basis von Abwär­me. Auf die­sem Weg las­sen sich wet­ter­be­ding­te Schwan­kun­gen von Pho­to­vol­ta­ik- und Wind­kraft­an­la­gen ausgleichen.

Gro­ße Kern­re­ak­to­ren und Koh­le­kraft­wer­ke durch klei­ne­re umwelt­freund­li­che­re Anla­gen zu erset­zen, ist eine zen­tra­le Her­aus­for­de­rung der Ener­gie­wen­de. Neue Tech­no­lo­gien der Ener­gie­ge­win­nung sind gefragt, um auch künf­tig eine zuver­läs­si­ge und flä­chen­decken­de Strom­ver­sor­gung gewähr­lei­sten zu kön­nen. Dabei rich­tet sich das Inter­es­se zuneh­mend auf die in Indu­strie­an­la­gen ent­ste­hen­de Abwär­me. Sie wird bis­her in den mei­sten Fäl­len unge­nutzt über Kami­ne oder Kühl­sy­ste­me an die Umge­bung abge­ge­ben. Eine beson­ders aus­sichts­rei­che Tech­no­lo­gie, mit der aus die­ser Abwär­me Strom erzeugt wer­den kann, beruht auf dem Orga­nic Ran­ki­ne Cycle (ORC). Dies ist ein Dampf­kraft­pro­zess, der im Prin­zip schon vor rund 150 Jah­ren von dem schot­ti­schen Inge­nieur Wil­liam Ran­ki­ne ent­wickelt wur­de. In ORC-Anla­gen, die Abwär­me zur Strom­erzeu­gung nut­zen, kom­men aller­dings anstel­le von Was­ser orga­ni­sche Flui­de, wie bei­spiels­wei­se Käl­te­mit­tel, zum Ein­satz. Sie haben den Vor­teil, dass sie bereits bei ver­hält­nis­mä­ßig nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren ver­damp­fen und hier­bei einen für die Ver­stro­mung aus­rei­chend hohen Druck aufbauen.

Indu­stri­el­le Abwär­me: ein viel­ver­spre­chen­der Energieträger

Wie kön­nen klei­ne ORC-Anla­gen opti­mal für die Strom­erzeu­gung genutzt wer­den? Die­se Fra­ge bil­det seit meh­re­ren Jah­ren einen For­schungs­schwer­punkt am Lehr­stuhl für Tech­ni­sche Ther­mo­dy­na­mik und Trans­port­pro­zes­se (LTTT), der dem Zen­trum für Ener­gie­tech­nik (ZET) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ange­hört. Unter der Lei­tung von Prof. Dr.-Ing. Die­ter Brüg­ge­mann wur­de hier ein ORC-Minik­raft­werk ent­wickelt, das im Mai 2015 auf dem Bay­reu­ther Cam­pus in Betrieb ging. Part­ner in die­sem Pro­jekt waren die Ost­baye­ri­sche Tech­ni­sche Hoch­schu­le Amberg-Wei­den und die DEPRAG Schulz GmbH u. Co in Amberg. Wäh­rend der For­schungs­ar­bei­ten bestä­tig­te sich, dass indu­stri­el­le Abwär­me grund­sätz­lich ein sehr viel­ver­spre­chen­der Ener­gie­trä­ger ist. Doch um sie für eine ver­läss­li­che Strom­ver­sor­gung von Unter­neh­men oder Pri­vat­haus­hal­ten nut­zen zu kön­nen, muss eine ent­schei­den­de Hür­de genom­men wer­den: Indu­stri­el­le Abwär­me unter­liegt oft star­ken Tem­pe­ra­tur­än­de­run­gen, so dass auch die aus der Abwär­me gewon­ne­ne elek­tri­sche Ener­gie erheb­lich schwankt. Wie kön­nen die Schwan­kun­gen aus­ge­gli­chen werden?

Kon­stan­te Strom­erzeu­gung dank eines neu­ar­ti­gen Zwischenspeichers

Bei der Lösung des Pro­blems ist das Bay­reu­ther For­schungs­team um Prof. Brüg­ge­mann jetzt einen wesent­li­chen Schritt vor­an­ge­kom­men. Grund­la­ge hier­für war eine enge Zusam­men­ar­beit mit zwei baden-würt­tem­ber­gi­schen Indu­strie­part­nern, der enol­con GmbH und der STO­RA­SOL GmbH in Bie­tig­heim-Bis­sin­gen. Im Rah­men die­ser Koope­ra­ti­on wur­de zu For­schungs­zwecken auf dem Bay­reu­ther Cam­pus ein neu­ar­ti­ger Wär­me­spei­cher errich­tet. Die­ser Spei­cher besteht aus meh­re­ren Modu­len, die sich ein­zeln und von­ein­an­der unab­hän­gig zum Be- und Ent­la­den von ins­ge­samt bis zu 1,5 Mega­watt­stun­den Wär­me nut­zen las­sen. Eben­so ist aber auch ein par­al­le­ler Betrieb die­ser Modu­le und eine Seri­en­schal­tung von zwei oder mehr Modu­len mög­lich. Haupt­säch­li­ches Spei­cher­ma­te­ri­al ist Sand, der in meh­re­ren Schich­ten („Spei­cher­ma­te­ri­al-Wän­den“) ange­ord­net ist. Die­se wer­den vom gas­för­mi­gen, bis zu 600 Grad Cel­si­us hei­ßen Wär­me­trä­ger­me­di­um – also von Luft oder Rauch­gas – durchströmt.

Der von der Fir­ma enol­con ent­wickel­te Spei­cher wur­de mit dem ORC-Minik­raft­werk auf dem Bay­reu­ther Cam­pus gekop­pelt und vor weni­gen Tagen im Rah­men einer ener­gie­tech­ni­schen Fach­ta­gung offi­zi­ell in Betrieb genom­men. Über­schüs­si­ge Abwär­me, die nicht unmit­tel­bar für die Strom­erzeu­gung benö­tigt wird, kann jetzt im Wär­me­spei­cher auf­ge­fan­gen wer­den. Sobald der Abwär­me­strom schwä­cher wird, kann zusätz­li­che Wär­me aus dem Spei­cher in die ORC-Anla­ge ein­ge­speist wer­den. So las­sen sich ‚Spit­zen‘ und ‚Täler‘ des Abwär­me­stroms wech­sel­sei­tig aus­glei­chen – mit dem Ergeb­nis, dass die Strom­erzeu­gung durch die ORC-Tech­no­lo­gien im Wesent­li­chen kon­stant bleibt. „Die­se Kom­bi­na­ti­on einer ORC-Anla­ge mit einem lei­stungs­star­ken Wär­me­spei­cher macht die Nut­zung indu­stri­el­ler Abwär­me für die Strom­ge­win­nung deut­lich attrak­ti­ver“, freut sich Prof. Brüggemann.

Wei­te­re Per­spek­ti­ven: Ver­net­zun­gen mit Pho­to­vol­ta­ik- und Windkraftanlagen

Der Bay­reu­ther Inge­nieur­wis­sen­schaft­ler hat zugleich wei­ter­rei­chen­de Anwen­dun­gen im Blick. Da ORC-Anla­gen in Kom­bi­na­ti­on mit Wär­me­spei­chern die Mög­lich­keit bie­ten, die aus indu­stri­el­ler Abwär­me erzeug­te elek­tri­sche Lei­stung nach Bedarf zu regu­lie­ren, kön­nen sie gezielt ein­ge­setzt wer­den, um wet­ter­be­ding­te Schwan­kun­gen von Pho­to­vol­ta­ik- und Wind­kraft­an­la­gen aus­zu­glei­chen. Sobald die­se nicht genü­gend Strom lie­fern, kön­nen ORC-Anla­gen ein­sprin­gen und zusätz­lich benö­tig­ten Strom in die Ver­sor­gungs­net­ze einspeisen.

„Die Kom­bi­na­ti­on von ORC- und Spei­cher­tech­no­lo­gien, wie wir sie zu For­schungs­zwecken auf dem Bay­reu­ther Cam­pus rea­li­siert haben, eröff­net span­nen­de Per­spek­ti­ven für Ver­net­zun­gen unter­schied­li­cher dezen­tra­ler Ener­gie­sy­ste­me. Sol­che Ver­net­zun­gen sind tech­no­lo­gisch anspruchs­voll und eine wesent­li­che Bedin­gung für das Gelin­gen der Ener­gie­wen­de“, meint Prof. Brüggemann.