Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Künst­li­che Bio­fil­me für res­sour­cen­scho­nen­de Biotechnologie

Symbolbild Bildung

Im neu­en baye­ri­schen Pro­jekt­ver­bund Bay­Bio­tech koope­rie­ren Bio­pro­zess­tech­nik und Makro­mo­le­ku­la­re Che­mie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, um ein inno­va­ti­ves Kon­zept für künst­li­che Bio­fil­me zu ent­wickeln. Deren Poten­zia­le sol­len in unter­schied­li­chen Berei­chen der Indu­strie syste­ma­tisch genutzt wer­den kön­nen – zum Bei­spiel in der Ener­gie­tech­nik, der Umwelt­tech­nik oder der Pharmazie.

Wel­che Chan­cen bie­tet die Bio­tech­no­lo­gie für eine inno­va­ti­ve, in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht effi­zi­en­te und zugleich umwelt­freund­li­che Nut­zung von Roh­stof­fen? Um die­se Fra­ge geht es in dem neu­en Pro­jekt­ver­bund Res­sour­cen­scho­nen­de Bio­tech­no­lo­gie (Bay­Bio­tech), der vom Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­um für Umwelt und Ver­brau­cher­schutz mit ins­ge­samt rund zwei Mio. Euro geför­dert wird. An der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg (FAU), die den Ver­bund koor­di­niert, fand am 3. Febru­ar 2016 die Auf­takt­ver­an­stal­tung statt. Dabei stell­ten sich sechs anwen­dungs­ori­en­tier­te For­schungs­pro­jek­te vor, die künf­tig an Bay­Bio­tech mit­wir­ken. Dazu zählt auch ein Vor­ha­ben der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zum The­ma „Bio­fil­me für die Pro­zess­in­ten­si­vie­rung“, in dem For­schungs­teams aus der Bio­pro­zess­tech­nik und der Makro­mo­le­ku­la­ren Che­mie unter der Lei­tung von Prof. Dr. Ruth Frei­tag und Prof. Dr. Andre­as Grei­ner kooperieren.

Von der Natur zur indu­stri­el­len Nutzung

Das Pro­jekt zielt dar­auf ab, ein neu­es Kon­zept für künst­li­che Bio­fil­me zu ent­wickeln und im Indu­strie­maß­stab umzu­set­zen. In der Natur gibt es viel­fäl­ti­ge Bei­spie­le für Bio­fil­me. Sie ent­ste­hen über­all dort, wo sich Bak­te­ri­en, Pil­ze oder Algen an feuch­te Ober­flä­chen anhef­ten und sich hier auf­grund gün­sti­ger Lebens­be­din­gun­gen ver­meh­ren, wie etwa an Brücken­pfei­lern, Rohr­lei­tun­gen oder Schiffs­tur­bi­nen. In man­chen Berei­chen der Indu­strie wer­den bereits heu­te groß­flä­chi­ge Bio­fil­me ein­ge­setzt. Bio­fil­me kom­men ins­be­son­de­re bei der Abwas­ser­be­hand­lung, in Bio-Fil­tern für die Luft­rein­hal­tung, in Bio­gas­an­la­gen oder auch bei der Pro­duk­ti­on von Essig­säu­re zum Ein­satz, die für die Lebens­mit­tel- und für die Kunst­stoff­in­du­strie ein unent­behr­li­cher Roh­stoff ist.

In die­sen Fäl­len arbei­tet man mit natür­li­chen Bio­fil­men, die meist meh­re­re Arten von Mikro­or­ga­nis­men ent­hal­ten. Für vie­le wei­te­re Anwen­dun­gen in der indu­stri­el­len Bio­tech­no­lo­gie gibt es jedoch kei­ne geeig­ne­ten natür­li­chen Bio­fil­me, oder sie sind aus hygie­ni­schen Grün­den nicht erwünscht. Hier setzt das neue Bay­reu­ther Kon­zept der „Bio­kom­po­si­te“ an: Dies sind Bio­fil­me, bei denen die Mikro­or­ga­nis­men nicht nur gezielt aus­ge­wählt, son­dern auch in ein maß­ge­schnei­der­tes Sub­strat aus Poly­me­ren ein­ge­bet­tet werden.

Viel­fäl­ti­ge Anwen­dungs­po­ten­zia­le maß­ge­schnei­der­ter Biofilme

Die an Bay­Bio­tech betei­lig­ten For­scher an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth sind über­zeugt, dass das Poten­zi­al der­ar­ti­ger künst­li­cher Bio­fil­me groß ist. Dies gilt vor allem für „Sin­gle Species“-Biofilme, die aus­schließ­lich eine ein­zi­ge Art von Mikro­or­ga­nis­men ent­hal­ten, so dass sich deren Stoff­wech­sel­funk­tio­nen gezielt steu­ern und kon­trol­lie­ren las­sen. „Für einen spar­sa­men Umgang mit Roh­stof­fen wird es immer wich­ti­ger, dass die in Abfäl­len ent­hal­te­nen Wert­stof­fe erneut genutzt wer­den“, erklärt Prof. Frei­tag, Inha­be­rin der Lehr­stuhls für Bio­pro­zess­tech­nik. „Dies gilt für Abfäl­le aus der Indu­strie und der Land­wirt­schaft eben­so wie für den Müll von Pri­vat­haus­hal­ten. Phos­phat, Schwe­fel und Metal­le sind Roh­stof­fe, die viel zu wert­voll sind, um ver­brannt zu wer­den. Mit­hil­fe spe­zi­el­ler Mikro­or­ga­nis­men kön­nen sie iso­liert und zurück­ge­won­nen werden.“

Ein wei­te­res zukunfts­wei­sen­des Anwen­dungs­ge­biet ist die Ener­gie­tech­nik. So kön­nen Mikro­or­ga­nis­men in Brenn­stoff­zel­len zur Strom­erzeu­gung genutzt wer­den. Als Kata­ly­sa­to­ren kön­nen sie hier Elek­tro­nen frei­set­zen, die – wenn sie direkt auf die Anode der Brenn­stoff­zel­le gelei­tet wer­den – einen Strom­kreis­lauf in Gang set­zen. Nicht zuletzt sind Bio­fil­me auch für die Che­mie­in­du­strie zuneh­mend inter­es­sant, bei­spiels­wei­se wenn es um struk­tur­spe­zi­fi­sche Syn­the­sen, natür­li­che Schäd­lings­be­kämp­fung und ‑schad­stoff­ab­rei­che­rung oder die För­de­rung des Pflan­zen­wachs­tums geht.

Bis heu­te fehlt der Indu­strie jedoch ein uni­ver­sell ein­setz­ba­res Kon­zept für die Pro­duk­ti­on von „Sin­gle Species“-Biofilmen, die pass­ge­nau auf bestimm­te bio­tech­no­lo­gi­sche Funk­tio­nen hin zuge­schnit­ten sind. Das Bay­reu­ther For­schungs­pro­jekt unter dem Dach von Bay­Bio­tech will in den näch­sten Jah­ren wich­ti­ge Eck­punk­te eines sol­chen Kon­zepts erar­bei­ten. Auf die­se Wei­se sol­len indu­stri­el­le bio­tech­no­lo­gi­sche Pro­zes­se inten­si­viert und die Poten­zia­le von Bio­fil­men in unter­schied­li­chen Bran­chen syste­ma­tisch genutzt wer­den können.

Bio­kom­po­si­te – eine viel­ver­spre­chen­de Mate­ri­al­klas­se für die Biotechnologie

Von zen­tra­ler Bedeu­tung für die­ses Vor­ha­ben ist die inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit von Bio­pro­zess­tech­nik und Makro­mo­le­ku­la­rer Che­mie auf dem Bay­reu­ther Cam­pus. Unter der Lei­tung von Prof. Grei­ner, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth einen Lehr­stuhl für Makro­mo­le­ku­la­re Che­mie inne­hat, sol­len neue Bio­kom­po­si­te ent­wickelt wer­den. Hier­bei han­delt es sich um eine neu­ar­ti­ge Mate­ri­al­klas­se, bei der Bak­te­ri­en oder ande­re Mikro­or­ga­nis­men gezielt in einer Poly­mer-Matrix plat­ziert wer­den. Die­se Ver­bund­ma­te­ria­li­en haben, wenn sie als Bio­fil­me ein­ge­setzt wer­den, zahl­rei­che Vor­tei­le. Die Mikro­or­ga­nis­men sind inner­halb der Matrix an aus­ge­wähl­ten Punk­ten fixiert und kön­nen sich nicht frei bewe­gen, so dass sich das Zusam­men­spiel ihrer Stoff­wech­sel­pro­zes­se und somit auch die Funk­tio­nen der Mate­ria­li­en prä­zi­se kon­trol­lie­ren lassen.

„Wir ver­fü­gen an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth über modern­ste Tech­no­lo­gien, die für das Design und die Pro­duk­ti­on von Bio­kom­po­si­ten im Labor erfor­der­lich sind“, erklärt Prof. Grei­ner. „So haben wir zum Bei­spiel Anla­gen für das Elek­tro- und das Nass-Spin­nen, mit denen sich fein­struk­tu­rier­te Vlie­se und Gewe­be aus Poly­me­ren her­stel­len las­sen. Dies sind Trä­ger­ma­te­ria­li­en, deren hoch­in­ter­es­san­te Eigen­schaf­ten auf dem Gebiet der Bio­fil­me bis­her noch viel zu wenig genutzt wor­den sind.“

Bay­Bio­tech – ein Bei­trag zum „Mega-Pro­jekt Roh­stoff­wen­de Bayern“

Bei der Auf­takt­ver­an­stal­tung in Erlan­gen beton­te die Baye­ri­sche Umwelt­mi­ni­ste­rin Ulri­ke Scharf die Bedeu­tung des neu­en Pro­jekt­ver­bunds für einen scho­nen­den Umgang mit Res­sour­cen: „Es ist für die Zukunft unse­res Lan­des von enor­mer Bedeu­tung, dass wir mit unse­ren end­li­chen Res­sour­cen spar­sam und intel­li­gent umge­hen. Des­halb brau­chen wir die Roh­stoff­wen­de – aus öko­no­mi­schen und öko­lo­gi­schen Grün­den. Mit dem neu­en Pro­jekt­ver­bund erschlie­ßen wir inno­va­ti­ve Mög­lich­kei­ten der Bio­tech­no­lo­gie, um Res­sour­cen zu scho­nen. Bay­Bio­tech ist neben dem Pro­jekt­ver­bund For­Cy­cle ein wei­te­rer star­ker Bau­stein im Hand­lungs­feld For­schung und Ent­wick­lung unse­res Mega-Pro­jekts Roh­stoff­wen­de Bayern.“