Uni­ver­si­tät Bay­reuth: „Extre­mer Fron­tal­auf­prall auf der Erde“

Symbolbild Bildung

Neue, in „Sci­ence“ ver­öf­fent­lich­te Iso­to­pen­ana­ly­sen spre­chen für die The­se, dass vor rund 4,5 Mil­li­ar­den Jah­ren ein pla­ne­ten­ar­ti­ger Him­mels­kör­per tief in die Erde ein­ge­drun­gen und eine Mate­ri­al­mi­schung erzeugt hat, aus der auch der Mond ent­stan­den ist.

Wie ist der Mond ent­stan­den? Die Fach­welt ist sich weit­ge­hend dar­in einig, dass vor rund 4,5 Mil­li­ar­den Jah­ren ein pla­ne­ten­ar­ti­ger Him­mels­kör­per auf die Erde geprallt ist, die zu die­sem Zeit­punkt bereits einen festen Gesteins­man­tel hat­te. Dabei wur­den rie­si­ge Wol­ken von Staub und Gesteins­brocken in die Erd­um­lauf­bahn geschleu­dert, aus denen sich all­mäh­lich der Mond her­aus­bil­de­te. Bis­her war in der For­schung die Annah­me ver­brei­tet, jener Him­mels­kör­per – der nach einer Gestalt aus der grie­chi­schen Mytho­lo­gie den Namen „Theia“ erhielt – sei von der Sei­te her in einem eher fla­chen Win­kel auf der Erd­ober­flä­che aufgeschlagen.

Die­se Hypo­the­se ist jedoch unplau­si­bel, wie ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team mit Prof. Dr. David Rubie vom Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth jetzt her­aus­ge­fun­den hat. Die im Wis­sen­schafts­ma­ga­zin „Sci­ence“ ver­öf­fent­lich­ten For­schungs­er­geb­nis­se spre­chen viel­mehr dafür, dass Theia mit extrem hoher Geschwin­dig­keit fron­tal auf die Erde zuge­stürzt ist, ver­mut­lich mit rund 10 Kilo­me­tern pro Sekun­de. Die enor­me Wucht des Auf­pralls setz­te Ener­gien frei, die einen gro­ßen Teil des Erd­ge­steins auf­ge­schmol­zen haben. Dadurch ist Theia tief in die Erde ein­ge­drun­gen und hat sich mit dem Gestein der Erde ver­mischt – mit dem Effekt, dass es sich bei dem in die Erd­um­lauf­bahn her­aus­ge­schleu­der­ten Mate­ri­al eben­falls um eine sol­che Mischung handelte.

Sau­er­stoff-Iso­to­pe im Gestein der Erde und des Mondes

Die Wis­sen­schaft­ler sind zu die­sem Ergeb­nis gekom­men, indem sie Gesteins­pro­ben unter­schied­li­cher Her­kunft mit­ein­an­der ver­gli­chen haben: einer­seits Gestein aus Hawaii und Ari­zo­na, das infol­ge vul­ka­ni­scher Pro­zes­se aus dem Erd­man­tel an die Erd­ober­flä­che gelangt ist, ande­rer­seits Mond­ge­stein, das die Astro­nau­ten der Apol­lo-Mis­sio­nen 12, 15 und 17 mit­ge­bracht hat­ten. Ent­schei­dend war dabei die Ana­ly­se des Sau­er­stoffs, der rund 90 Pro­zent des Volu­mens die­ser Gesteins­brocken aus­macht. Der Sau­er­stoff im Erd­ge­stein ent­hält fast nur O‑16-Iso­to­pe, näm­lich Sau­er­stoff­ato­me, deren Ker­ne jeweils aus acht Pro­to­nen und acht Neu­tro­nen bestehen. In nur sehr gerin­gen Men­gen kom­men auch die schwe­re­ren Iso­to­pe O‑17 und O‑18 vor, deren Ker­ne ein bzw. zwei wei­te­re Neu­tro­nen ent­hal­ten. Die glei­chen Men­gen­ver­hält­nis­se fin­den sich in allen Pro­ben des Mondgesteins.

„Wir haben hin­sicht­lich der Sau­er­stoff-Iso­to­pe kei­ne signi­fi­kan­ten Unter­schie­de zwi­schen dem irdi­schen Gestein und dem Mond­ge­stein fest­stel­len kön­nen“, erklärt Prof. Rubie, der die an der Gesteins­bil­dung betei­lig­ten Sau­er­stoff-Iso­to­pe model­liert hat. Auch der BGI-Mit­ar­bei­ter Dr. Seth Jacob­son, der zur­zeit an der Uni­ver­si­tät Niz­za tätig ist, hat an die­sen For­schungs­ar­bei­ten teilgenommen.

Eine Mate­ri­al­mi­schung aus Theia und ‚Ur-Erde‘: Res­sour­ce für die Ent­ste­hung von Erde und Mond

Die glei­chen Antei­le von Sau­er­stoff-Iso­to­pen im Gestein von Erde und Mond sind umso auf­fäl­li­ger, als die Erde, der Mars und ande­re Pla­ne­ten des Son­nen­sy­stems sich in die­ser Hin­sicht signi­fi­kant unter­schei­den. Auch Theia als extra­ter­re­stri­scher Him­mels­kör­per dürf­te sich in die­sem Punkt deut­lich von der ‚Ur-Erde‘ unter­schei­den haben. „Die Ergeb­nis­se unse­rer Gesteins­ana­ly­sen spre­chen des­halb ein­deu­tig dafür, dass die Erde in ihrer heu­ti­gen Gestalt und der Mond aus einer Mate­ri­al­mi­schung her­vor­ge­gan­gen sind, die ihren Ursprung in einer wech­sel­sei­ti­gen Durch­drin­gung von Theia und ‚Ur-Erde‘ hat“, meint der Bay­reu­ther Geo­wis­sen­schaft­ler. „Die nach dem Auf­prall in die Erd­um­lauf­bahn geschleu­der­ten Staub- und Gesteins­men­gen, aus denen der Mond ent­stan­den ist, ent­hiel­ten einen unge­fähr gleich hohen Anteil von Theia-Mate­ri­al wie die Mate­ri­al­mi­schung, die sich nach dem Auf­prall zum heu­ti­gen Pla­ne­ten Erde ver­fe­stigt hat.“

Die­ser Befund – so die Autoren der neu­en „Science“-Veröffentlichung – spricht ein­deu­tig für einen äußerst hef­ti­gen und zer­stö­re­ri­schen Fron­tal­auf­prall von Theia. Wäre die­ser extra­ter­re­stri­sche Kör­per seit­lich in einem rela­tiv fla­chen Win­kel auf­ge­schla­gen, wäre das Mate­ri­al von Theia größ­ten­teils in der Erd­um­lauf­bahn gelan­det. Das heu­ti­ge Mond­ge­stein wür­de dann sehr wahr­schein­lich ande­re Antei­le von Sau­er­stoff-Iso­to­pen auf­wei­sen als das Gestein der Erde.

For­schungs­för­de­rung durch EU und NASA

Die Bay­reu­ther For­schungs­ar­bei­ten von Prof. Rubie wur­den aus dem EU-For­schungs­pro­jekt ACCRE­TE geför­dert, für die er 2011 einen ERC Advan­ced Grant – den höch­sten Preis des Euro­päi­schen Wis­sen­schafts­rats – erhal­ten hat­te. Dem Autoren­team der in „Sci­ence“ ver­öf­fent­lich­ten Stu­die gehö­ren zudem Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Niz­za und der Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia, Los Ange­les (UCLA) an. Deren For­schungs­ar­bei­ten wur­den von der U.S.-amerikanischen Welt­raum­be­hör­de NASA unterstützt.

Ver­öf­fent­li­chung:
Edward D. Young et al., Oxy­gen iso­to­pic evi­dence for vigo­rous mixing during the Moon-forming giant impact, Sci­ence 29 Jan 2016: Vol. 351, Issue 6272, pp. 493–496.
DOI: 10.1126/science.aad0525