For­schungs­ziel: Inno­va­ti­ves Gesamt­kon­zept für Nullenergiehäuser

Symbolbild Bildung

Uni­ver­si­tät Bay­reuth koor­di­niert euro­päi­sches Pro­jekt mit Part­nern aus For­schung und Industrie

Das von der EU geför­der­te Pro­jekt „InDe­WaG“ will inno­va­ti­ve Gebäu­de­tech­no­lo­gien so kom­bi­nie­ren, dass Gebäu­de erheb­lich weni­ger Ener­gie für Hei­zung, Lüf­tung und Kli­ma­ti­sie­rung ver­brau­chen als bis­her. Ange­strebt wird die indu­stri­el­le Fer­ti­gung stan­dar­di­sier­ter Gebäu­de­ele­men­te, die glei­cher­ma­ßen in ver­schie­de­nen Kli­ma­zo­nen ein­ge­setzt wer­den können.

In den Län­dern der Euro­päi­schen Uni­on wer­den Wohn­häu­ser ab 2021 und Büro­ge­bäu­de ab 2019 vor­aus­sicht­lich stren­gen Ener­gie­spar­richt­li­ni­en unter­lie­gen. Der Indu­strie­aus­schuss des Euro­päi­schen Par­la­ments hat hier­für weit­rei­chen­de Gesetz­ent­wür­fe vor­ge­legt. In weni­gen Jah­ren sol­len neu errich­te­te Gebäu­de in der Lage sein, so viel Ener­gie zu erzeu­gen wie sie ver­brau­chen. Damit wäre das „Null­ener­gie­haus“ schon bald ein ver­bind­li­cher Stan­dard in der EU. Gleich­wohl exi­stie­ren bis heu­te kaum trag­fä­hi­ge Gebäu­de­kon­zep­te, die die­sen Anfor­de­run­gen ent­spre­chen. Noch immer geht bei nied­ri­gen Außen­tem­pe­ra­tu­ren oft ein hoher Anteil der Hei­zungs­wär­me infol­ge man­geln­der Iso­lie­rung ver­lo­ren. Bei hohen Außen­tem­pe­ra­tu­ren wie­der­um müs­sen Kli­ma­an­la­gen die durch star­ke Son­nen­ein­strah­lung erhitz­ten Räu­me kühlen.

For­schungs- und Indu­strie­part­ner in Bul­ga­ri­en, Deutsch­land und Spanien

Das euro­päi­sche Pro­jekt „InDe­WaG“ – dies ist eine Abkür­zung für „Indu­stri­al Deve­lo­p­ment of Water Flow Gla­zing Systems“ – will die­se Pro­ble­me mit einem inte­grier­ten Kon­zept für Gebäu­de­hül­len über­win­den. Das im Sep­tem­ber 2015 gestar­te­te Vor­ha­ben wird vom Lehr­stuhl für Werk­stoff­ver­ar­bei­tung der Uni­ver­si­tät Bay­reuth unter der Lei­tung von Prof. Dr. Moni­ka Wil­lert-Pora­da koor­di­niert. For­schungs­part­ner sind die Poly­tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Madrid, das Zen­tral­la­bor für Solar­ener­gie und neue Ener­gie­quel­len der bul­ga­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten in Sofia, das Fraun­ho­fer-Insti­tut für Sola­re Ener­gie­sy­ste­me ISE in Frei­burg sowie nam­haf­te Unter­neh­men und Archi­tek­tur­bü­ros in Deutsch­land, Bul­ga­ri­en und Spa­ni­en. Die Euro­päi­sche Uni­on för­dert das Vor­ha­ben bis 2018 mit ins­ge­samt rund 4,2 Mio. Euro; auf die Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­fal­len dabei rund 484.000 Euro.

Neue Tech­no­lo­gien für Glas­fas­sa­den und Innenwände

Das ange­streb­te Kon­zept für Gebäu­de­hül­len wird zwei anspruchs­vol­le Tech­no­lo­gien kom­bi­nie­ren: Durch Flui­de erwärm­te Innen­wän­de („Radi­ant Inte­ri­or Walls“) sor­gen dafür, dass Hei­zungs­wär­me nicht oder nur in gerin­gem Umfang benö­tigt wird. Flu­id­durch­ström­te Glas­fas­sa­den-Ele­men­te („Flu­id Flow Gla­zing Faça­des“) sol­len hin­ge­gen ver­hin­dern, dass die Son­nen­ein­strah­lung die Räu­me zu sehr auf­heizt und dadurch den Ener­gie­ver­brauch durch Kli­ma­an­la­gen stei­gert. Was­ser, das durch Zwi­schen­räu­me der Ver­gla­sung fließt, trans­por­tiert die über­schüs­si­ge Wär­me ab. Bei­de Kom­po­nen­ten sol­len im Wech­sel der Jah­res­zei­ten so auf­ein­an­der abge­stimmt wer­den, dass Gebäu­de erheb­lich weni­ger Ener­gie für Hei­zung, Lüf­tung und Kli­ma­ti­sie­rung ver­brau­chen als bis­her. Die ent­spre­chen­den Anla­gen benö­ti­gen in die­sem Fall deut­lich gerin­ge­re Kapa­zi­tä­ten, als sie heu­te üblich sind. Die Pro­jekt­part­ner von InDe­WaG wol­len mit die­sem inte­grier­ten Kon­zept errei­chen, dass die Bau­ko­sten für neue Gebäu­de um bis zu 15 Pro­zent sinken.

Auf dem Weg zur indu­stri­el­len Anwendung

„InDe­WaG ist ein aus­ge­spro­chen anwen­dungs­ori­en­tier­tes Vor­ha­ben“, erläu­tert Pro­jekt­lei­te­rin Prof. Wil­lert-Pora­da. „Es geht uns nicht allein um neue wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se zur Ener­gie­nut­zung und Ener­gie­ein­spa­rung in Gebäu­den, son­dern vor allem um deren opti­ma­le prak­ti­sche Umset­zung im indu­stri­el­len Maß­stab, die zusam­men mit den am Pro­jekt betei­lig­ten euro­päi­schen Unter­neh­men vor­an­ge­trie­ben wird.“ Ein wesent­li­ches Ziel ist dabei die Ent­wick­lung von Metho­den, die es ermög­li­chen, Gebäu­de umfas­send zu simu­lie­ren – und zwar so, dass kli­ma­spe­zi­fi­sche Bedin­gun­gen dabei berück­sich­tigt wer­den. Ange­strebt wird die indu­stri­el­le Fer­ti­gung stan­dar­di­sier­ter Gebäu­de­ele­men­te, die glei­cher­ma­ßen in ver­schie­de­nen Kli­ma­zo­nen ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Simu­la­ti­ons­ge­stütz­te Gebäu­de-Ent­wür­fe sol­len die Inte­gra­ti­on aller Gebäu­de­ele­men­te schon in einer frü­hen Pla­nungs­pha­se unter­stüt­zen und so eine detail­ge­naue Pla­nung von Null­ener­gie­häu­sern gewähr­lei­sten – mit dem Ziel, die Inve­sti­ti­ons- und die Betriebs­ko­sten von Null­ener­gie­häu­sern zu minimieren.