Leser­brief: Bam­ber­ger Poli­zei macht sich lächer­lich – zu Unfall­hoch­burg Bam­berg (FT vom 31. Dezember)

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Laut Bam­ber­ger Poli­zei hat­te es im Jahr 2014 in der Stadt „nur“ 511 Ver­kehrs­un­fäl­le mit Per­so­nen­scha­den gege­ben sowie kei­nen mit Todes­fol­ge. Wor­in indes die für die Schluß­fol­ge­run­gen rele­van­te (!) sta­ti­sti­sche Dis­kre­panz zu den 520 Unfäl­len ein­schließ­lich eines Todes­falls, wie sie das Ver­brau­cher­por­tal „bil​li​ger​.de“ nennt, bestehen soll, erklärt sie nicht. Allein die unter­schied­li­che Zähl­wei­se der töd­lich ver­lau­fe­nen Ver­kehrs­un­fäl­le aus 2015, wie sie im FT-Arti­kel genannt ist, ver­deut­licht doch das Pro­blem der exak­ten Erfas­sung: Sechs Men­schen sind gestor­ben. Doch die bei­den, wel­che län­ger als 30 Tage über­lebt hat­ten, zäh­len in der Sta­ti­stik nicht als Verkehrstote.

Die Sta­ti­stik berei­tet offen­kun­dig grund­sätz­li­che Pro­ble­me. So heißt es im Bei­trag unter (feh­ler­haf­ter!) Beru­fung auf das Ver­brau­cher­por­tal, das Risi­ko, in Bam­berg einen Ver­kehrs­un­fall mit Kör­per­scha­den zu erlei­den, läge bei 39 %. Zwei von fünf Per­so­nen, die das Haus ver­las­sen, müß­ten dem­nach ver­letzt wer­den. Das ist hah­ne­bü­che­ner Unsinn – „bil​li​ger​.de“ behaup­tet dies auch nicht. Viel­mehr heißt es dort, das Risi­ko lie­ge 39 % über dem Bun­des­schnitt, was Bam­berg den unrühm­li­chen sech­sten Rang unter den Unfall­hoch­bur­gen beschert.

Es bleibt wohl auch das Geheim­nis der Pres­se­spre­che­rin der Bam­ber­ger Poli­zei, in wel­cher Wei­se die Umrech­nung der Unfall­da­ten auf eine ver­gleich­ba­re Grö­ße – hier bezo­gen auf die Ein­woh­ner­zahl – die Dar­stel­lung ver­zer­ren soll. Schließ­lich han­delt es sich um ein all­ge­mein übli­ches Verfahren.

Stim­men mag, daß Unfall­schwer­punk­te weder ört­lich noch ursäch­lich aus­zu­ma­chen sind. Den­noch ist die an den Tag geleg­te fata­li­sti­sche Ein­stel­lung der Poli­zei mehr als frag­wür­dig. Ins­be­son­de­re die Wer­tung, es han­de­le sich meist um mensch­li­ches Ver­sa­gen, als Begrün­dung für feh­len­den Hand­lungs­be­darf her­an­zu­zie­hen, empört. Ver­kehrs­er­zie­hung, Fahr­aus­bil­dung, auf­klä­ren­de Öffent­lich­keits­ar­beit, Gestal­tung des Ver­kehrs­raums sowie Über­wa­chung und Ahn­dung rück­sichts­lo­ser Regel­miß­ach­tung sind die Ansatz­punk­te. Und genau hier ver­sa­gen Poli­zei, Ver­kehrs- und Ord­nungs­be­hör­de seit Jahren:

Die Ver­kehrs­er­zie­hung beschränkt sich weit­ge­hend dar­auf, Anpas­sung an und Unter­ord­nung unter den Auto­ver­kehr einzufordern.

Fah­ren auf Sicht und der Situa­ti­on ange­paß­te Geschwin­dig­keit sind nahe­zu unbe­kannt. Auto­fah­rer jeg­li­chen Alters attackie­ren in gefähr­den­der Wei­se sich kor­rekt ver­hal­ten­de Rad­fah­rer, weil sie selbst die Ver­kehrs­re­geln (aus­rei­chen­de Sei­ten­ab­stän­de, lega­les Radeln auf der Fahr­bahn neben – häu­fig gefähr­dend gestal­te­ten – Rad­ver­kehrs­an­la­gen, …) nicht ken­nen oder akzeptieren.

Unfall­mel­dun­gen sind nicht sel­ten ten­den­zi­ös ver­faßt und len­ken die Ver­ant­wort­lich­keit von (moto­ri­sier­tem) Ver­ur­sa­cher und / oder Unfäl­le begün­sti­gen­der Wege­ge­stal­tung / Ver­kehrs­len­kung auf die (unmo­to­ri­sier­ten) Opfer.

Geh­we­ge und Rad­ver­kehrs­an­la­gen ent­spre­chen flä­chen­deckend nicht den gel­ten­den Regel­wer­ken, wel­che selbst bei umfas­sen­der Neu­ge­stal­tung igno­riert werden.

Behin­dern­des und gefähr­den­des Hal­ten und Par­ken auf Geh­stei­gen und Rad­ver­kehrs­an­la­gen wird groß­zü­gig gedul­det und viel­fach sogar angeordnet.

Regel­mä­ßig ist zu lesen, Kraft­fahr­zeu­ge im Gegen­ver­kehr, Rad­fah­rer, Fuß­gän­ger oder ver­kehrs­be­ding­tes Hal­ten (Stau, Ampel, Fuß­gän­ger­über­weg, …) des Vor­aus­fah­ren­den sei­en „über­se­hen“ wor­den. Nie hin­ge­gen wird die Fra­ge auf­ge­wor­fen, ob über­höh­te Geschwin­dig­keit bezie­hungs­wei­se ver­such­te Erzwin­gung des Vor­rangs ursäch­lich zum Unfall bei­getra­gen hat.

Aktu­ell zeigt sich an der Ein­mün­dung der Anna- in die Star­ken­feld­stra­ße, daß Poli­zei und städ­ti­sche Behör­den der Ver­kehrs­si­cher­heit nur unter­ge­ord­ne­te Bedeu­tung bei­mes­sen. Wich­ti­ger ist ihnen unge­hin­dert schnel­les Fah­ren der Kraft­fahr­zeu­ge. Die (recht­lich erfor­der­li­che) Auf­he­bung der unfall­träch­ti­gen Rad­weg­be­nut­zungs­pflicht sowie die Her­ab­set­zung der ange­ord­ne­ten zuläs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit leh­nen sie eben­so ab wie die bedarfs­ge­rech­te Schaf­fung einer siche­ren (!) Que­rungs­mög­lich­keit für Fuß­gän­ger – immer­hin lie­gen Arbeits­agen­tur, Kin­der­ta­ges­stät­te und meh­re­re Schu­len in der Nähe. Statt des­sen sind ver­schie­de­ne sinn­freie, teils die Gefähr­dung noch erhö­hen­de Ali­bi­maß­nah­men im Ein­mün­dungs­be­reich der Anna­stra­ße vorgesehen.

Abschlie­ßend sei ange­merkt: Der Fahr­stil eini­ger Stadt­bus­fah­rer, die offen­sicht­lich gern zwi­schen Voll­gas und Voll­brem­sung wech­seln, läßt für Ver­wun­de­rung über den töd­li­chen Sturz eines Fahr­gasts wenig Raum.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig

Anmer­kung der Redak­ti­on: sie­he dazu auch VCD: „Bam­berg ist Unfall-Hochburg“