Leser­brief: Stel­lung­nah­me zu BBP 114F – Quar­tier an der Stadtmauer

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Nach­fol­gend erhal­ten Sie die von mir im Rah­men der früh­zei­ti­gen Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung ein­ge­reich­ten „Anre­gun­gen und Beden­ken“ zu den bis heu­te aus­ge­leg­ten Unter­la­gen. Ich gehe nicht davon aus, daß sei­tens der Stadt­ver­wal­tung die Ori­gi­na­le den Man­dats­trä­gern vor­ge­legt wer­den. Denn die in der Ver­gan­gen­heit auf ent­spre­chen­de Ein­ga­ben zuge­gan­ge­nen Erwi­de­run­gen waren inhalt­lich der­ma­ßen dane­ben, daß den ent­spre­chen­den Beschlüs­sen allen­falls ver­zer­ren­de Inter­pre­ta­tio­nen der Behör­de zu Grun­de gele­gen haben können.

Ich habe mich auf den Gesichts­punkt der ver­kehr­li­chen Erschlie­ßung beschränkt. In die­sem Zusam­men­hang waren auch eini­ge die Rea­li­tät teils beschö­ni­gend-ver­fäl­schen­de Dar­stel­lun­gen aus der Begrün­dung richtigzustellen:

Bebau­ungs­plan­ver­fah­ren 114F
zwi­schen Lan­ge Stra­ße und Franz-Lud­wig-Stra­ße: „Quar­tier an der Stadtmauer“

hier: Anre­gun­gen und Beden­ken gemäß §3–1 BauGB

Vor­be­halt­lich der Detail­pla­nung ist das Vor­ha­ben dem Grun­de nach zu begrü­ßen. Die aus­ge­leg­ten Unter­la­gen bedür­fen den­noch eini­ger Kommentierungen.

Stell­plät­ze:

Auf Grund der aner­kann­ter­ma­ßen zen­tra­len Lage und viel­sei­ti­gen Erschlie­ßung durch öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel ergä­be sich eine her­vor­ra­gen­de Gele­gen­heit, die Zahl der vor­ge­se­he­nen Kfz-Stell­plät­ze im Wohn­be­reich gegen­über den Vor­ga­ben der Stell­platz­sat­zung zu ver­rin­gern. Andern­orts ist dies längst üblich, Bam­berg hinkt der Ent­wick­lung wie­der ein­mal hinterher.

Hin­ge­gen sind die Vor­ga­ben der Sat­zung für die Zahl der Fahr­rad­stell­plät­ze sowohl in Quan­ti­tät als auch in Qua­li­tät weit gerin­ger als erfor­der­lich. Hier muß drin­gend mehr ver­langt werden.

Auch in Bam­berg ist die ver­kehr­lich beding­te Luft­be­la­stung (nicht nur) unter gesund­heit­li­chem Aspekt unver­tret­bar hoch. Es kann und darf nicht sein, es wie­der­spricht jeg­li­chem Vor­sor­ge­prin­zip, wenn nur auf die (nicht ein­mal ver­läß­lich erreich­ba­re) Ein­hal­tung von Grenz­wer­ten geach­tet wird. Denn die­se garan­tie­ren mit­nich­ten Unbe­denk­lich­keit. Sie stel­len allen­falls dar, was unter ungün­stig­sten Rah­men­be­din­gun­gen noch als hin­nehm­bar ange­se­hen wird. Die Per­spek­ti­ve der Betrof­fe­nen ist das aller­dings nicht.

Das Stell­platz­an­ge­bot ist eine der ent­schei­den­den Stell­schrau­ben – Zahl, Qua­li­tät und Erreich­bar­keit spie­len eine wich­ti­ge Rol­le für die Wahl des bevor­zug­ten Verkehrsmittels.

Rad­ver­kehr:

Die Lan­ge Stra­ße ver­fügt mit­nich­ten über durch­ge­hen­de Rad­ver­kehrs­an­la­gen. Vor und hin­ter der Ein­mün­dung der Hel­ler­stra­ße exi­stiert ledig­lich eine recht­lich bedeu­tungs­lo­se Mar­kie­rung mit Fahr­rad­pik­to­gram­men. Die­se ver­an­laßt trotz feh­len­der Bin­de­wir­kung, daß Rad­fah­rer sich gefähr­lich dicht am Fahr­bahn­rand bewe­gen (die Recht­spre­chung sieht aus gutem Grund einen Abstand von rund einem Meter vor) und Kraft­fah­rer dies erwar­ten und teils nöti­gend zu erzwin­gen suchen. Im Ergeb­nis erfol­gen vie­le Über­hol­vor­gän­ge ohne den vor­ge­se­he­nen und unter Sicher­heits­ge­sichts­punk­ten unver­zicht­ba­ren Sei­ten­ab­stand von min­de­stens 1,5, im Ein­zel­fall 2,0 m (Recht­spre­chung).

Die Situa­ti­on wird durch die Quer­schnitts­ver­en­gung an besag­ter Ein­mün­dung ver­schärft. Wäh­rend Rad­fah­rer im Ver­trau­en auf Beschil­de­rung und Pik­to­gram­me in die schma­ler wer­den­de Fahr­bahn ver­schwen­ken, akzep­tie­ren vie­le Kraft­fah­rer das Reiß­ver­schluß­prin­zip nicht. Die Ver­kehrs­be­hör­de hat sehen­den Auges eine inak­zep­ta­ble Gefah­ren­la­ge geschaf­fen, auf Grund derer nicht weni­ge Rad­ler den Bereich meiden.

Die vor­han­de­nen Rad­ver­kehrs­an­la­gen ent­spre­chen nicht ein­mal im Ansatz den gefor­der­ten bau­li­chen Stan­dards (Quer­schnitt, seit­li­che Sicher­heits­räu­me, Hin­der­nis­frei­heit, ste­ti­ger Ver­lauf). Über­dies hat die Stadt­ver­wal­tung ein­ge­räumt, daß sie ihre (häu­fig zu beob­ach­ten­de) rechts­wid­ri­ge Nut­zung durch abge­stell­te Kraft­fahr­zeu­ge offi­zi­ell dul­det. Ihre ein­zi­ge posi­ti­ve Funk­ti­on ist, daß sie das vor­sich­ti­ge Pas­sie­ren von Ver­kehrs­staus ermög­li­chen (an beschrie­be­ner Ver­en­gung durch die Ver­kehrs­be­hör­de unmög­lich gemacht) bzw. gegen­läu­fi­gen Rad­ver­kehr in der Ein­bahn­stra­ße ermög­li­chen (wäre bei geeig­ne­ter Stra­ßen­raum­ge­stal­tung auch auf der Fahr­bahn möglich).

Die Aus­sa­ge zur Rad­ver­kehrs­füh­rung in der Lan­gen Stra­ße belegt, daß die Stadt Bam­berg den 1997, also vor 18 (in Wor­ten: acht­zehn) Jah­ren aus Grün­den der Ver­kehrs­si­cher­heit erfolg­ten Para­dig­men­wech­sel im Ver­kehrs­recht noch immer nicht voll­zo­gen hat: „Fahr­zeu­ge müs­sen die Fahr­bah­nen benut­zen“ (StVO, §2–1). „Die Teil­ha­be der Rad­fah­rer an der Benut­zung der Stra­ße wird mit­hin als der stra­ßen­ver­kehrs­recht­li­che ‚Nor­mal­fall‘ vor­aus­ge­setzt“ (BayVGH, Az. 11 B 08.186).

Durch­we­gung:

Anders, als es die Aus­sa­gen der aus­ge­leg­ten Unter­la­gen erschei­nen las­sen, ist auch heu­te die fuß­läu­fi­ge Ver­bin­dung zwi­schen ZOB und Lan­ger Stra­ße gege­ben. Die län­ge­re Vari­an­te ver­läuft über Franz-Lud­wi­g‑, Keß­ler- und Hel­ler­stra­ße, die kür­ze­re über die Promenadestraße.

Rich­tig ist indes, daß die letzt­ge­nann­te Alter­na­ti­ve ins­be­son­de­re auf Grund des optisch und ange­sichts sei­nes Raum­an­spruchs vor­herr­schen­den Kraft­fahr­zeug­ver­kehrs unat­trak­tiv erscheint. Der nöti­ge Hand­lungs­an­satz ergibt sich – auch an ande­ren Ört­lich­kei­ten – von selbst.

Erschlie­ßung:

Einer­seits ist erwähnt, daß die Attrak­ti­vie­rung der Lan­gen Stra­ße durch ver­kehrs­be­ru­hi­gen­de Maß­nah­men ange­strebt wird. Ande­rer­seits wird sie wie­der­holt als wich­ti­ge Erschlie­ßungs­stra­ße für den moto­ri­sier­ten Ver­kehr ange­führt, ihre bis­he­ri­ge Lei­stungs­kraft betont. Offen­bar gibt es kei­ne fun­dier­ten Über­le­gun­gen, die­sen Wider­spruch auf­zu­lö­sen. Ein rea­li­sti­scher Ansatz kann nicht auf deut­li­che Redu­zie­rung des Kraft­fahr­zeug­ver­kehrs ver­zich­ten. Ledig­lich eine Ver­la­ge­rung auf ande­re Strecken besei­tigt kein Pro­blem, son­dern bür­det es ande­ren Betrof­fe­nen auf.

Fazit:

Im Bereich des Ver­kehrs herrscht wei­ter­hin die Devi­se vor: „Augen zu und durch“. Eine zukunfts­fä­hi­ge Gestal­tung ernst­haft ins Auge zu fas­sen, ist offen­kun­dig nicht beabsichtigt.

Gruß
Wolf­gang Bönig