Arti­kel­se­rie: Ener­gie­wen­de ja – aber wie? 37. Die Ent­wick­lung der Ener­gie­wen­de in Deutsch­land Teil 3

Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Goli­ath Pol­der­mo­len. Foto: Uberp­rut­ser, CC-BY-SA‑3.0‑nl

Das EEG moti­vier­te vie­le Inter­es­sen­grup­pen sich auf die­sem neu­en Markt­seg­ment zu betä­ti­gen, um sich mög­lichst früh­zei­tig ihren Markt­an­teil zu sichern.

Für Wind­kraft­an­la­gen waren der nord­deut­sche Raum (Ons­hore) sowie Nord- und Ost­see (Off­shore) die Vor­rei­ter. Ein­mal, weil im Flach­land die sog. „Windhöf­fig­keit“ (Häu­fig­keit und Star­ke des boden­na­hen Win­des) grö­ßer ist als im Berg­land. Zum ande­ren aber auch, weil Off­shore-Wind­kraft­an­la­gen außer­halb der Sicht­wei­te der Bevöl­ke­rung, im All­ge­mei­nen auf weni­ger Wider­stand sto­ßen. Die Pro­ble­ma­tik für die dor­ti­gen Öko­sy­ste­me (PDF) wird inzwi­schen erkennbar.

Die Betrei­ber der Über­tra­gungs­net­ze plan­ten pri­mär neue Strom­tras­sen, um die Ener­gie von die­sen neu­en Kraft­werks­zen­tren zu den Ver­tei­ler-Kno­ten­punk­ten in ganz Deutsch­land zu über­tra­gen. Die eigent­li­che Ver­tei­lung obliegt dann den ört­li­chen Verteiler-Netzbetreibern.

Par­al­lel hier­zu ent­ste­hen seit eini­ger Zeit in länd­li­chen Bezir­ken über ganz Deutsch­land ver­teilt sog. Bio­en­er­gie­dör­fer, die mit ihren Mög­lich­kei­ten vor Ort Strom und Wär­me für die Haus­hal­te einer oder meh­re­rer Ort­schaf­ten erzeu­gen: Muster­bei­spie­le für eine dezen­tra­le Ener­gie­ver­sor­gung. Schaut man sich deren Struk­tur an, so ist jedes opti­mal an die loka­len Ver­hält­nis­se ange­passt, eine der Grund­ideen der dezen­tra­len Ener­gie­ver­sor­gung und der „Bür­ger-Ener­gie-Initia­ti­ven“. Im EEG wird nur der Strom behan­delt, sodass Bio­en­er­gie­dör­fer für ihre Wär­me­ver­sor­gung ein eige­nes Nah­wär­me­netz auf­bau­en kön­nen. Der Strom muss jedoch den Umweg über das all­ge­mei­ne Netz machen. Eine ech­te dezen­tra­le Strom­ver­sor­gung wür­de anders aus­se­hen. Hier­zu mehr in einer spä­te­ren Folge.

Wir befin­den uns der­zeit am Anfang der Über­gangs­pha­se vom bis­he­ri­gen in das zukünf­ti­ge Strom­ver­sor­gungs­sy­stem. Die­ser Über­gang, bei dem bei­de Syste­me par­al­lel lau­fen und sich gegen­sei­tig ergän­zen müs­sen, wird noch vie­le Jah­re andau­ern. Unvor­her­ge­se­he­ne Pro­ble­me, die gelöst wer­den müs­sen, blei­ben nicht aus. Als z.B. an einem last­star­ken Don­ners­tag im April 2013 Wind und Son­ne mehr als 50% des Strom­be­dar­fes lie­fer­ten, muss­ten kon­ven­tio­nel­len Kraft­wer­ke her­un­ter gere­gelt wer­den. Eine gute Gele­gen­heit, das pri­mä­re Ziel, näm­lich weg von der Koh­le, anzu­ge­hen. Die schlecht regel­ba­ren Koh­le­kraft­wer­ke kön­nen jedoch nicht ein­fach mal schnell run­ter­ge­fah­ren wer­den. So wur­den statt­des­sen die bes­ser und schnel­ler regel­ba­ren Gas­kraft­wer­ke abge­schal­tet, weil die Koh­le- bzw. Kern­kraft­be­heiz­ten Dampf­kraft­wer­ke nicht unter ihre sog. „Grund­last“ her­un­ter gere­gelt wer­den kön­nen ohne sie ganz abzu­schal­ten (sie­he hier­zu auch die Kapi­tel 8 bis 11).. Dies wie­der­um führ­te zu Über­le­gun­gen die betrof­fe­nen Gas­kraft­wer­ke wegen zu gerin­ger Aus­la­stung ganz still­zu­le­gen. Sol­che Über­le­gun­gen, die völ­lig kon­trär zu den eigent­li­chen Zie­len der Ener­gie­wen­de ste­hen, zei­gen nur, wie schlecht die ver­schie­de­nen Akteu­re an der Ener­gie­wen­de unter­ein­an­der koor­di­niert sind.

Wenn es auch in den Medi­en häu­fig so dar­ge­stellt wird, dass die gro­ßen Dampf­kraft­wer­ke (Koh­le, Kern­kraft) für die „Grund­last“ benö­tigt wür­den, so ist es genau umge­kehrt. Für jedes Dampf­kraft­werk wird eine Min­dest-Grund­last benö­tigt um es betrei­ben zu kön­nen. Wenn die­se nicht bereit gestellt wird, muss das Dampf­kraft­werk abge­schal­tet wer­den um Schä­den zu ver­mei­den. Die­se „Grund­last“ kann dem Netz aber auch von jedem ande­ren Strom­ver­sor­gungs­sy­stem, also auch Gas­kraft­wer­ken, zur Ver­fü­gung gestellt werden.
Im Sin­ne der Zie­le der Ener­gie­wen­de wäre es des­halb bes­ser, die schlech­te­sten Braun­koh­le­kraft­wer­ke still­zu­le­gen und deren Strom­pro­duk­ti­on auf die bes­ser und schnel­ler regel­ba­ren Gas­kraft­wer­ke zu ver­la­gern. Dies ist die bes­se­re, weil sau­be­re­re Über­gangs­tech­no­lo­gie vom bis­he­ri­gen in das zukünf­ti­ge Stromversorgungssystem.

Wegen der Kal­ku­la­ti­ons­me­tho­de, die jedes Objekt iso­liert betrach­tet, gerät das eigent­li­che Ziel völ­lig in den Hin­ter­grund. Es fehlt eine ziel­ori­en­tier­te Gesamt­be­trach­tung, die sich bei einem durch­dach­ten dezen­tra­len System für jede ein­zel­ne Regi­on auto­ma­tisch erge­ben wür­de. Das Gan­ze muss wirt­schaft­lich sein, nicht unbe­dingt jede Ein­zel­kom­po­nen­te. Aber so etwas pas­siert, wenn unter­schied­li­che Inter­es­sen­grup­pen aktiv sind und jeder gegen jeden um Markt­an­tei­le kämpft. Auch hier ist noch viel poli­ti­scher Handlungsbedarf.

Als näch­stes neh­men wir die mit­tel­fri­sti­gen Pla­nun­gen und den gegen­wär­ti­gen Stand der Ener­gie­wen­de auf den unter­schied­li­chen regio­na­len Ebe­nen näher unter die Lupe.

Die­ter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www​.bfb​-ener​gie​.de

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