Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Mee­res­in­seln als Hei­mat sel­te­ner Pflanzenarten

Symbolbild Bildung

Uni­ver­si­tät Bay­reuth, Medi­en­mit­tei­lung Nr. 157, 28. Aug. 2015

Bay­reu­ther Öko­lo­ge erhält Wil­helm Pfef­fer-Preis der Deut­schen Bota­ni­schen Gesell­schaft (DBG)

War­um leben in man­chen Öko­sy­ste­men auf­fal­lend vie­le, in ande­ren Öko­sy­ste­men nur weni­ge Pflan­zen­ar­ten? Wie kommt es, dass eini­ge Arten jeweils nur in einer bestimm­ten, klar abgrenz­ba­ren Regi­on der Erde zuhau­se sind? Mit die­sen Fra­gen hat sich Dr. Manu­el Stein­bau­er in einer Rei­he wis­sen­schaft­li­cher Stu­di­en an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth befasst. Für sei­ne For­schungs­ar­bei­ten wird der Bay­reu­ther Öko­lo­ge, der zur­zeit als Post­doc an der däni­schen Uni­ver­si­tät Aar­hus forscht, mit dem dies­jäh­ri­gen Wil­helm Pfef­fer-Preis der Deut­schen Bota­ni­schen Gesell­schaft (DBG) aus­ge­zeich­net. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert.

Wenn es dar­um geht, den Grün­den für die Ver­brei­tung pflanz­li­cher Arten auf die Spur zu kom­men und theo­re­ti­sche Erklä­rungs­an­sät­ze zu über­prü­fen, sind Vege­ta­ti­ons­stu­di­en auf Mee­res­in­seln beson­ders auf­schluss­reich. Vor allem bei gro­ßen Ent­fer­nun­gen vom Fest­land ist es sehr unwahr­schein­lich, dass hei­mi­sche Arten abwan­dern oder sich neue Arten auf den Inseln ansie­deln. Umso mehr ist die Zusam­men­set­zung der insu­la­ren Pflan­zen­welt von spe­zi­el­len land­schaft­li­chen Gege­ben­hei­ten bestimmt. Gera­de auf ber­gi­gen Inseln spie­gelt die Vege­ta­ti­on die viel­fäl­ti­gen Land­schafts­struk­tu­ren auf klein­stem Raum wider. Mee­res­in­seln ermög­li­chen daher der For­schung ein­zig­ar­ti­ge Ein­blicke in Pro­zes­se, die an der Ent­ste­hung und Ver­än­de­rung pflanz­li­cher Arten betei­ligt sind.

Berg­re­gio­nen auf den Kana­ri­schen Inseln: Gebie­te mit einer ein­zig­ar­ti­gen Pflanzenwelt

Im Rah­men sei­ner Bay­reu­ther Dis­ser­ta­ti­on befass­te sich Dr. Manu­el Stein­bau­er ins­be­son­de­re mit der Pflan­zen­welt auf den Kana­ri­schen Inseln. Hier stell­te er fest, dass Öko­sy­ste­me in Hoch­la­gen viel grö­ße­re Antei­le sel­te­ner Arten haben als tie­fer gele­ge­ne Öko­sy­ste­me. „In einer Höhe ab etwa 2000 Metern, ober­halb von Lor­beer- und Kie­fern­wäl­dern, sind die land­schaft­li­chen und kli­ma­ti­schen Ver­hält­nis­se auf den Kana­ren fast ein­ma­lig. Ver­gleich­bar kal­te Tem­pe­ra­tu­ren fin­det man erst wie­der in Gebir­gen auf dem Fest­land wie dem Hohen Atlas in Marok­ko. Um unter die­sen Bedin­gun­gen leben und über­le­ben zu kön­nen, müs­sen Pflan­zen sehr spe­zi­el­le Anpas­sun­gen ent­wickeln“, erklärt der Bay­reu­ther For­scher. „Des­halb ist in den höher gele­ge­nen Berg­re­gio­nen der Anteil ende­mi­scher Pflan­zen – also von Pflan­zen, die welt­weit an kei­nen ande­ren Stand­or­ten vor­kom­men – auf­fal­lend groß, deut­lich grö­ßer als im Tief­land.“ Für die­sen Unter­schied nennt er noch eine wei­te­re Erklä­rung: Berg­re­gio­nen auf den Inseln und Hoch­la­gen auf dem Fest­land, wo Pflan­zen zumin­dest ähn­li­che Umwelt­be­din­gun­gen vor­fin­den, sind viel wei­ter von­ein­an­der ent­fernt als tie­fer gele­ge­ne Insel- und Fest­lands­re­gio­nen. Umso unwahr­schein­li­cher ist es, dass Pflan­zen aus ver­gleich­ba­ren Vege­ta­ti­ons­zo­nen auf dem Fest­land den ‚Sprung‘ zu hoch­ge­le­ge­nen insu­la­ren Öko­sy­ste­men schaf­fen und sich dort eta­blie­ren. Die ein­zel­nen Arten sind daher auf den insu­la­ren Hoch­la­gen sehr iso­liert, was die Bil­dung neu­er Arten fördert.

Ein Bei­spiel für Hoch­la­gen, in denen beson­ders vie­le ende­mi­sche Arten gedei­hen, sind die vul­ka­ni­schen Ber­ge auf La Pal­ma. In der Gip­fel­re­gi­on wech­seln die Wet­ter­ver­hält­nis­se zwi­schen Frost, hef­ti­gem Eis­re­gen, inten­si­ver Höhen­strah­lung und extre­mer Trocken­heit. Hier wach­sen ein­zig­ar­ti­ge Pflan­zen, wie ein spe­zi­el­ler Schö­te­rich (Ery­si­mum sco­pa­ri­um) und der Kleb­ri­ge Drü­sen­gin­ster (Ade­no­car­pus vis­co­sus). Die­se Arten kom­men nur in Höhen­la­gen der Kana­ri­schen Inseln vor.

Stein­bau­er gelang es wäh­rend mehr­wö­chi­ger Feld­for­schun­gen auf den Kana­ri­schen Inseln, die Antei­le ende­mi­scher Arten im Tief­land und in Höhen­la­gen zu quan­ti­fi­zie­ren: Wäh­rend welt­weit ein­ma­li­ge Arten im Tief­land rund 25 Pro­zent der Vege­ta­ti­on aus­ma­chen, sind es am 2.400 Meter hohen Roque de los Mucha­chos mehr als 50 Pro­zent. Ähn­lich der Befund auf Tene­rif­fa: Im Flach­land sind rund 30 Pro­zent der Pflan­zen­ar­ten ende­misch, auf 3.000 Metern am Tei­de – dem zen­tra­len Gip­fel der Insel – steigt die­ser Anteil auf bis zu 65 Prozent.

Wei­te­re For­schungs­er­geb­nis­se: Von Hawaii bis nach Franken

In wei­te­ren Vege­ta­ti­ons­stu­di­en stell­te sich her­aus, dass die auf den Kana­ren gewon­ne­nen Erkennt­nis­se auf ande­re Inseln über­trag­bar sind. Dr. Manu­el Stein­bau­er und ande­re Wis­sen­schaft­ler, sei es an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth oder koope­rie­ren­den For­schungs­ein­rich­tun­gen, haben mitt­ler­wei­le Vege­ta­ti­ons­mu­ster auf den welt­weit bedeu­tend­sten hohen Inseln unter­sucht – bei­spiels­wei­se auch auf Hawaii, La Reuni­on, Soko­tra, Tai­wan und Jamai­ca. „Die Ergeb­nis­se unter­stüt­zen ein­deu­tig die Hypo­the­se, dass die Höhen­la­gen von Mee­res­in­seln Diver­si­täts­zen­tren welt­weit ein­ma­li­ger Pflan­zen sind“, resü­miert Stein­bau­er. So gedei­hen auf der grie­chi­schen Insel Kre­ta ober­halb von 2.000 Metern zwar weni­ger als 100 Arten, doch mehr als die Hälf­te von ihnen exi­stie­ren nir­gend­wo sonst auf der Erde. Im Tief­land ist die Zahl der Arten mehr als zehn­mal so hoch, doch sinkt der Anteil ende­mi­scher Arten hier auf 5 Prozent.

Wie der Bay­reu­ther Öko­lo­ge fest­ge­stellt hat, gibt es auch auf dem euro­päi­schen Fest­land beson­de­re, von der Umge­bung abge­grenz­te Stand­or­te, in denen sich sel­te­ne Arten kon­zen­trie­ren. So fin­den sich an frän­ki­schen Bur­gen mehr sel­te­ne Weich­tie­re (Mol­lus­ken) als in der Vege­ta­ti­on der Umge­bung. Auch die Tech­ni­ken zur Restau­ra­ti­on alter Gebäu­de wir­ken sich hier ent­schei­dend auf die Arten­zu­sam­men­set­zung aus.

Dop­pelt aus­ge­zeich­ne­te For­schungs­ar­bei­ten mit hoher Rele­vanz für Umwelt- und Naturschutz

Für sei­ne 2013 ver­öf­fent­lich­te Dis­ser­ta­ti­on, die ins­be­son­de­re von Prof. Dr. Carl Bei­er­kuhn­lein am Lehr­stuhl für Bio­geo­gra­fie betreut wur­de, ist Dr. Manu­el Stein­bau­er im Sep­tem­ber 2014 mit dem Preis der Gesell­schaft für Öko­lo­gie in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz (GfÖ) aus­ge­zeich­net wor­den. „Es freut mich sehr, dass sei­ne For­schun­gen so gro­ße Reso­nanz in der wis­sen­schaft­li­chen Fach­welt her­vor­ge­ru­fen haben“, erklärt Prof. Bei­er­kuhn­lein und fügt hin­zu: „In den letz­ten Jah­ren ist immer deut­li­cher gewor­den, dass die pflanz­li­che Arten­viel­falt eine zen­tra­le Bedeu­tung für über­le­bens­wich­ti­ge Ser­vice­lei­stun­gen hat, die wir Men­schen ganz selbst­ver­ständ­lich von Öko­sy­ste­men erwar­ten. Je bes­ser wir über die geo­gra­fi­schen Vor­aus­set­zun­gen für das Leben und Über­le­ben sel­te­ner Arten Bescheid wis­sen, desto bes­ser wird es uns in Zukunft gelin­gen, erfolg­rei­che Kon­zep­te für den Erhalt der Arten­viel­falt zu entwickeln.“

In Däne­mark, an der Uni­ver­si­tät Aar­hus, setzt der dop­pelt aus­ge­zeich­ne­te Bay­reu­ther Nach­wuchs­for­scher der­zeit sei­ne For­schungs­ar­bei­ten als Post­dok­to­rand fort: „Dyna­mi­sche Pro­zes­se auf ver­schie­de­nen Zeit­ska­len und grund­sätz­li­che öko­lo­gi­sche Fra­ge­stel­lun­gen inter­es­sie­ren mich beson­ders. Die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen des Kli­ma­wan­dels und im Natur­schutz macht mei­ne For­schungs­ar­beit umso spannender.“

Der Prä­si­dent der Wil­helm Pfef­fer-Stif­tung, der Leip­zi­ger Pflan­zen­phy­sio­lo­ge Prof. Dr. Chri­sti­an Wil­helm, wird Dr. Manu­el Stein­bau­er den Preis am Mon­tag, den 31. August 2015, im Rah­men der Bota­ni­ker­ta­gung 2015 in Frei­sing bei Mün­chen über­rei­chen. Hier wird der 32jährige Preis­trä­ger Ergeb­nis­se sei­ner For­schungs­ar­bei­ten prä­sen­tie­ren. Die inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz wird von der Deut­schen Bota­ni­schen Gesell­schaft orga­ni­siert, mit der die Wil­helm Pfef­fer-Stif­tung asso­zi­iert ist.

Ver­öf­fent­li­chung der preis­ge­krön­ten Dissertation:
Manu­el J. Stein­bau­er (2013): “The Effect of Spa­ti­al and Envi­ron­men­tal Dri­vers on Pat­terns in Spe­ci­es Rich­ness and Composition”:
https://​epub​.uni​-bay​reuth​.de/​1​1​7​/​1​/​S​t​e​i​n​b​a​u​e​r​-​D​I​S​S​.​pdf

Neue­ste Ver­öf­fent­li­chung zu Vege­ta­ti­ons­mu­stern auf Insel-Hoch­la­gen, gemein­sam mit wei­te­ren Bay­reu­ther Ökosystemforschern:
Irl, S; Har­ter, D; Stein­bau­er, M; Puyol Gal­le­go, D; Fernán­dez-Pala­ci­os, JM; Jentsch, A; Bei­er­kuhn­lein, C: Cli­ma­te vs. topo­gra­phy – spa­ti­al pat­terns of plant spe­ci­es diver­si­ty and ende­mism on a high-ele­va­ti­on island,
Jour­nal of Eco­lo­gy (2015), doi:10.1111/1365–2745.12463