Uni­ver­si­tät Bay­reuth: inter­na­tio­na­le For­schungs­ta­gung in Tansania

Symbolbild Bildung

Wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Inte­gra­ti­on in Euro­pa und in Ostafrika

Wäh­rend sich das öffent­li­che Inter­es­se in Euro­pa auf die Struk­tu­ren und Zie­le der EU rich­tet, wol­len die ost­afri­ka­ni­schen Staa­ten Burun­di, Kenia, Ruan­da, Tan­sa­nia und Ugan­da ihre Zusam­men­ar­beit unter dem Dach der Ost­afri­ka­ni­schen Gemein­schaft (East Afri­can Com­mu­ni­ty – EAC) wei­ter vor­an­brin­gen. Sie stre­ben eine Wäh­rungs­uni­on an und beab­sich­ti­gen lang­fri­stig, alle EAC-Mit­glied­staa­ten in einer poli­ti­schen Föde­ra­ti­on zu vereinen.

Vor die­sem Hin­ter­grund haben die Uni­ver­si­tä­ten Bay­reuth und Dar es Salaam im August 2015 eine zwei­tä­gi­ge For­schungs­ta­gung („Rese­arch Work­shop“) an der juri­sti­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Dar es Salaam ver­an­stal­tet. Im Mit­tel­punkt stan­den Pro­zes­se der Inte­gra­ti­on und der Rechts­an­glei­chung in regio­na­len Wirt­schafts­ge­mein­schaf­ten, ins­be­son­de­re in der Euro­päi­schen Uni­on und in der Ost­afri­ka­ni­schen Gemein­schaft. Das Tan­sa­nisch-deut­sche Fach­zen­trum für Rechts­wis­sen­schaft (TGCL), ein gemein­sa­mes Pro­jekt der bei­den Uni­ver­si­tä­ten, hat­te die von der Volks­wa­gen­Stif­tung geför­der­te Tagung orga­ni­siert. Feder­füh­rend waren dabei Prof. Dr. Ulri­ke Wanit­zek aus Bay­reuth und Prof. Dr. Hamu­di I. Majam­ba aus Dar es Salaam.

Auf dem Weg zu einer stär­ke­ren regio­na­len Inte­gra­ti­on: Die EU als Vorbild?

Inwie­weit soll­ten sich die fünf Mit­glied­staa­ten der EAC, um ihren Gemein­sa­men Markt wei­ter­zu­ent­wickeln, an Rege­lun­gen und Instru­men­ten der EU ori­en­tie­ren, die auf ein har­mo­ni­sier­tes euro­päi­sches Wirt­schafts­recht abzie­len? Kön­nen vom Recht der EU inspi­rie­ren­de und nütz­li­che Anre­gun­gen für die regio­na­le Inte­gra­ti­on in Ost­afri­ka aus­ge­hen? Dies waren zen­tra­le Leit­fra­gen der Tagung, die sich vor allem mit dem Inter­na­tio­na­len Pri­vat­recht, Arbeits­recht, Han­dels­recht, Wett­be­werbs­recht und Imma­te­ri­al­gü­ter­recht befass­te. Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler aus Afri­ka und Euro­pa, dar­un­ter auch meh­re­re Mit­glie­der der Bay­reu­ther Rechts- und Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät, behan­del­ten die­se Rechts­ge­bie­te einer­seits aus ost­afri­ka­ni­scher, ande­rer­seits aus euro­päi­scher Per­spek­ti­ve. Den kri­ti­schen Ana­ly­sen folg­ten jeweils Dis­kus­sio­nen zum Ver­gleich der Rege­lungs­an­sät­ze, die in der EAC und der EU ver­folgt wer­den. Die Tagung dien­te dabei auch der Nach­wuchs­för­de­rung: Pro­mo­ven­den und Post­docs erhiel­ten die Gele­gen­heit, ihre For­schungs­er­geb­nis­se mit erfah­re­nen Fach­leu­ten zu diskutieren.

Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der For­schungs­ta­gung waren sich einig: Eine geord­ne­te öko­no­mi­sche und sozia­le Ent­wick­lung Ost­afri­kas hängt wesent­lich davon ab, dass es gelingt, die Mit­glied­staa­ten der EAC stär­ker zu inte­grie­ren – und zwar sowohl unter volks­wirt­schaft­li­chen Aspek­ten als auch durch eine Anglei­chung der Rechts­ord­nun­gen. Maß­geb­lich für den Erfolg einer regio­na­len Wirt­schafts­ge­mein­schaft wie der EAC ist dabei vor allem ein funk­tio­nie­ren­der Bin­nen­markt, der den frei­en Ver­kehr von Waren, Per­so­nen, Dienst­lei­stun­gen und Kapi­tal ermög­licht. Damit der grenz­über­schrei­ten­de Fluss die­ser Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren nicht durch unglei­che natio­na­le Rege­lun­gen behin­dert wird, soll­ten Rechts­nor­men stär­ker ver­ein­heit­licht werden.

Alle Kon­zep­te und Maß­nah­men, die auf eine Har­mo­ni­sie­rung von Rechts­sy­ste­men abzie­len, müs­sen dabei an das poli­ti­sche, sozia­le und öko­no­mi­sche Umfeld der jewei­li­gen Staa­ten anknüp­fen. Auch die Rechts­tra­di­tio­nen der Mit­glied­staa­ten sind zu berück­sich­ti­gen. „Des­halb kön­nen Rege­lun­gen, die sich bei­spiels­wei­se in der Euro­päi­schen Uni­on bewährt haben, nicht ein­fach auf die EAC über­tra­gen wer­den“, erklärt Johan­nes Döve­ling, LL.M., Geschäfts­füh­rer des TGCL. „Gleich­wohl lie­fern die Erfah­run­gen aus bereits eta­blier­ten Wirt­schafts­ge­mein­schaf­ten wert­vol­le Impul­se für Lösun­gen, die den kon­kre­ten Ver­hält­nis­sen inner­halb der EAC ange­passt sind.“

Not­wen­di­ge Bei­trä­ge aus der Zivilgesellschaft

In den EAC-Mit­glieds­län­dern sind die finan­zi­el­len Res­sour­cen und per­so­nel­len Kapa­zi­tä­ten, die Regie­run­gen und staat­li­chen Insti­tu­tio­nen für die Wei­ter­ent­wick­lung der EAC zur Ver­fü­gung ste­hen, sehr begrenzt. Des­halb wur­de im Ver­lauf der Kon­fe­renz wie­der­holt die Fra­ge erör­tert, wie die Zivil­ge­sell­schaft, Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen sowie pri­va­te Unter­neh­men zu einem gelin­gen­den Inte­gra­ti­ons­pro­zess bei­tra­gen kön­nen. „Der Wis­sen­schaft kommt hier­bei eine intel­lek­tu­el­le Vor­rei­ter­rol­le zu. Sie soll­te sich aktiv dafür ein­set­zen, dass pra­xis­taug­li­che Kon­zep­te zur Rechts­har­mo­ni­sie­rung in Ost­afri­ka ent­wickelt und umge­setzt wer­den,“ meint Prof. Dr. Ulri­ke Wanit­zek, TGCL-Pro­jekt­lei­te­rin und Pro­fes­so­rin für Recht in Afri­ka an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. „Die Tagung in Dar es Salaam hat gezeigt, wie das TGCL die­se Pro­zes­se durch For­schung und wis­sen­schaft­li­chen Aus­tausch för­dern kann.“

Das TGCL – ein Think-Tank für die Ost­afri­ka­ni­sche Gemeinschaft

Die Work­shop-Teil­neh­mer reg­ten des­halb an, dass das Tan­sa­nisch-deut­sche Fach­zen­trum für Rechts­wis­sen­schaft (TGCL) noch mehr als bis­her als ein Think-Tank agie­ren sol­le, der die wis­sen­schaft­li­che Debat­te zum Recht der Ost­afri­ka­ni­schen Gemein­schaft aktiv vor­an­treibt. Sie ver­ein­bar­ten in die­sem Zusam­men­hang eine über den Work­shop hin­aus­rei­chen­de Koope­ra­ti­on in Form einer Arbeits­grup­pe, die sich kon­kre­ten Fra­gen der Rechts­har­mo­ni­sie­rung wid­men wird. Die wäh­rend des Work­shops gewon­ne­nen Erkennt­nis­se sol­len in einer Buch­pu­bli­ka­ti­on der Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht werden.

Hin­ter­grund:

Das Tan­sa­nisch-deut­sche Fach­zen­trum für Rechts­wis­sen­schaft (TGCL) ist ein gemein­sa­mes Pro­jekt der Uni­ver­si­tät Dar es Salaam und der Uni­ver­si­tät Bay­reuth; es wird seit 2008 vom Deut­schen Aka­de­mi­schen Aus­tausch­dienst sowie vom Aus­wär­ti­gen Amt aus dem Pro­gramm „Afri­can Excel­lence. Fach­zen­tren zur Eli­te­för­de­rung“ finan­ziert. Weitere

Infor­ma­tio­nen bie­tet die TGCL-Homepage:
www​.tgcl​.uni​-bay​reuth​.de