Uni­ver­si­tät Bay­reuth an inter­kon­ti­nen­ta­lem For­schungs­netz­werk beteiligt

Symbolbild Bildung

Neue Erkennt­nis­se zur Arten­viel­falt und Bio­pro­duk­ti­vi­tät in Ökosystemen

For­scher unter­su­chen Almwiese

Erst­mals wur­den in welt­weit koor­di­nier­ten For­schungs­ar­bei­ten die Zusam­men­hän­ge zwi­schen pflanz­li­cher Bio­mas­se und pflanz­li­cher Arten­viel­falt in Öko­sy­ste­men unter­sucht. Dabei stell­te sich her­aus: Der größ­te Arten­reich­tum ist dort zu beob­ach­ten, wo die Pro­duk­ti­on von Bio­mas­se weder sehr nied­rig noch beson­ders hoch ist, son­dern sich auf einem mitt­le­ren Niveau bewegt. Wenn die Zahl der Arten sinkt, wird die Lei­stungs­fä­hig­keit von Öko­sy­ste­men geschwächt.Weltweit hängt das Leben und Über­le­ben von Men­schen davon ab, dass Öko­sy­ste­me grund­le­gen­de Ser­vice­lei­stun­gen erbrin­gen, wie bei­spiels­wei­se die Neu­bil­dung von Grund­was­ser, die Spei­che­rung wert­vol­ler Nähr­stof­fe, die Fil­te­rung von Schad­stof­fen oder die Bereit­stel­lung von Grün­fut­ter. Die­se Viel­falt natür­li­cher Ser­vice­lei­stun­gen ist in der Regel umso eher gewähr­lei­stet, je grö­ßer die Arten­viel­falt in einem Öko­sy­stem ist. Bis­lang waren wis­sen­schaft­li­che Befun­de zur Arten­viel­falt, die an ein­zel­nen Stand­or­ten gewon­nen wur­den, nur schwer mit­ein­an­der ver­gleich­bar. Denn die ange­wen­de­ten Metho­den waren zu unter­schied­lich. Nun aber hat ein inter­na­tio­na­ler For­schungs­ver­bund erst­mals in welt­weit koor­di­nier­ten For­schungs­ar­bei­ten die Zusam­men­hän­ge zwi­schen pflanz­li­cher Bio­mas­se und pflanz­li­cher Arten­viel­falt in Öko­sy­ste­men unter­sucht. Über­all wur­de die glei­che Metho­dik auf stan­dar­di­sier­ten Unter­su­chungs­flä­chen ange­wen­det – und zwar so, dass an jedem Stand­ort nähr­stoff­ar­me, mitt­le­re und nähr­stoff­rei­che Flä­chen erforscht wurden.

30 Ver­suchs­flä­chen in 19 Ländern

Mehr als 60 Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler – dar­un­ter ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth – haben an die­sem Pro­jekt mit­ge­wirkt. Auf ins­ge­samt 30 Ver­suchs­flä­chen, die sich auf 19 Län­der in sechs Kon­ti­nen­ten ver­tei­len, haben sie Daten ermit­telt, die zuver­läs­si­ge Rück­schlüs­se auf die pro­du­zier­te Bio­mas­se erlau­ben und es zugleich ermög­li­chen, die Zahl der an der Bio­mas­se­pro­duk­ti­on betei­lig­ten Pflan­zen­ar­ten rea­li­stisch ein­zu­schät­zen. In den mei­sten Fäl­len han­del­te es sich um Grün­land­flä­chen, die als Wei­de­land genutzt oder regel­mä­ßig gemäht wer­den. Aber auch natür­li­ches Gras­land war vertreten.

Größ­ter Arten­reich­tum bei mitt­le­rer Produktivität

Die jetzt im Wis­sen­schafts­ma­ga­zin „Sci­ence“ ver­öf­fent­lich­ten Ergeb­nis­se die­ses For­schungs­ver­bun­des wei­sen alle in die glei­che Rich­tung: Arten­viel­falt und Pro­duk­ti­vi­tät hän­gen eng zusam­men. Die größ­te Arten­viel­falt wur­de in der Regel auf Ver­suchs­flä­chen ermit­telt, auf denen die Bio­mas­se­pro­duk­ti­on ein mitt­le­res Niveau erreicht. In unpro­duk­ti­ven Öko­sy­ste­men hin­ge­gen ist der Bei­trag der Arten­viel­falt zur Bio­mas­se­pro­duk­ti­on eher gering. Denn hier sind die Arten zahl­rei­chen Stress­fak­to­ren aus­ge­setzt, wie etwa Trocken­heit oder einem Man­gel an mine­ra­li­schen Nähr­stof­fen. In hoch­pro­duk­ti­ven Öko­sy­ste­men, also an nähr­stoff­rei­chen und gut was­ser­ver­sorg­ten Stand­or­ten, erobern eini­ge weni­ge Arten eine domi­nie­ren­de Stel­lung, weil sie beson­ders lei­stungs­fä­hig sind. Für die Pro­duk­ti­vi­tät die­ser Öko­sy­ste­me hat die Arten­viel­falt nur eine gerin­ge Bedeutung.

Eine mitt­le­re Pro­duk­ti­vi­tät von Öko­sy­ste­men geht daher – so das zen­tra­le Ergeb­nis der Stu­die – welt­weit mit einer ver­gleichs­wei­se gro­ßen Arten­viel­falt ein­her. Wenn in die­sen Lebens­ge­mein­schaf­ten der Arten­reich­tum schwä­cher wird oder ver­lo­ren geht, ist damit ein Ver­lust öko­sy­ste­ma­rer Lei­stungs­fä­hig­keit verbunden.

Kon­se­quen­zen für Umwelt- und Naturschutz

„Aus unse­rer Stu­die las­sen sich zahl­rei­che Anre­gun­gen für umwelt­po­li­ti­sche Maß­nah­men ablei­ten, die auf den Erhalt der für den Men­schen so wich­ti­gen Arten­viel­falt abzie­len. „So soll­te ins­be­son­de­re im mit­tel­eu­ro­päi­schen Grün­land die Arten­viel­falt unbe­dingt erhal­ten wer­den. Wenn wir Arten ver­lie­ren, ver­lie­ren wir kosten­lo­se Lei­stun­gen der Natur und müs­sen die­sen Ver­lust dann über Dün­gung oder Maschi­nen­ein­satz kom­pen­sie­ren. Dies wie­der­um hät­te Umwelt­be­la­stun­gen und einen erhöh­ten Ener­gie­ver­brauch zur Fol­ge. Die natür­li­chen Lei­stun­gen sind jedoch ohne Risi­ken und kosten­frei“, erklärt Prof. Bei­er­kuhn­lein, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl für Bio­geo­gra­fie inne­hat. „Unse­re in ‚Sci­ence‘ ver­öf­fent­lich­ten Ergeb­nis­se bestä­ti­gen übri­gens eine älte­re For­schungs­hy­po­the­se, die zuvor noch nie syste­ma­tisch auf glo­ba­ler Ebe­ne über­prüft wer­den konn­te. Im Rah­men unse­res mul­ti­na­tio­na­len Pro­jekts haben wir sie jedoch zuver­läs­sig erhär­ten kön­nen,“ fügt der Bay­reu­ther Öko­lo­ge hin­zu. Er betont aber zugleich, dass mit die­sen Arbei­ten erst ein Anfang gemacht sei. Wei­te­re Unter­su­chun­gen wür­den fol­gen müs­sen, um die Ursa­che-Wir­kungs-Zusam­men­hän­ge zwi­schen der in Öko­sy­ste­men pro­du­zier­ten Bio­mas­se und der Zahl der dar­an betei­lig­ten Arten noch genau­er aufzuklären.

For­schungs­bei­trä­ge aus der Uni­ver­si­tät Bayreuth

Sei­tens der Uni­ver­si­tät Bay­reuth war ein vier­köp­fi­ges For­schungs­team an den inter­kon­ti­nen­ta­len For­schungs­ar­bei­ten betei­ligt. Prof. Bei­er­kuhn­lein und Rein­hold Stahl­mann, MAS, haben die For­schungs­flä­chen in Deutsch­land unter­sucht, die sich alle im Umland der Stadt Bay­reuth befin­den. Zusam­men mit Prof Dr. Anke Jentsch, Pro­fes­so­rin für Stö­rungs­öko­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, war Prof. Bei­er­kuhn­lein auch für die Mes­sun­gen in Öster­reich zustän­dig, die auf For­schungs­flä­chen in den Ötz­ta­ler Alpen statt­fan­den. „Die­se Regi­on ist vor allem des­halb beson­ders inter­es­sant, weil es sich um beson­ders arten­rei­che Berg­wie­sen han­delt, die mit erheb­li­chem Arbeits­auf­wand auf tra­di­tio­nel­le Wei­se bewirt­schaf­tet wer­den“, erklärt Prof. Jentsch. Camil­la Well­stein, die als Post­doc am Bay­reu­ther Lehr­stuhl für Bio­geo­gra­phie tätig war und heu­te an der Uni­ver­si­tät Bozen lehrt, hat an der Unter­su­chung der ita­lie­ni­schen For­schungs­flä­chen mitgearbeitet.

Herb­Div-Net – ein mul­ti­na­tio­na­les Forschungsnetzwerk

Die mul­ti­na­tio­na­le For­schungs­ar­bei­ten, die von Dr. Lauch­lan Fra­ser an der Thomp­son Rivers Uni­ver­si­ty in Kamloops/​Kanada gelei­tet wur­den, sind Teil des For­schungs­netz­werks „Herb­Div­Net“. Die Mit­glie­der die­ses Netz­werks ver­fol­gen gemein­sam das Ziel, durch auf­ein­an­der abge­stimm­te wis­sen­schaft­li­che Expe­ri­men­te an glo­bal oder regio­nal ver­teil­ten Stand­or­ten (Coör­di­na­ted Dis­tri­bu­ted Expe­ri­ments, CDE) gene­ra­li­sier­ba­re Erkennt­nis­se zu gewin­nen, die für stra­te­gi­sche Pla­nun­gen im Umwelt- und Natur­schutz uner­läss­lich sind. Prof. Dr. Anke Jentsch gehört dem Lei­tungs­gre­mi­um von „Herb­Div­Net“ an.

Ver­öf­fent­li­chung:

Lauch­lan H. Fra­ser et al.,
World­wi­de evi­dence of a uni­mo­dal rela­ti­on­ship bet­ween pro­duc­ti­vi­ty and plant spe­ci­es richness,
Sci­ence 17 July 2015: Vol. 349 no. 6245 pp. 302–305
DOI: 10.1126/science.aab3916