Immer mehr Fisch­päs­se in ganz Oberfranken

Freie Bahn für Forel­le und Co: Fisch­päs­se für die Artenvielfalt

Baulich sehr schön ist auch der Fischpass an der Sachsenmühle (Landkreis Forchheim) in der Fränkischen Schweiz

Bau­lich sehr schön ist auch der Fisch­pass an der Sach­sen­müh­le (Land­kreis Forch­heim) in der Frän­ki­schen Schweiz

Durch­gän­gig­keit der Gewäs­ser heißt eigent­lich: freie Bahn für die Fische, fluss­auf- und fluss­ab­wärts. Ein­grif­fe in den Urzu­stand der Gewäs­ser gibt es zum Bei­spiel durch Was­ser­kraft­wer­ke, Schleu­sen oder Hoch­was­ser­schutz­maß­nah­men. Im Durch­schnitt kann sich ein Fisch in Ober­fran­ken der­zeit etwa 2 Kilo­me­ter weit bewe­gen, dann wird sei­ne Wan­der­schaft durch ein Hin­der­nis unter­bro­chen. Eine gro­ße Aus­nah­me ist der Main zwi­schen Bam­berg und Lich­ten­fels – mit etwa 40 km Län­ge eine der bay­ern­weit läng­sten frei flie­ßen­den Fluss­strecken. Gera­de im Bereich von Was­ser­kraft­an­la­gen sieht man öfter„Umleitungen“, die so genann­ten Fischpässe.

Wir haben mit dem Lei­ter der Fach­be­ra­tung für Fische­rei, Dr. Tho­mas Spei­erl, über die Wie­der­her­stel­lung der Durch­gän­gig­keit durch Fisch­päs­se gesprochen.

Immer häu­fi­ger kann man neue Fisch­päs­se in Ober­fran­ken sehen. War­um sind sie so wichtig?

Spei­erl: 80% unse­rer hei­mi­schen Fisch­ar­ten sind gefähr­det. Wir müs­sen sie beson­ders schüt­zen und dafür sor­gen, dass sie ihre Lebens­räu­me errei­chen kön­nen: Zum Lai­chen oder zum Über­win­tern braucht ein Fisch einen ande­ren Platz im Gewäs­ser als für die Jung­fi­sch­ent­wick­lung. Im gün­stig­sten Fall fin­den sich in den ein­zel­nen Gewäs­ser­ab­schnit­ten alle für die Fische wich­ti­gen Lebens­räu­me. Vie­le Fisch­ar­ten kön­nen aber nicht mehr geeig­ne­te Laich­plät­ze, gün­sti­ge Jung­fisch­le­bens­räu­me und Nah­rungs- bzw. Win­ter­plät­ze errei­chen. Denn Quer­bau­wer­ke wie Was­ser­kraft­an­la­gen behin­dern oder stop­pen die Wan­de­rung unse­rer Fische, der Lebens­raum­ver­bund ist unter­bro­chen. In den Ober­läu­fen unse­rer Flüs­se sind des­halb Arten wie Bach­fo­rel­le, Äsche, Nase, Bar­be, Mühl­kop­pe oder Bach­neun­au­ge sel­te­ner zu fin­den. Über zehn Jah­re nach Inkraft­tre­ten der EU-Was­ser­rah­men­richt­li­nie sind nur ca. 25 % der ober­frän­ki­schen Gewäs­ser in einem guten Zustand, was den Fisch­be­stand angeht. Neben der man­geln­den Durch­gän­gig­keit sind sie durch die zuneh­men­de Ver­schlam­mung beein­träch­tigt. Mit Hil­fe von Fisch­auf­stiegs­an­la­gen kön­nen die Fische wie­der geeig­ne­te Lebens­räu­me erschließen.

Wie­so betei­ligt sich der Bezirk mit sei­ner Fach­be­ra­tung für Fische­rei an der Errich­tung von Fischpässen?

Speierl:Wir sind zen­tra­le Dienst­stel­le für alle fische­rei­li­chen Fra­gen in Ober­fran­ken und somit als Fach­stel­le ein­ge­bun­den. In den letz­ten drei Jah­ren hat die Fach­be­ra­tung für Fische­rei über 120 Maß­nah­men zu Fisch­auf­stiegs­an­la­gen an Quer­bau­wer­ken, meist Was­ser­kraft­an­la­gen, beglei­tet. Der Rück­gang unse­rer hei­mi­schen Fisch­ar­ten, deren schlech­te Bestands­si­tua­ti­on, beruht auf einem kom­ple­xen Wir­kungs­ge­fü­ge. Für Ober­fran­ken zeigt sich, dass die Gewäs­ser­zer­stücke­lung ein wich­ti­ger nega­ti­ver Fak­tor ist, beson­ders im Zusam­men­hang mit Struk­tur­ver­ar­mung, einer zuneh­men­den Ver­schlam­mung und Fress­fein­den wie dem Kormoran.

Woher wis­sen die Fische, wie sie durch den Fisch­pass kommen?

Spei­erl: Die Fische ori­en­tie­ren sich ins­be­son­de­re an der Strö­mung. Eine aus­rei­chen­de Was­ser­men­ge in der Fisch­auf­stiegs­an­la­ge ist unbe­dingt not­wen­dig, um für die Fische eine soge­nann­te Lock­strö­mung aus­bil­den zu kön­nen. Die ist not­wen­dig, damit die Fische den Ein­stieg zur Fisch­auf­stiegs­an­la­ge fin­den. Bei den strom­auf­wärts gerich­te­ten Wan­de­run­gen sind die Laich­zü­ge am bekann­te­sten und beein­druckend­sten, wie sie z. B. frü­her bei der Nase mas­sen­haft zu beob­ach­ten waren. Sie wan­dert bis zu 450 km zu ihren Laichgründen.

Aber auch unse­re hei­mi­schen Jung­fi­sche suchen gezielt geeig­ne­te Lebens­räu­me auf und wech­seln zum Bei­spiel aus dem Fluss in Alt­wäs­ser bzw. Sei­ten­ge­wäs­ser. Sei­ten­ge­wäs­ser wer­den unter ande­rem auch als Nah­rungs­kam­mern und als Schutz­räu­me im Win­ter auf­ge­sucht, die Ver­knüp­fung und Erreich­bar­keit von Sei­ten­ge­wäs­sern ist also immens wichtig.

Wie groß muss eine Fisch­auf­stiegs­an­la­ge sein?

Spei­erl: Durch die Anla­ge muss sowohl der größ­te Fisch als auch der schwimm­schwäch­ste Fisch nach oben kom­men. Wird zum Bei­spiel eine neue Fisch­auf­stiegs­an­la­ge an der Wie­sent, einem mit­tel­gro­ßen Fluss der Äschen­re­gi­on, ange­legt, ori­en­tiert sich die Gestal­tung der Becken an den größ­ten Fisch­ar­ten, der Äsche und Bachforelle.
Der Fisch­auf­stieg muss aber auch für die schwimm­schwa­chen Fisch­ar­ten pas­sier­bar sein, wie Mühl­kop­pe, Bach­neun­au­ge und Schnei­der. Dazu müs­sen die hydrau­li­schen Ver­hält­nis­se wie Strö­mungs­ge­schwin­dig­keit oder Gefäl­le, berück­sich­tigt wer­den. Das Was­ser muss lang­sam strö­men und die Klein­fisch­ar­ten müs­sen aus­rei­chend Deckung am Gewäs­ser­grund vor­fin­den, um auch ein­mal Pau­se machen zu können.

Wird dann auch fest­ge­stellt, wie vie­le Fische den Pass verwenden?

Spei­erl: Zen­tra­le Fisch­auf­stiegs­an­la­gen, wie im Bereich der Reg­nitz, des Mains oder der Wie­sent wer­den auf ihre Effi­zi­enz durch regel­mä­ßi­ge Elek­tro­be­fi­schun­gen und teil­wei­se auch Reu­sen­fän­ge über­prüft. So wird der ERBA-Fisch­pass auf dem ehe­ma­li­gen Lan­des­gar­ten­schau­ge­län­de in Bam­berg seit sei­ner Flu­tung im Jahr 2011 regel­mä­ßig unter­sucht. Die Ent­wick­lung 2014 zeigt, dass nicht nur der Fisch­auf­stieg in die Reg­nitz funk­tio­niert, son­dern dass die­ser natur­na­he Umge­hungs­bach mitt­ler­wei­le auch vie­len gefähr­de­ten Fluss­fisch­ar­ten Lebens­raum bietet.

Wäre es so schlimm, wenn Fische nur noch in bestimm­ten Gewäs­ser­ab­schnit­ten leben würden?

Spei­erl: Etwa 80% der hei­mi­schen Fisch­ar­ten sind laut Roter Liste gefähr­det, beson­ders die spe­zia­li­sier­ten Fluss­fisch­ar­ten (z.B. Äsche, Bach­fo­rel­le, Bar­be, Nase, Hasel, Rap­fen, Schnei­der). Beschränkt sich deren Vor­kom­men nur noch auf klei­ne, aus­ge­wähl­te Gewäs­ser­be­rei­che, sind sie durch Fisch­ster­ben in bestimm­ten Berei­chen unge­heu­er stark vom Aus­ster­ben bedroht, zumal man nicht weiß, ob sich die Fisch­art dort wie­der ansie­deln wird.

Auch die gene­ti­sche Ver­ar­mung stellt eine Gefahr dar: Nach neue­ren Unter­su­chun­gen ist ein Bestand von min­de­stens 1.000 Indi­vi­du­en für ein dau­er­haf­tes selb­stän­di­ges Über­le­ben der Popu­la­ti­on erforderlich.

Wan­der­di­stan­zen wich­ti­ger hei­mi­scher Fischarten:

  • Nase – bis zu 450 km
  • Bar­be – bis zu 300 km
  • Rut­te – bis zu 240 km
  • Nerf­ling – bis zu 130 km
  • Bach­fo­rel­le – bis zu 122 km
  • Äsche – bis zu 80 km
  • Aitel – bis zu 13 km
  • Bach­neun­au­ge – bis zu 5 km