Arti­kel­se­rie “Ener­gie­wen­de – muss das sein?”: 25. Sicher­heit und Risi­ko – Atom­kraft­werk, Bewer­tung der tech­ni­schen Sicherheit

Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Foto: Uberp­rut­ser, CC-BY-SA‑3.0‑nl

Eine Kern­schmel­ze in 10.000 Jah­ren. Wie kommt man zu so einer Anga­be und was bedeu­tet sie? Sol­che Anga­ben ken­nen wir auch aus unse­rem täg­li­chen Sprach­ge­brauch, z.B. das Jahr­hun­dert­wet­ter oder die Jahr­hun­dert­flut. Hier­mit will man zum Aus­druck brin­gen, wie sel­ten solch extre­me Ereig­nis­se sind, län­ger als ein nor­ma­les Men­schen­le­ben, sodass eine Gene­ra­ti­on sowas u.U. nicht erlebt und nur aus den Über­lie­fe­run­gen ihrer Vor­fah­ren kennt. (Dass sol­che Ereig­nis­se mitt­ler­wei­le im 10-Jah­res-Abstand auf­tre­ten, ist bereits eine Fol­ge der glo­ba­len Kli­ma­er­wär­mung, unab­hän­gig von deren Ursachen.)

In der Tech­nik ist es eben­falls üblich die Zuver­läs­sig­keit von Pro­duk­ten mit sol­chen Zah­len­ver­hält­nis­sen zu beschrei­ben. Die Basis hier­für sind sta­ti­sti­sche Unter­su­chun­gen an einer Viel­zahl von gleich­ar­ti­gen Pro­duk­ten. Die­se Metho­de ver­sagt aber bei kom­ple­xen Syste­men wie Kern­kraft­wer­ken mit einer, für sta­ti­sti­sche Zwecke zu gerin­gen Stück­zahl. Hier behilft man sich zunächst mit sta­ti­sti­schen Unter­su­chun­gen an Ein­zel­kom­po­nen­ten. Deren Ergeb­nis­se wer­den dann auf Basis der Wahr­schein­lich­keits­theo­rie mit mathe­ma­ti­schen Glei­chungs­sy­ste­men, wel­che die Sicher­heits­kon­zep­te der Anla­ge abbil­den (meh­re­re gestaf­fel­te Sicher­heits­bar­rie­ren), mit­ein­an­der ver­knüpft. Dies kann dann, mathe­ma­tisch kor­rekt, Ergeb­nis­se wie „1 in 10.000 Jah­ren“ erge­ben. Bei einem gering­fü­gig ande­ren Auf­bau des Glei­chungs­sy­stems kann sich aber auch „1 in 100.000 Jah­ren“ erge­ben. Das zeigt die Unschär­fe die­ser Metho­de. Bei­de Zeit­räu­me lie­gen jedoch weit außer­halb unse­rer Lebens­er­fah­rung und sug­ge­rie­ren dadurch ein hohes Maß an Sicherheit.

Die Rech­nung basiert also auf Sta­ti­stik und der Wahr­schein­lich­keits­theo­rie. Das Ergeb­nis kann somit nur im Sin­ne die­ser Metho­den bewer­tet wer­den. Vor­aus­set­zung für ein mög­lichst rea­li­sti­sches Ergeb­nis ist eine mög­lichst gro­ße Zahl von Produkten/​Ereignissen. Das Ergeb­nis kann also nie­mals eine genaue Pro­gno­se für ein ein­zel­nes Kern­kraft­werk sein und schon gar nicht für den Zeit­punkt eines Unfalls. Denn prä­zi­se aus­ge­drückt heißt das Ergeb­nis: „ Irgend­wann inner­halb von 10.000 Jah­ren 1‑mal“. Dies kann in 10.000 oder 5.000 Jah­ren oder mor­gen sein.

In der Pra­xis kann man mit sol­chen Anga­ben wenig anfan­gen, weil sie wesent­lich län­ger sind als die Lebens­dau­er der betrof­fe­nen Anla­gen. Hat man aber meh­re­re gleich­ar­ti­ge Anla­gen, so kann man auch davon aus­ge­hen, dass sich bei allen Anla­gen die Feh­ler sta­ti­stisch gleich­mä­ßig über den errech­ne­ten Zeit­raum ver­tei­len. Sol­che Anga­ben über die Zuver­läs­sig­keit von Pro­duk­ten sind als „MTBF“ bekannt, abge­lei­tet aus dem Eng­li­schen „mean­ti­me bet­ween fail­ure“, also „mitt­le­re Zeit zwi­schen den Ausfällen“.

Es gibt sehr unter­schied­li­che Typen von Kern­kraft­wer­ken mit unter­schied­li­chen Wir­kungs­prin­zi­pi­en und ent­spre­chend ange­pass­ten Sicher­heits­vor­keh­run­gen. Aber neh­men wir für unse­re wei­te­ren Über­le­gun­gen mal an, dass welt­weit alle Kern­kraft­wer­ke das glei­che Sicher­heits­ni­veau haben (1‑mal in 10.000 Jah­ren) und wen­den die­se Metho­de (MTBF) auf die Kern­kraft­wer­ke an. Zur­zeit sind welt­weit etwa 440 Kern­kraft­wer­ke in Betrieb. Nach der­zei­ti­ger Pla­nung wer­den es in eini­gen Jah­ren ca. 600 sein. Wenn sich der Zeit­punkt eines Unfalls der Stu­fe 7 (Kern­schmel­ze) bei allen Kern­kraft­wer­ken sta­ti­stisch gleich­mä­ßig auf die 10.000 Jah­re ver­teilt, dann müs­sen wir bei 400 Kern­kraft­wer­ken alle 25 Jah­re und bei 600 alle 17 Jah­re welt­weit mit einem Super­GAU rech­nen. Das sind schon eher Zeit­räu­me mit denen man in der Pra­xis etwas anfan­gen kann, obwohl die sach­li­che Aus­sa­ge die­sel­be ist wie 1 in 10.000 Jahren.

Ist die­ses Ergeb­nis schon eine Ant­wort auf die Fra­ge nach der Sicher­heit und dem Rest­ri­si­ko? Was ist eigent­lich Risi­ko bzw. Rest­ri­si­ko? Die­sen Fra­gen gehen wir in der näch­sten Fol­ge nach.

Die­ter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www​.bfb​-ener​gie​.de

Hin­ter­grund zu die­ser Serie

Alle Arti­kel der Serie

1 Antwort

  1. AntiGravEinheit@gmx.de sagt:

    War­um „müs­sen“ wir alle 17 Jah­re mit einem Super­GAU rechnen?
    1957: Kysch­tym und Sellafield
    1969: Lucens
    1979: Harrisburg
    1986: Tschernobyl
    2011: Fukushima

    Sta­ti­stisch also voll im Soll.

    Für mehr Infos:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Bewertungsskala_f%C3%BCr_nukleare_Ereignisse

    Bei Kern­kraft­wer­ken gibt es kein Rest­ri­si­ko. Es gibt nur ein Risi­ko, das man akzep­ta­bel fin­den kann oder auch nicht.
    Das Pro­blem bei Unfäl­len mit Kern­kraft­wer­ken ist das, daß dabei in aller Regel gro­ße bis sehr gro­ße Gebie­te davon betrof­fen sind. Wenn der Gene­ra­tor eines Wind­ra­des wegen Heiß­lau­fens abbrennt oder die Umrich­ter einer Solar­an­la­ge abfackeln, ja mei … da rei­chen dann eine Schau­fel und ein Besen für die Auf­räum­ar­bei­ten. Tut jeden­fall gar nichts, wenn man nicht gera­de direkt dane­ben steht. Bei einem AKW-Unfall ist man am besten auf einem ande­ren Kon­ti­nent – und manch­mal reicht nicht­mal das.