Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Hoch­druck­tech­no­lo­gie bie­tet Ein­blicke in die Planetengeschichte

Symbolbild Bildung

Neue For­schungs­ar­bei­ten repro­du­zie­ren die extre­men Druck- und Tem­pe­ra­tur­ver­hält­nis­se bei der Planetenentstehung

Eine inter­na­tio­na­le For­schungs­grup­pe hat im Labor mit laser­ge­stütz­ter Hoch­druck­tech­no­lo­gie die Druck­ver­hält­nis­se nach­ge­ahmt, die tief im Inne­ren von Rie­sen­pla­ne­ten und von „Super­erden“ – also von gro­ßen erd­ähn­li­chen Pla­ne­ten außer­halb des Son­nen­sy­stems – herr­schen. Zudem hat sie Druck­ver­hält­nis­se erzeugt, die zur Ent­ste­hung erd­ähn­li­cher Pla­ne­ten füh­ren kön­nen, wenn meh­re­re Him­mels­kör­per auf­ein­an­der pral­len. An den For­schungs­ar­bei­ten, die kürz­lich im Wis­sen­schafts­ma­ga­zin „Sci­ence“ vor­ge­stellt wur­den, waren auch Prof. Dr. Nata­lia Dubro­vins­ka­ia und Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky von der Uni­ver­si­tät Bay­reuth sowie zwei Bay­reu­ther Dok­to­ran­den beteiligt.

Will man zu neu­en Erkennt­nis­sen über die Struk­tur, die Zusam­men­set­zung und die Ent­wick­lung der bis­her ent­deck­ten Rie­sen­pla­ne­ten und Super­erden vor­drin­gen, ist eine mög­lichst genaue Kennt­nis der Eigen­schaf­ten und Ver­hal­tens­wei­sen von Eisen, Magne­si­um­oxid und Sili­ka­ten erfor­der­lich. Denn vor allem aus die­sen Mate­ria­li­en setzt sich das Inne­re von unge­wöhn­lich gro­ßen Him­mels­kör­pern zusam­men. Ins­be­son­de­re ist es wich­tig zu wis­sen, wie die­se Haupt­be­stand­tei­le sich bei extrem hohen Drücken und Tem­pe­ra­tu­ren ver­hal­ten. Denn die unter Extrem­be­din­gun­gen aus­ge­lö­sten Schmelz­pro­zes­se haben einen ent­schei­den­den Ein­fluss auf die phy­si­ka­li­sche und che­mi­sche Ent­wick­lung des Pla­ne­ten­in­ne­ren. Sobald ein erd­ähn­li­cher Pla­net ent­stan­den ist und sei­ne Bestand­tei­le sich noch im geschmol­ze­nen Zustand befin­den, dif­fe­ren­zie­ren sich die Mate­ria­li­en des Pla­ne­ten aus: in einen metal­li­schen Kern, einen Man­tel aus Fels­ge­stein und eine umge­ben­de Atmo­sphä­re. Die­se Aus­dif­fe­ren­zie­rung wird durch Gra­vi­ta­ti­ons­kräf­te ermög­licht und vorangetrieben.

Mit­hil­fe der laser­ge­trie­be­nen Schock­kom­pres­si­on und einer ultra­schnel­len Dia­gno­stik hat die For­schungs­grup­pe das Schmelz­ver­hal­ten von Sili­ci­um­di­oxid (SiO2) genau­er bestimmt. Der Schmelz­punkt ist bei rund 5 Mio. Atmo­sphä­ren erreicht. Ein ver­gleich­bar hoher Druck ist im Inne­ren einer Super­erde, die das Fünf­fa­che der Erd­mas­se besitzt, an der Gren­ze vom Man­tel zum Kern gege­ben; und eben­so auch im Inne­ren der Pla­ne­ten Ura­nus und Neptune.

Die For­schungs­ar­bei­ten, die zu die­sen Ergeb­nis­sen geführt haben, wur­den im Law­rence Liver­mo­re Natio­nal Labo­ra­to­ry (LLNL) in Kali­for­ni­en geplant. Anschlie­ßend hat eine For­schungs­grup­pe mit Prof. Dr. Nata­lia Dubro­vins­ka­ia (Labor für Kri­stal­lo­gra­phie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth) und Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky (Baye­ri­sches Geo­in­sti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth) die geplan­ten Expe­ri­men­te an der Uni­ver­si­ty of Roche­ster in den USA rea­li­siert. Dabei wur­den win­zi­ge Pro­ben mit sehr gro­ßen Men­gen von Licht­ener­gie bestrahlt, die zeit­gleich von zahl­rei­chen Lasern erzeugt wurden.

Die Expe­ri­men­te waren durch weg­wei­sen­de For­schungs­ar­bei­ten am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) mög­lich gewor­den. Hier ist einer For­schungs­grup­pe, der neben Prof. Dubro­vins­ka­ia und Prof. Dubro­vin­sky auch die Bay­reu­ther Dok­to­ran­den Ana Čer­nok und Ste­phan Bla­ha ange­hör­ten, ein Durch­bruch auf dem Gebiet der Kri­stall­züch­tung gelun­gen. Mit den am BGI vor­han­de­nen Tech­no­lo­gien der Hoch­druck­for­schung haben sie meh­re­re mil­li­me­ter­gro­ße durch­sich­ti­ge Poly­kri­stal­le sowie Ein­zel­kri­stal­le von Stis­ho­vit gezüch­tet. Hier­bei han­delt es sich um eine Form des Sili­ci­um­oxids, die sich durch eine hohe Dich­te aus­zeich­net und nor­ma­ler­wei­se nur in sehr klei­nen Men­gen in der Nähe von Meteo­ri­ten­kra­tern vorkommt.

„Die in Bay­reuth, Liver­mo­re und Roche­ster erziel­ten Mess­da­ten unter­stüt­zen ins­ge­samt die Ver­mu­tung, dass Man­tel­si­li­ka­te einer­seits und der metal­li­sche Pla­ne­ten­kern ande­rer­seits bei Drücken ober­halb von 300 bis 500 Giga­pas­cal ver­gleich­ba­re Schmelz­punk­te haben“, erklärt Prof. Dubro­vin­sky und fährt fort: „Es ist gut mög­lich, dass gro­ße fel­si­ge Pla­ne­ten in ihrem Inne­ren sehr alte Ozea­ne aus Mag­ma – näm­lich aus geschmol­ze­nem Fels­ge­stein –beher­ber­gen. Magnet­fel­der von Pla­ne­ten könn­ten sich in die­ser flüs­si­gen Fels­schicht her-aus­ge­bil­det haben.“

Ver­öf­fent­li­chung:
M. Mil­lot, N. Dubro­vins­ka­ia, A. Čer­nok, S. Bla­ha, L. Dubro­vin­sky, D. G. Braun, P. M. Cel­liers, G. W. Coll­ins, J. H. Eggert and R. Jeanloz,
Shock com­pres­si­on of stis­ho­vi­te and mel­ting of sili­ca at pla­ne­ta­ry inte­ri­or con­di­ti­ons, Sci­ence (2015) DOI: 10.1126/science.1261507