Hand­werk bie­tet Inte­gra­ti­ons­per­spek­ti­ven für Flüchtlinge

Symbolbild Bildung

HWK-Prä­si­dent Zim­mer: „Will­kom­mens­kul­tur stär­ken und Per­spek­ti­ven schaffen!“

Inter­na­tio­na­le Kri­sen, ins­be­son­de­re in Syri­en, Irak oder in Nord­afri­ka, haben zu einer deut­li­chen Zunah­me von Asyl­be­wer­bern und Flücht­lin­gen in Deutsch­land geführt. Im Jahr 2014 regi­strier­te das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge bun­des­weit 202.834 Asyl­an­trä­ge – so vie­le wie seit Jahr­zehn­ten nicht mehr. Im Ver­gleich zum Jah­re 2013 ent­spricht dies einem Plus von knapp 60 Pro­zent. Die­se Ent­wick­lung stellt ganz Deutsch­land wie auch Ober­fran­ken vor vie­le Her­aus­for­de­run­gen. Aktu­ell befin­den sich allei­ne in Ober­fran­ken 4.250 Asyl­be­wer­ber, die auf eine Ent­schei­dung über ihren Antrag war­ten. Unter die­sen 4.250 Asyl­be­wer­bern befin­den sich 184 unbe­glei­te­te Jugend­li­che, die beson­de­rer Betreu­ung bedür­fen. Das Küm­mern um Flücht­lin­ge und die Inte­gra­ti­on von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ist jedoch vor allem eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Aufgabe.

Die­se Her­aus­for­de­rung, all die­se Men­schen und vor allem die Jugend­li­chen in Ober­fran­ken in unse­re Gesell­schaft und unse­ren Arbeits­markt zu inte­grie­ren, darf jedoch nicht nur als Her­aus­for­de­rung, son­dern muss auch als Chan­ce begrif­fen wer­den. Der Bedarf an Fach­kräf­ten nimmt bedingt durch den demo­gra­phi­schen Wan­del in den näch­sten Jah­ren ste­tig zu und ohne Zuwan­de­rung aus dem Aus­land, wird die­se Lücke nicht nach­hal­tig geschlos­sen wer­den kön­nen. Vor allem in Ober­fran­ken besteht beson­de­rer Hand­lungs­be­darf. Im Zeit­raum vom Jahr 2000 bis 2012 ist die Bevöl­ke­rung in Ober­fran­ken bereits um 4,9 Pro­zent zurück­ge­gan­gen. Bis zum Jah­re 2032 wird sich die­se Ent­wick­lung sogar noch ver­schär­fen und die Bevöl­ke­rung wird in Ober­fran­ken um wei­te­re 8,1 Pro­zent schrump­fen. Zum Ver­gleich: im glei­chen Zeit­raum wird für Bay­ern ein Bevöl­ke­rungs­wachs­tum von 2,8 Pro­zent prognostiziert.

Das Hand­werk in Ober­fran­ken geht mit gutem Bei­spiel vor­an. Im Rah­men eines Berufs­in­te­gra­ti­ons­jah­res in Koope­ra­ti­on mit der Berufs­schu­le I Bam­berg unter­stützt die Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken Flücht­lin­ge und Asyl­be­wer­ber dar­in, sich auf eine Aus­bil­dung vor­zu­be­rei­ten und so einen Ein­stieg in den Arbeits­markt zu fin­den. Aktu­ell befin­den sich in der von der HWK betreu­ten Klas­se 14 Jugend­li­che aus Län­dern wie Afgha­ni­stan, Soma­lia, Maze­do­ni­en und wei­te­ren. Neben der Vor­be­rei­tung auf den Mit­tel­schul­ab­schluss an der Berufs­schu­le, wer­den die jun­gen Asyl­be­wer­ber in den Werk­stät­ten der HWK prak­tisch aus­ge­bil­det, sozi­al­päd­ago­gisch betreut und in Betriebs­prak­ti­ka vermittelt.

Das Hand­werk begrüßt die jüngst von der Bun­des­re­gie­rung beschlos­se­nen Ver­bes­se­run­gen zur Rechts­stel­lung von asyl­su­chen­den und gedul­de­ten Aus­län­dern. Dazu gehört die Begren­zung der War­te­frist für die Aus­übung einer Beschäf­ti­gung auf drei Mona­te sowie die Ver­kür­zung der Vor­rang­prü­fung und der bis­he­ri­gen sog. Resi­denz­pflicht. Die­sen ersten Wei­chen­stel­lun­gen müs­sen jedoch wei­te­re Schrit­te folgen.

Für min­der­jäh­ri­ge Flücht­lin­ge muss ein rechts­si­che­rer Aus­bil­dungs­auf­ent­halt geschaf­fen wer­den. Hier brau­chen wir die soge­nann­te „3 + x Rege­lung“. Es muss sicher­ge­stellt wer­den, dass min­der­jäh­ri­ge Asyl­be­wer­ber, unab­hän­gig davon, ob sie unbe­glei­tet oder mit Fami­lie ein­ge­reist sind, eine in Deutsch­land begon­ne­ne Aus­bil­dung auch abschlie­ßen und anschlie­ßend von dem Betrieb zumin­dest befri­stet beschäf­tigt wer­den kön­nen. Nur so haben die Aus­bil­dungs­be­trie­be Pla­nungs­si­cher­heit und den Jugend­li­chen kann eine Per­spek­ti­ve gege­ben wer­den. Daher soll­te die Auf­nah­me einer Schul- oder Berufs­aus­bil­dung ein drin­gen­der per­sön­li­cher Grund für die Aus­set­zung der Abschie­bung von abge­lehn­ten Asyl­be­wer­bern sein.

Dar­über hin­aus muss die sozi­al­päd­ago­gi­sche Betreu­ung bei den Jugend­li­chen ver­bes­sert wer­den. Erste Pra­xis­er­fah­run­gen im Rah­men des Berufs­in­te­gra­ti­ons­jah­res haben gezeigt, dass die Jugend­li­chen zwar hoch­mo­ti­viert sind, es jedoch noch vie­le Berei­che gibt, bei denen nach­ge­bes­sert wer­den muss. So ist vie­len Jugend­li­chen ein struk­tu­rier­tes Leben, Ler­nen und Arbei­ten fremd. Hin­zu kom­men Pro­ble­me auf­grund ver­schie­de­ner schu­li­scher Vor­kennt­nis­se oder das Feh­len eines grund­le­gen­den Ver­ständ­nis­ses des Schul- und Aus­bil­dungs­sy­stems in Deutsch­land. Die­se Her­aus­for­de­run­gen las­sen sich nur mei­stern, wenn die Betreu­ung der Jugend­li­chen inten­si­viert wird.

Gera­de die klei­nen Betrie­be des Hand­werks dür­fen mit der im Regel­fall sehr auf­wen­di­gen Aus­bil­dung und Inte­gra­ti­on von Flücht­lin­gen nicht allei­ne gelas­sen wer­den. Das Hand­werk steht mit sei­nen spe­zi­ell geschul­ten Bera­tern („Küm­me­rern“) bei den Hand­werks­or­ga­ni­sa­tio­nen bereit, um die Betrie­be bei einer nach­hal­ti­gen Aus­bil­dung und Beschäf­ti­gung von Asyl­be­wer­ben in der Pra­xis zu unter­stüt­zen und zu ent­la­sten. Das erfor­dert aller­dings eine ent­spre­chen­de insti­tu­tio­nel­le För­de­rung. Dar­über hin­aus braucht es aus­bil­dungs­be­glei­ten­de Hil­fen für die jun­gen Asyl­be­wer­ber, sobald sie eine Aus­bil­dung beginnen.

Um die­se Zie­le zu errei­chen, gilt es die Zusam­men­ar­beit aller betei­lig­ten Akteu­re zu ver­bes­sern. Dies reicht von einer bes­se­ren Zusam­men­ar­beit und Abstim­mung der betei­lig­ten Mini­ste­ri­en und Behör­den auf Bun­des- und Lan­des­ebe­ne bis zu den ver­schie­den­sten Akteu­ren vor Ort. Hier sind wir heu­te mit gutem Bei­spiel vor­an­ge­gan­gen. Die­ses gesell­schaft­li­che Enga­ge­ment der Akteu­re vor Ort gilt es zu för­dern und zu struk­tu­rie­ren, damit schnel­ler prag­ma­ti­sche Lösun­gen im Inter­es­se der Zuwan­de­rer und der Betrie­be gefun­den wer­den kön­nen. Zudem wür­de damit eine Will­kom­mens­kul­tur geschaf­fen, die dazu bei­trägt, etwa­ige Vor­be­hal­te in der Gesell­schaft gegen­über die­ser Per­so­nen­grup­pe abzubauen.