Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Schüt­zen­fi­sche sind Superjäger

Symbolbild Bildung
Schützenfisch im Versuchslabor am Lehrstuhl für Tierphysiologie der Universität Bayreuth. Copyright: Lehrstuhl für Tierphysiologie (Prof. Dr. S. Schuster), Universität Bayreuth

Schüt­zen­fisch im Ver­suchs­la­bor am Lehr­stuhl für Tier­phy­sio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth.
Copy­right: Lehr­stuhl für Tier­phy­sio­lo­gie (Prof. Dr. S. Schu­ster), Uni­ver­si­tät Bayreuth

Wie Schüt­zen­fi­sche die Geset­ze der Hydro­dy­na­mik anwenden

Der Beu­te­fang der Schüt­zen­fi­sche hat Ähn­lich­kei­ten mit Fähig­kei­ten des Men­schen, wie ein For­schungs­team der Uni Bay­reuth jetzt her­aus­ge­fun­den hat. Schüt­zen­fi­sche kön­nen die Reich­wei­te, die Geschwin­dig­keit und die Stär­ke der von ihnen pro­du­zier­ten Was­ser­strah­len per­fekt koor­di­nie­ren, weil sie ihr Maul wie eine fle­xi­ble Düse ein­set­zen. Ihre Fähig­keit bie­tet Anre­gun­gen für düsen­tech­ni­sche Entwicklungen.

Für Men­schen ist es bis heu­te eine tech­no­lo­gi­sche Her­aus­for­de­rung, doch Schüt­zen­fi­sche beherr­schen die­se Kunst per­fekt: Sie kön­nen freie Was­ser­strah­len pro­du­zie­ren, die Zie­le in unter­schied­li­cher Ent­fer­nung prä­zi­se errei­chen – und zwar so, dass die Was­ser­strah­len exakt mit dem jeweils gewünsch­ten Druck auf den Zie­len auf­tref­fen. Das Maul der Fische arbei­tet dabei wie eine fle­xi­ble Düse: Es kann die dyna­mi­schen Eigen­schaf­ten von Was­ser­strah­len steu­ern und den jewei­li­gen Umstän­den anpas­sen. Über die­se For­schungs­er­geb­nis­se berich­ten Prof. Dr. Ste­fan Schu­ster und Dipl.-Biol. Peg­gy Gerul­lis, Uni­ver­si­tät Bay­reuth, in der aktu­el­len Aus­ga­be des For­schungs­ma­ga­zins „Cur­rent Biology“.

„Beu­te­trai­ning“ im Labor

Schüt­zen­fi­sche leben vor allem in tro­pi­schen Brack­was­ser­ge­bie­ten. Sie ernäh­ren sich von Insek­ten, Spin­nen oder auch von klei­nen Eidech­sen, die sich dicht am Ufer auf Blät­tern, Hal­men oder Zwei­gen nie­der­ge­las­sen haben. Mit einem schar­fen geziel­ten Was­ser­strahl schie­ßen die Fische ihre aus­ge­wähl­te Beu­te seit­lich von unten an, so dass sie ins Was­ser fällt und hier kur­ze Zeit spä­ter geschnappt wer­den kann. Für ihre Unter­su­chun­gen haben die Bay­reu­ther Tier­phy­sio­lo­gen meh­re­re Schüt­zen­fi­sche einem spe­zi­el­len „Beu­te­trai­ning“ im Labor aus­ge­setzt. Hier konn­ten sie die Fische regel­mä­ßig dazu ver­locken, Insek­ten zu erbeu­ten, die sich 20, 40 oder 60 Zen­ti­me­ter über der Was­ser­ober­flä­che befan­den. Sowohl die Kör­per­be­we­gun­gen der Fische als auch die erzeug­ten Was­ser­strah­len wur­den gefilmt und in Zeit­lu­pe untersucht.

Mit dyna­misch gesteu­er­ten Was­ser­strah­len zum Erfolg

Wie sich her­aus­stell­te, sind Schüt­zen­fi­sche nicht nur imstan­de, Zie­le in ver­schie­de­nen Ent­fer­nun­gen prä­zi­se zu tref­fen. Sie kön­nen auch die Stär­ke und die Geschwin­dig­keit des mit dem Maul erzeug­ten Was­ser­strahls regu­lie­ren. Dadurch gelingt es ihnen, dass an der Spit­ze des Strahls kurz vor Errei­chen des Ziels ein schlag­kräf­ti­ger Trop­fen ent­steht; und zwar des­halb, weil das spä­ter aus­ge­sto­ße­ne Was­ser gleich­sam auf­holt und sich mit dem zuerst aus­ge­sto­ße­nen Was­ser an der Spit­ze des Strahls ver­eint. Wenn der Trop­fen kur­ze Zeit spä­ter das Insekt trifft, ist der Druck stark genug, um es von der Pflan­ze zu lösen und ins Was­ser fal­len zu las­sen. Der Druck ist aber auch nicht zu stark; denn das Insekt soll nicht zu weit weg­ge­schleu­dert wer­den und in Reich­wei­te bleiben.

Blick in die Evolutionsgeschichte

Die Schüt­zen­fi­sche besit­zen also die Fähig­keit, die Ent­fer­nung ihrer Beu­te und die dyna­mi­schen Eigen­schaf­ten des von ihnen pro­du­zier­ten Was­ser­strahls jedes­mal aufs neue auf­ein­an­der abzu­stim­men. Dadurch ist gewähr­lei­stet, dass sich der Trop­fen an der Spit­ze des Strahls nicht zu früh, son­dern erst unmit­tel­bar vor dem Ziel­ob­jekt bil­det. „Die­se Steue­rungs­lei­stun­gen haben eine erstaun­li­che Ähn­lich­keit mit der Fähig­keit des Men­schen, weit ent­fern­te Zie­le mit Wurf­ge­schos­sen wie Spee­ren oder Stei­nen zu tref­fen“, erklärt Prof. Schu­ster und ver­weist auf Erkennt­nis­se der Evo­lu­ti­ons­bio­lo­gie, wonach die Aus­bil­dung die­ser Fähig­keit das Wachs­tum des mensch­li­chen Gehirns erheb­lich geför­dert hat. Zahl­rei­che Neu­ro­nen sei­en ent­stan­den, um Ziel­ge­nau­ig­keit und Wurf­stär­ke den jewei­li­gen Ent­fer­nun­gen der Zie­le anpas­sen zu kön­nen. Die­se Neu­ro­nen hät­ten spä­ter auch ande­re Fähig­kei­ten unter­stüt­zen können.

„Daher drängt sich die Fra­ge auf, ob der Schüt­zen­fisch nicht auf ähn­li­che Wei­se im Ver­lauf der Evo­lu­ti­on ein deut­lich kom­ple­xe­res Gehirn als ver­gleich­ba­re Fische ent­wickelt hat oder noch ent­wickeln wird“, meint Prof. Schu­ster. „Eine sol­che Ent­wick­lung wäre durch­aus nahe­lie­gend. Das Schüt­zen­fisch­hirn ist schein­bar sehr viel ein­fa­cher als das des Men­schen, es besitzt zum Bei­spiel kei­ne Groß­hirn­rin­de. Umso über­ra­schen­der sind sei­ne außer­ge­wöhn­li­chen kogni­ti­ven Fähig­kei­ten, und es könn­te durch­aus sein, dass die Ent­wick­lung der aus­ge­feil­ten Schuss­tech­nik erheb­lich dazu bei­getra­gen hat, dass das Schüt­zen­fisch­ge­hirn sol­che außer­ge­wöhn­li­chen Lei­stun­gen erbrin­gen kann.“

Dem Schüt­zen­fisch auf’s Maul geschaut: Anre­gun­gen für die Düsentechnik

Der Schüt­zen­fisch kann die Reich­wei­te, die Geschwin­dig­keit und die Stär­ke des Was­ser­strahls des­halb so per­fekt koor­di­nie­ren, weil er sein Maul wie eine fle­xi­ble Düse ein­setzt. Wäh­rend der Was­ser­stahl her­aus­schießt, kann er den Durch­mes­ser des geöff­ne­ten Mauls in kür­ze­ster Zeit ver­rin­gern oder ver­grö­ßern – jeweils so, wie es ange­sichts der Beu­te für die Erzeu­gung eines effek­ti­ven Strahls erfor­der­lich ist. „Die­ses ‚Fein­tu­ning‘ könn­te sich durch­aus als Vor­bild für neue Ent­wick­lun­gen in der Düsen­tech­nik eig­nen“, meint Dipl.-Biol. Peg­gy Gerul­lis, die am Lehr­stuhl für Tier­phy­sio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth pro­mo­viert. „Auf vie­len Gebie­ten, bei­spiels­wei­se in der Medi­zin­tech­nik, besteht heu­te gro­ßes Inter­es­se dar­an, Flüs­sig­keits­strah­len gezielt zum Polie­ren, Rei­ni­gen oder Schnei­den ein­zu­set­zen. Dabei kommt es dar­auf an, die soge­nann­ten abra­si­ven Eigen­schaf­ten der Strah­len prä­zi­se zu kon­trol­lie­ren. Wie dies gesche­hen könn­te, dafür bie­tet der Schüt­zen­fisch ori­gi­nel­le Anregungen.“

För­de­rung durch die Deut­sche Forschungsgemeinschaft

„Unse­re For­schungs­ar­bei­ten zu den Schüt­zen­fi­schen wur­den von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft groß­zü­gig geför­dert, der wir dafür aus­drück­lich dan­ken“, erklärt Prof. Schu­ster. „Es freut uns sehr, dass die DFG in den letz­ten Jah­ren unse­re teil­wei­se außer­ge­wöhn­li­chen Pro­jek­te unter­stützt hat, mit denen wir wis­sen­schaft­li­ches Neu­land betre­ten haben. Eini­ge unse­rer Dok­to­ran­din­nen und Dok­to­ran­den waren wesent­lich dar­an beteiligt.“

Ver­öf­fent­li­chung: Peg­gy Gerul­lis and Ste­fan Schuster,
Archer­fi­sh actively con­trol hydro­dy­na­mics of their jets, in: Cur­rent Bio­lo­gy (24), DOI: http://​dx​.doi​.org/​1​0​.​1​0​1​6​/​j​.​c​u​b​.​2​0​1​4​.​0​7​.​059

Kurz­por­trät der Uni­ver­si­tät Bayreuth

Die Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist eine jun­ge, for­schungs­ori­en­tier­te Cam­pus-Uni­ver­si­tät. Grün­dungs­auf­trag der 1975 eröff­ne­ten Uni­ver­si­tät ist die För­de­rung von inter­dis­zi­pli­nä­rer For­schung und Leh­re sowie die Ent­wick­lung von Pro­fil bil­den­den und Fächer über­grei­fen­den Schwer­punk­ten. Die For­schungs­pro­gram­me und Stu­di­en­an­ge­bo­te decken die Natur- und Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten, die Rechts- und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten sowie die Sprach‑, Lite­ra­tur und Kul­tur­wis­sen­schaf­ten ab und wer­den bestän­dig weiterentwickelt.

Gute Betreu­ungs­ver­hält­nis­se, hohe Lei­stungs­stan­dards, Fächer über­grei­fen­de Koope­ra­tio­nen und wis­sen­schaft­li­che Exzel­lenz füh­ren regel­mä­ßig zu Spit­zen­plat­zie­run­gen in Ran­kings. Die Uni­ver­si­tät Bay­reuth belegt 2014 im welt­wei­ten Times Hig­her Edu­ca­ti­on (THE)-Ranking ‚100 under 50‘ als eine von ins­ge­samt sechs ver­tre­te­nen deut­schen Hoch­schu­len eine Top-Platzierung.

Seit Jah­ren neh­men die Afri­ka­stu­di­en der Uni­ver­si­tät Bay­reuth eine inter­na­tio­na­le Spit­zen­po­si­ti­on ein; die Bay­reu­ther Inter­na­tio­na­le Gra­du­ier­ten­schu­le für Afri­ka­stu­di­en (BIGS­AS) ist Teil der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve des Bun­des und der Län­der. Die Hoch­druck- und Hoch­tem­pe­ra­tur­for­schung inner­halb des Baye­ri­schen Geo­in­sti­tuts genießt eben­falls ein welt­weit hohes Renom­mee. Die Poly­mer­for­schung ist Spit­zen­rei­ter im För­der­ran­king der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG). Die Uni­ver­si­tät Bay­reuth ver­fügt über ein dich­tes Netz stra­te­gisch aus­ge­wähl­ter, inter­na­tio­na­ler Hochschulpartnerschaften.

Der­zeit sind an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth rund 13.000 Stu­die­ren­de in 135 ver­schie­de­nen Stu­di­en­gän­gen an sechs Fakul­tä­ten imma­tri­ku­liert. Mit ca. 1.200 wis­sen­schaft­li­chen Beschäf­tig­ten, davon 224 Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren, und rund 900 nicht­wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern ist die Uni­ver­si­tät Bay­reuth der größ­te Arbeit­ge­ber der Region.