Neue Stu­die der Uni Bay­reuth zum Stress­ge­dächt­nis von Pflanzen

Symbolbild Bildung

Erleb­ter Dür­re­stress erhöht die Wider­stands­fä­hig­keit gegen­über extre­mer Dürre

Pflan­zen sind gegen extre­me Dür­re bes­ser gewapp­net, wenn sie in den Vor­jah­ren wie­der­holt Trocken­pe­ri­oden über­stan­den haben. Dabei wird ihr „Stress­ge­dächt­nis“ mög­li­cher­wei­se auch von den Inter­ak­tio­nen mit Pflan­zen in ihrer unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft beein­flusst. Zu die­sen Ergeb­nis­sen kommt ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth in einer neu­en Langzeitstudie.

Kön­nen Pflan­zen aus Erfah­rung ler­nen? Wir­ken sich frü­he­re kli­ma- und wet­ter­be­ding­te Stress­erfah­run­gen dar­auf aus, wie Pflan­zen auf nach­fol­gen­de Extrem­ereig­nis­se – bei­spiels­wei­se eine lan­ge Dür­re­pe­ri­ode – reagie­ren? Eine neue Lang­zeit­stu­die, die ein For­schungs­team um Prof. Dr. Anke Jentsch an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth in der Fach­zeit­schrift „Eco­sy­stems“ vor­stellt, spricht für die­se Annah­me. Wie sich her­aus­ge­stellt hat sind Pflan­zen gegen extre­me Dür­re bes­ser gewapp­net, wenn sie in den Vor­jah­ren wie­der­holt Trocken­pe­ri­oden über­stan­den haben. Dabei wird ihr „Stress­ge­dächt­nis“ mög­li­cher­wei­se auch von den Inter­ak­tio­nen mit Pflan­zen in ihrer unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft beeinflusst.

Extre­me Dür­re auf Frei­land­flä­chen mit unter­schied­li­cher Vorgeschichte

Im Öko­lo­gisch-Bota­ni­schen Gar­ten der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wur­de 2005 ein Expe­ri­ment auf­ge­baut, das 85 Frei­land-Ver­suchs­flä­chen mit unter­schied­li­chen Vege­ta­ti­ons­ty­pen umfasst. Es han­delt sich dabei um Pflan­zen­ge­mein­schaf­ten, wie sie in Mit­tel­eu­ro­pa für Grün­land bzw. für Hei­de­land­schaf­ten cha­rak­te­ri­stisch sind. Zusätz­lich wur­den Mono­kul­tu­ren mit typi­schen Grün­land-/Hei­de­ar­ten ein­ge­rich­tet. Sechs Jah­re lang, von Anfang 2005 bis Ende 2010, erleb­ten alle Pflan­zen die­sel­ben natür­li­chen Trocken­zei­ten, jedoch wur­den sie in unter­schied­li­cher Wei­se mit Was­ser ver­sorgt. Eini­ge Ver­suchs­flä­chen erleb­ten in jedem Jahr eine mehr­wö­chi­ge, künst­lich erzeug­te Trocken­zeit; ande­re wur­den in jedem Jahr künst­lich erzeug­ten Stark­re­gen­fäl­len aus­ge­setzt; ande­re wie­der­um erhiel­ten – abge­se­hen von den natür­li­chen Trocken­zei­ten – durch­ge­hend eine regel­mä­ßi­ge mode­ra­te Bewäs­se­rung. Dar­über hin­aus gab es Kon­troll­flä­chen, die allein den natür­li­chen Wet­ter­ver­hält­nis­sen aus­ge­setzt waren.

Von Mai bis August 2011 wur­den alle Ver­suchs­flä­chen einer extre­men mehr­mo­na­ti­gen Dür­re­pe­ri­ode aus­ge­setzt. Sie muss­ten an 104 auf­ein­an­der fol­gen­den Tagen ohne Was­ser aus­kom­men. Spe­zi­ell ange­fer­tig­te durch­sich­ti­ge Tun­nel­zel­te aus Kunst­stoff-Foli­en schirm­ten die Ver­suchs­flä­chen von Nie­der­schlä­gen ab. Das For­schungs­team hat­te vor dem Beginn der Dür­re sicher­ge­stellt, dass die Pflan­zen auf allen Flä­chen eine gleich star­ke Bewäs­se­rung erhiel­ten. Daher waren die Aus­gangs­be­din­gun­gen bezüg­lich der Was­ser­ver­sor­gung unmit­tel­bar vor der extre­men Dür­re­pe­ri­ode im Jah­re 2011 auf allen Ver­suchs­flä­chen gleich; nur hat­ten die Pflan­zen unter­schied­lich star­ke Stress­be­la­stun­gen hin­ter sich.

Frü­he­re Stress­erfah­run­gen hel­fen bei der Bewäl­ti­gung von erneu­tem Stress

Am Ende der Dür­re­pe­ri­ode zeig­te sich, dass die Pflan­zen in der für Hei­de­land­schaf­ten typi­schen Vege­ta­ti­on ins­ge­samt weni­ger stark unter der Trocken­heit gelit­ten hat­ten als die Pflan­zen auf den Grün­land­flä­chen. Wei­te­re Ana­ly­sen för­der­ten Unter­schie­de zuta­ge, die offen­sicht­lich mit den mehr oder weni­ger star­ken Stress­be­la­stun­gen in den Vor­jah­ren zusam­men­hin­gen. Die­je­ni­gen Pflan­zen, die eine regel­mä­ßi­ge Bewäs­se­rung gewohnt waren und nur zwei natür­li­che Dür­re­ta­ge im Zeit­raum 2008 bis 2010 erfuh­ren, kamen mit dem lang anhal­ten­den Dür­re­stress am schlech­te­sten zurecht. Der Anteil des pflanz­li­chen Gewe­bes, das ver­welk­te und abstarb, war bei die­sen Pflan­zen signi­fi­kant höher. Umge­kehrt reagier­ten Pflan­zen, die in den drei Vor­jah­ren mil­de und stär­ke­re Dür­re­pe­ri­oden durch­ge­stan­den hat­ten, auf die extre­me Dür­re mit einer höhe­ren Widerstandsfähigkeit.

Epi­ge­ne­ti­sche Ver­än­de­run­gen? Auf der Suche nach Erklärungen

Wie sind die­se Unter­schie­de zu erklä­ren? „Beim der­zei­ti­gen For­schungs­stand kom­men ver­schie­de­ne Ursa­chen infra­ge“, erklärt Dipl.-Biogeographin Sabri­na Back­haus, die auf den Bay­reu­ther Ver­suchs­flä­chen die extre­me Dür­re­pe­ri­ode 2011 unter­sucht, die Reak­tio­nen der Pflan­zen ermit­telt und die dabei gewon­ne­nen Daten aus­ge­wer­tet hat. „Mög­li­cher­wei­se bewir­ken frü­he­re, durch Trocken­heit beding­te Stress­erfah­run­gen, dass sich in den Pflan­zen spe­zi­fi­sche Pro­te­ine ansam­meln, die ihnen eine schnel­le Reak­ti­on auf den erneu­ten Stress ermög­li­chen und somit ein gerin­ge­res Abster­ben von Bio­mas­se bewir­ken. Beson­ders span­nend ist die wei­ter­rei­chen­de Über­le­gung, ob bei dem ‚Stress­ge­dächt­nis‘ der Pflan­zen auch epi­ge­ne­ti­sche Ver­än­de­run­gen im Spiel sind, also eine durch die frü­he­ren Stress­erfah­run­gen ver­ur­sach­te Modi­fi­ka­ti­on des Erb­guts. Dies wur­de bereits in ande­ren Stu­di­en ent­deckt“, so die Bay­reu­ther Nachwuchswissenschaftlerin.

Inter­ak­tio­nen zwi­schen unter­schied­li­chen Pflan­zen­ar­ten: ein unter­schätz­ter Faktor

Die Ergeb­nis­se der im Jahr 2011 künst­lich her­bei­ge­führ­ten extre­men Dür­re las­sen ver­mu­ten, dass Pflan­zen in der unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft mög­li­cher­wei­se einen Ein­fluss dar­auf haben, wie ein­zel­ne Pflan­zen auf extre­me Trocken­zei­ten reagie­ren. Hei­del­beer­sträu­cher, die zusam­men mit Besen­hei­de wuch­sen, zeig­ten auf Ver­suchs­flä­chen, die vor 2011 jähr­lich künst­lich erzeug­te Trocken­zei­ten erlebt haben, ein stär­ke­res Abster­ben ihrer Bio­mas­se als auf den Kon­troll­flä­chen, die vor 2011 durch­weg den natür­li­chen Wet­ter­ver­hält­nis­sen aus­ge­setzt waren. Der gegen­tei­li­ge Effekt ließ sich jedoch beob­ach­ten, wenn die Hei­del­beer­sträu­cher unter sich waren, also in einer Mono­kul­tur wuch­sen. Sie zeig­ten dann unter extre­mer Dür­re auf Ver­suchs­flä­chen, die vor­her künst­lich erzeug­te Trocken­zei­ten über­stan­den hat­ten, ein gerin­ge­res Abster­ben der Bio­mas­se als auf den Kon­troll­flä­chen. In ähn­li­cher Wei­se scheint auch der Spitz­we­ge­rich eine unter­schied­li­che Wider­stands­fä­hig­keit gegen­über extre­mer Dür­re zu ent­wickeln; je nach­dem mit wel­chen Pflan­zen er zusam­men wächst.

„Künf­ti­ge For­schungs­ar­bei­ten zum Stress­ge­dächt­nis von Pflan­zen soll­ten die Inter­ak­tio­nen zwi­schen Pflan­zen, die ver­schie­de­nen Spe­zi­es ange­hö­ren, gründ­li­cher in den Blick neh­men, als dies bis­her gesche­hen ist“, for­dert Prof. Jentsch im Hin­blick auf die in Bay­reuth erziel­ten Ergeb­nis­se. „Sol­che For­schungs­pro­jek­te sind nicht zuletzt auch des­halb von beson­de­rem Inter­es­se, weil extre­me Wet­ter­ereig­nis­se – wie bei­spiels­wei­se lan­ge Dür­re­pe­ri­oden – in den kom­men­den Jahr­zehn­ten vor­aus­sicht­lich häu­fi­ger vor­kom­men als bisher.“

Ver­öf­fent­li­chung

Sabri­na Back­haus, Juer­gen Krey­ling, Ker­stin Grant, Carl Bei­er­kuhn­lein, Julia Wal­ter, and Anke Jentsch, Recur­rent Mild Drought Events Increa­se Resi­stance Toward Extre­me Drought Stress, in: Eco­sy­stems, Volu­me 17, Issue 6, pp 1068–1081 (2014), DOI: 10.1007/s10021-014‑9781‑5