Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Wie Pflan­zen sich mit Eisen versorgen

Symbolbild Bildung

Bay­reu­ther Unter­su­chun­gen zum pflanz­li­chen Stoff­wech­sel zei­gen: Aro­ma­stof­fe (Cuma­ri­ne) haben eine Schlüs­sel­funk­ti­on für den pflanz­li­chen Mineralhaushalt

Eisen ist in nahe­zu allen Lebe­we­sen unent­behr­lich für lebens­wich­ti­ge Stoff­wech­sel­vor­gän­ge. Beim Men­schen schä­digt Eisen­man­gel ins­be­son­de­re die Blut­bil­dung. Weil pflanz­li­che Nah­rung häu­fig zu wenig Eisen ent­hält, lei­den aktu­el­len Schät­zun­gen zufol­ge rund 30 Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung unter einer mehr oder weni­ger stark aus­ge­präg­ten Anämie. Des­halb besteht welt­weit ein star­kes Inter­es­se an der Züch­tung und am Anbau von Pflan­zen, die einen hohen Anteil von Eisen in ihren ess­ba­ren Bestand­tei­len abspei­chern – und zwar so, dass das Eisen vom mensch­li­chen Orga­nis­mus auf­ge­nom­men und ver­ar­bei­tet wer­den kann. „Bio­for­ti­fi­ka­ti­on“ ist das Ziel einer noch jun­gen For­schungs­rich­tung, die dar­auf abzielt, den Anteil lebens­wich­ti­ger Mine­ra­li­en wie Eisen oder Zink in Pflan­zen syste­ma­tisch zu erhöhen.

Über­höh­te pH-Wer­te im Boden: Ein Hin­der­nis für die Absorp­ti­on von Eisen

Eisen ist zwar ein Mine­ral, das im Erd­bo­den beson­ders häu­fig vor­kommt. Doch in der Regel ist es hier ein Bestand­teil von Eisen­oxi­den und damit schwer lös­lich, so dass es von den Wur­zeln der Pflan­zen nicht unmit­tel­bar absor­biert wer­den kann. Wie gut das Eisen im Boden für die Pflan­zen ver­füg­bar ist, hängt des­halb ent­schei­dend vom jewei­li­gen pH-Wert des Bodens ab. Je höher der pH-Wert ist, desto ungün­sti­ger sind die Bedin­gun­gen für die Absorp­ti­on des Eisens. Welt­weit ist der pH-Wert heu­te auf etwa 30 Pro­zent der land­wirt­schaft­lich nutz­ba­ren Flä­chen über­höht, so dass hier die land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­ti­vi­tät durch Eisen­man­gel beschränkt ist.

Grund­sätz­lich unter­schei­det die For­schung zwi­schen zwei Stra­te­gien, mit denen es Pflan­zen den­noch gelingt, sich aus­rei­chend mit Eisen zu ver­sor­gen. Bei Pflan­zen, die kei­ne Grä­ser sind, besteht die­se Stra­te­gie aus drei Schrit­ten: Zunächst son­dern ihre Wur­zeln Sub­stan­zen ab, die den Säu­re­ge­halt im Boden erhö­hen und somit des­sen pH-Wert sen­ken. In einem wei­te­ren Schritt wer­den die Eisen­oxi­de, infol­ge des erhöh­ten Säu­re­ge­halts im Boden, an der Ober­flä­che der Pflan­zen­wur­zeln gelöst und in zwei­wer­ti­ges Eisen umge­wan­delt. Erst jetzt sind die Pflan­zen in der Lage, das Eisen zu absor­bie­ren und ihre Zel­len damit zu ver­sor­gen. „Nur wenn die­se Stra­te­gie bis ins Detail auf­ge­klärt ist, kann eines Tages die geziel­te Züch­tung von Pflan­zen gelin­gen, die mög­lichst viel Eisen aus dem Erd­bo­den auf­neh­men und abspei­chern“, erklärt Prof. Dr. Ste­phan Cle­mens, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl für Pflan­zen­phy­sio­lo­gie innehat.

Ver­glei­chen­de Ana­ly­sen von Stoffwechselprodukten

Von beson­de­rem Inter­es­se für die For­schung sind Sub­stan­zen, wel­che die Ver­sor­gung von Pflan­zen mit Mine­ral­stof­fen auch dann gewähr­lei­sten, wenn die Absorp­ti­on aus dem Erd­bo­den erschwert ist. Gibt es der­ar­ti­ge Substanzen?

Um die­se Fra­ge beant­wor­ten zu kön­nen, hat die Bay­reu­ther For­schungs­grup­pe um Prof. Cle­mens einen For­schungs­an­satz gewählt, der die Stoff­wech­sel­pro­duk­te der Pflan­zen in den Blick nimmt. An den Wur­zeln der Scho­ten­kres­se (Ara­bi­d­op­sis tha­lia­na), die in der pflan­zen­phy­sio­lo­gi­schen For­schung heu­te oft­mals als ‚Modell­pflan­ze‘ dient, haben die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler ver­glei­chen­de meta­bo­lo­mi­sche Ana­ly­sen durch­ge­führt. Dabei wur­den mög­lichst vie­le der am Stoff­wech­sel betei­lig­ten Abläu­fe und Sub­stan­zen – ins­be­son­de­re die Zwi­schen- und End­pro­duk­te des Stoff­wech­sels – erfasst. Zuerst wur­den die Wur­zeln von Pflan­zen unter­sucht, die bestens mit Eisen ver­sorgt waren. Es folg­ten Pflan­zen, die einer Nähr­flüs­sig­keit ohne Eisen aus­ge­setzt waren. Schließ­lich rich­te­te sich die meta­bo­lo­mi­sche Ana­ly­se auf Pflan­zen, die in einer eisen­hal­ti­gen Nähr­flüs­sig­keit mit hohem pH-Wert über­le­ben mussten.

Cuma­ri­ne: Schlüs­sel­sub­stan­zen für den Eisen­haus­halt von Pflanzen

Die Pflan­zen, denen die Absorp­ti­on von Eisen infol­ge des über­höh­ten pH-Werts erschwert war, bil­de­ten in ihren Wur­zeln eine auf­fäl­lig gro­ße Men­ge von Cuma­ri­nen; viel mehr als die ande­ren Pflan­zen, die opti­mal bzw. über­haupt nicht mit Eisen ver­sorgt waren. Beson­ders das Sko­po­le­tin war in den Pflan­zen­wur­zeln sehr häu­fig anzu­tref­fen. Cuma­ri­ne sind Aro­ma­stof­fe, die zur Klas­se der Phe­no­le gehö­ren und bei­spiels­wei­se in der Lebens­mit­tel­in­du­strie als aro­ma­ti­sche Ver­stär­ker ver­wen­det werden.

Unter­su­chun­gen an spe­zi­el­len Mutan­ten der Scho­ten­kres­se soll­ten im Anschluss an die­se Befun­de zei­gen, ob Cuma­ri­ne wirk­lich wich­tig sind für die Eisen­er­näh­rung der Pflan­zen. Bei den Mutan­ten war die Bil­dung von Cuma­ri­nen auf­grund eines gene­ti­schen Defekts gestört. Tat­säch­lich erwie­sen sie sich als unfä­hig, das in der Nähr­lö­sung mit hohem pH-Wert ent­hal­te­ne Eisen zu absor­bie­ren; nur zusätz­li­che eisen­hal­ti­ge Nähr­stof­fe konn­ten ihr Über­le­ben sichern. Auf alka­li­schen Böden kön­nen die Mutan­ten also nicht wach­sen. In die­sem Zusam­men­hang stell­te sich her­aus, dass Pflan­zen mit einer unge­stör­ten Cuma­rin-Syn­the­se sol­che Mutan­ten ‚ret­ten‘ kön­nen, falls die­se sich in unmit­tel­ba­rer Nähe befin­den. Die über das Wur­zel­werk abge­ge­be­nen Cuma­ri­ne machen das Eisen also auch für die gene­tisch defek­ten Nach­barn verfügbar.

„For­schungs­ar­bei­ten an ver­schie­de­nen Insti­tu­ten haben in jüng­ster Zeit zei­gen kön­nen, dass von den Wur­zeln abge­son­der­te Phe­no­le eine zen­tra­le Funk­ti­on für den pflanz­li­chen Mine­ral­haus­halt spie­len“, erklärt Prof. Cle­mens „Die meta­bo­lo­mi­schen Unter­su­chun­gen, die wir hier in Bay­reuth vor­ge­nom­men haben, konn­ten die akti­ven Sub­stan­zen jetzt ein­deu­tig nach­wei­sen – und zwar auch des­halb, weil wir sehr vie­le der Stoff­wech­sel­pro­duk­te im Wur­zel­be­reich ana­ly­sie­ren konn­ten. Unse­re Erkennt­nis­se sind ein hoch­in­ter­es­san­ter Anknüp­fungs­punkt für die Züch­tung und den Anbau von Nutz­pflan­zen, die dem welt­weit ver­brei­te­ten Eisen­man­gel ent­ge­gen­wir­ken und die Pro­duk­ti­vi­tät auf Böden mit zu hohem pH-Wert stei­gern können.“

Meta­bo­lo­mik – eine viel­ver­spre­chen­de Forschungsrichtung

Die meta­bo­lo­mi­schen Ana­ly­sen und ihre detail­lier­te Aus­wer­tung sind aus einer engen inter­dis­zi­pli­nä­ren Zusam­men­ar­beit von Bio­lo­gen und Che­mi­kern auf dem Bay­reu­ther Cam­pus her­vor­ge­gan­gen. Sie wären nicht mög­lich gewe­sen ohne die For­schungs­tech­no­lo­gien, die dabei zum Ein­satz kamen, ins­be­son­de­re die Gaschro­ma­to­gra­phie mit Mas­sen­spek­tro­me­trie-Kopp­lung (GC-MS) und die Flüs­sig­keits­ch­ro­ma­to­gra­phie-gekop­pel­te Flug­zeit­mas­sen­spek­tro­me­trie (UPLC-ESI-QTOF-MS). „Die Meta­bo­lo­mik kann viel zur Auf­klä­rung der Pro­zes­se bei­tra­gen, durch die sich Pflan­zen in ihrer Umwelt behaup­ten, und sie kann hel­fen, die Inhalts­stof­fe von Pflan­zen zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Wir wol­len meta­bo­lo­mi­sche Ver­fah­ren an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth auch künf­tig anwen­den, um neue Erkennt­nis­se über die Zusam­men­set­zung pflanz­li­cher Nah­rungs­mit­tel zu gewin­nen“, so Prof. Clemens.

Ver­öf­fent­li­chung:

Hol­ger Schmidt, Car­men Gün­ther, Micha­el Weber, Cor­ne­lia Spör­lein, Seba­sti­an Losch­er, Chri­stoph Bött­cher, Rai­ner Scho­bert, Ste­phan Clemens,
Meta­bo­lo­me Ana­ly­sis of Ara­bi­d­op­sis tha­lia­na Roots Iden­ti­fi­es a Key Meta­bo­lic Pathway for Iron Acquisition,
in: PLOS ONE, Rese­arch Artic­le ‚published 24 Jul 2014
DOI: 10.1371/journal.pone.0102444