Sonn­tags­ge­dan­ken: Die klei­ne Schraube

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

„Es gab ein­mal in einem rie­si­gen Schiff eine ganz klei­ne Schrau­be, die mit vie­len ande­ren eben­so klei­nen Schrau­ben zwei gro­ße Stahl­plat­ten mit­ein­an­der ver­band. Die­se klei­ne Schrau­be fing an, etwas locke­rer zu wer­den, und droh­te her­aus­zu­fal­len. Da sag­ten die näch­sten Schrau­ben zu ihr: ‚Wenn Du her­aus­fällst, dann gehen wir auch. ‚Und die Nägel unten am Schiffs­kör­per sag­ten: ‚Uns wird es auch zu eng, wir lockern uns auch ein wenig.‘ Als die gro­ßen eiser­nen Rip­pen das hör­ten, rie­fen sie: ‚Um Got­tes wil­len bleibt! Denn wenn Ihr nicht mehr hal­tet, dann ist es um uns gesche­hen!‘ Und das Gerücht von dem Vor­ha­ben der klei­nen Schrau­be ver­brei­te­te sich blitz­schnell durch den gan­zen rie­si­gen Kör­per des Schif­fes. Er ächz­te und erbeb­te in allen Fugen. Da beschlos­sen sämt­li­che Rip­pen, Plat­ten, Schrau­ben und auch die klein­sten Nägel, eine gemein­sa­me Bot­schaft an die klei­ne Schrau­be zu sen­den, sie möge doch blei­ben, denn sonst wür­de das gan­ze Schiff ber­sten und kei­ne von ihnen die Hei­mat errei­chen. Das schmei­chel­te dem Stolz der klei­nen Schrau­be, dass ihr sol­che unge­heue­re Bedeu­tung bei­gemes­sen wur­de und sie ließ sagen, sie woll­te an ihrem Platz bleiben.“

Die­sen Text eines Unbe­kann­ten las ich unlängst. Füh­len wir uns nicht manch­mal auch so wie die­se „klei­ne Schrau­be“? Wir tun unse­re Arbeit in Fami­lie und Beruf, aber nie­mand dankt uns dafür. Wir funk­tio­nie­ren eben und dür­fen nicht auf­mucken. Andern­falls wür­de man uns Ego­is­mus vor­wer­fen, Faul­heit, Nör­ge­lei. Manch­mal möch­ten wir alles hin­schmei­ßen, „aus­stei­gen“, wie man das frü­her nann­te. Doch die­se „Aus­stei­ger“ keh­ren meist reu­mü­tig zurück, wenn sie nicht irgend­wo verkommen.

Aber jeder von uns hat eine wich­ti­ge Auf­ga­be, die gera­de ihm zukommt: Was wären wir ohne unse­re Müt­ter und Väter, ohne den Metz­ger, den Bäcker an der Ecke, ohne die Nach­ba­rin, die uns freund­lich begrüßt, wenn wir sie im Auf­zug tref­fen? Erst wenn jemand abtritt, spü­ren wir die Lücke, die er hin­ter­lässt, doch kön­nen wir ihm nicht mehr „Dan­ke schön!“ sagen. Wir sind aber kei­ne „klei­nen Schrau­ben“, die man auch aus­wech­seln kann. Wir sind „Eben­bil­der Got­tes“, jeder ein­zel­ne auf sei­ne ganz­per­sön­li­che Wei­se: Das gilt auch für den alten, den kran­ken, den behin­der­ten Men­schen, für den Arbeits­lo­sen, den Aus­län­der, auch für unse­ren Riva­len. So hat jeder sei­nen ganz per­sön­li­chen unzer­stör­ba­ren Wert bei Gott.

Wei­te­re Sonn­tags­ge­dan­ken

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de

Infos zu Chri­sti­an Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/​Aisch
  • Stu­di­um der evang. Theo­lo­gie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vika­ri­at in Schorn­weiss­ach-Vesten­bergs­greuth 1993 – 1996
  • Pro­mo­ti­on zum Dr. theol. 1995
  • Ordi­na­ti­on zum ev. Pfar­rer 1996
  • Dienst in Nürnberg/​St. Johan­nis 1996 – 1999
  • seit­her in Neustadt/​Aisch
  • blind
  • nicht ver­hei­ra­tet