Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Rea­li­sti­sche Model­le erhö­hen Erfolgs­chan­cen von Schädeloperationen

Symbolbild Bildung

Auf­wän­di­ge chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe bei Kin­dern sind bereits erfolg­reich verlaufen

Das Wachs­tum des Gehirns wird bei man­chen Kin­dern dadurch gefähr­det, dass Schä­del­näh­te bereits in den ersten Lebens­mo­na­ten ver­knö­chern. Der Schä­del muss dann geöff­net und neu zusam­men­ge­fügt wer­den. Die Erfolgs­chan­cen eines der­art sen­si­blen Ein­griffs stei­gen, wenn Ärz­te die not­wen­di­ge Schä­del­kor­rek­tur an einem Modell erpro­ben kön­nen. Ein neu­es, an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth koor­di­nier­tes Ver­bund­pro­jekt soll die Kon­struk­ti­on und den 3D-Druck indi­vi­du­el­ler Rapid Pro­to­ty­p­ing-Schä­del­mo­del­le optimieren.

Für eine gesun­de Ent­wick­lung von Kin­dern ist es ent­schei­dend, dass ihre Schä­del­kno­chen dem Gehirn jeder­zeit genü­gend Platz für ein nor­ma­les gesun­des Wachs­tum bie­ten. Das Wachs­tum des Gehirns wird jedoch bei man­chen Kin­dern dadurch gefähr­det, dass Schä­del­näh­te vor­zei­tig – also bereits in den ersten Lebens­mo­na­ten – ver­knö­chern. Die­se so genann­ten Kra­ni­o­syn­o­sto­sen kön­nen bewir­ken, dass der Schä­del nicht aus­rei­chend fle­xi­bel ist, um dem sich ent­wickeln­den Gehirn aus­rei­chend Raum zu bie­ten. Der Schä­del muss dann in den ersten Lebens­mo­na­ten geöff­net und neu zusam­men­ge­fügt wer­den. Eine sol­che Ope­ra­ti­on ver­langt den chir­ur­gi­schen Teams ein hohes Maß an Sorg­falt und Prä­zi­si­on ab.

Enge Zusam­men­ar­beit von For­schung und chir­ur­gi­scher Praxis

Die Erfolgs­chan­cen eines der­art sen­si­blen Ein­griffs stei­gen, wenn Ärz­te die not­wen­di­ge Schä­del­kor­rek­tur an einem Modell erpro­ben kön­nen. Falls die­ses mit der Form des kind­li­chen Schä­dels exakt über­ein­stimmt und auch die glei­chen für die Ope­ra­ti­on rele­van­ten Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten auf­weist, kön­nen Ärz­te ver­schie­de­ne Ope­ra­ti­ons­ver­fah­ren rea­li­täts­nah testen. Zugleich kön­nen sie sich mit den indi­vi­du­el­len Beson­der­hei­ten des Schä­dels ver­traut machen, des­sen Wachs­tum kor­ri­giert wer­den soll. Hier setzt ein neu­es Ver­bund­pro­jekt an, das Dipl.-Biol. Dani­el Seitz an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth koor­di­niert. Es wird von der neu gegün­de­ten Fried­rich Baur Bio­Med Cen­ter GmbH unter Lei­tung von Dani­el Seitz und Prof. Dr. Ste­fan Schu­ster geför­dert, die ihrer­seits einen Koope­ra­ti­ons­ver­trag mit der Uni­ver­si­tät Bay­reuth geschlos­sen hat und von der Fried­rich Baur Stif­tung in Burg­kunst­adt För­der­mit­tel erhält. Das For­schungs­vor­ha­ben zielt dar­auf ab, opti­ma­le infor­ma­ti­ons- und steue­rungs­tech­ni­sche Vor­aus­set­zun­gen für die Her­stel­lung indi­vi­du­el­ler Schä­del­mo­del­le zu ent­wickeln, die eine rea­li­täts­na­he Vor­be­rei­tung anspruchs­vol­ler Ope­ra­tio­nen erlauben.

Part­ner in die­sem Pro­jekt sind PD Dr. Dr. Cami­lo Rol­dán, Mund-Kie­fer-Gesichts­chir­urg am Katho­li­schen Kin­der­kran­ken­haus Wil­helm­stift in Ham­burg, und PD Dr. med. Jan Gli­em­roth, Neu­ro­chir­urg am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Schles­wig-Hol­stein in Lübeck. Bei­de Ärz­te haben sich seit mehr als zehn Jah­ren einen Namen in der Kin­der­chir­ur­gie gemacht und umfang­rei­che Erfah­run­gen mit ope­ra­ti­ven Ein­grif­fen gesam­melt, die Fehl­bil­dun­gen von Schä­deln aus­glei­chen. Sie wen­den eta­blier­te Ver­fah­ren an, die immer in Bezug auf den aktu­el­len Fall ange­passt wer­den müs­sen und eine sorg­fäl­ti­ge Pla­nung erfor­dern. „Wir freu­en uns sehr, dass wir die­se nam­haf­ten Spe­zia­li­sten für eine enge Zusam­men­ar­beit gewin­nen konn­ten“, erklärt Dani­el Seitz, der das Pro­jekt in Koope­ra­ti­on mit der Fried­rich Baur-Stif­tung auf den Weg gebracht hat. „So kön­nen aktu­el­le Erfah­run­gen aus der chir­ur­gi­schen Pra­xis unmit­tel­bar in das Design der benö­tig­ten Schä­del­mo­del­le einfließen.“

Von der Com­pu­ter­to­mo­gra­phie bis zum 3D-Druck

Es ist ein kom­ple­xes High-Tech-Ver­fah­ren, das in Bay­reuth ange­wen­det wird. Damit eine mög­lichst exak­te ‚Kopie‘ eines fehl­ge­bil­de­ten kind­li­chen Schä­dels erstellt wer­den kann, müs­sen zunächst com­pu­ter­to­mo­gra­fi­sche Auf­nah­men ange­fer­tigt wer­den – mit einer für Klein­kin­der beson­ders nied­ri­gen Strah­len­be­la­stung. Die­se CT-Daten wer­den mit einer spe­zi­el­len Soft­ware so umge­wan­delt, dass sie am Rech­ner für die Kon­struk­ti­on eines drei­di­men­sio­na­len Schä­del­mo­dells genutzt wer­den kön­nen. Damit lie­gen aber noch längst nicht alle benö­tig­ten Daten vor: Eini­ge Kno­chen­re­gio­nen müs­sen in Rück­spra­che mit dem Arzt ergänzt wer­den, weil die Com­pu­ter­to­mo­gra­fie nicht alle Schä­del­par­tien mit der glei­chen Prä­zi­si­on abbil­det. Dar­über hin­aus muss wei­te­res bio­lo­gisch-medi­zi­ni­sches Wis­sen in die Model­lie­rung ein­flie­ßen. Denn auch das indi­vi­du­el­le Krank­heits­bild des Kin­des, sein Alter sowie die vor­aus­sicht­li­che Ent­wick­lung sei­ner Kno­chen sind bei der Kon­struk­ti­on eines Modells zu beach­ten, das sich für die Vor­be­rei­tung einer Ope­ra­ti­on eig­nen soll.

Wenn Dani­el Seitz zu dem Ergeb­nis kommt, dass alle rele­van­ten Daten mit der erfor­der­li­chen Prä­zi­si­on berück­sich­tigt wor­den sind, gibt er das Modell frei. Die Kon­struk­ti­ons­da­ten wer­den an ein Steue­rungs­pro­gramm über­mit­telt, das die Daten in klei­ne­re ‚Pake­te‘ auf­teilt und gleich­sam scheib­chen­wei­se an einen beson­de­ren 3D-Drucker schickt. Die­se Maschi­ne druckt in ein Pul­ver­bett, das aus einer beson­de­ren Gips­mi­schung besteht, und erstellt so eine 1:1‑Kopie der Schä­del­kno­chen des Pati­en­ten. „Wenn das Modell schließ­lich fer­tig ist, hat es eine ähn­li­che Kon­si­stenz und Far­be wie ech­ter Kno­chen – eine idea­le Grund­la­ge, um Ope­ra­tio­nen dar­an zu pla­nen und zu üben“, freut sich Dani­el Seitz.

Ope­ra­ti­ons­er­fol­ge ermu­ti­gen zu wei­te­rer For­schung und Entwicklung

Dr. Cami­lo Rol­dán in Ham­burg, der sich auf Schä­del- und Gesichts­fehl­bil­dun­gen spe­zia­li­siert hat, bestä­tigt die­se Ein­schät­zung: „Anhand der Model­le konn­ten wir auf­wän­di­ge Ope­ra­tio­nen schnel­ler und siche­rer durch­füh­ren und teil­wei­se sogar Ver­bes­se­run­gen in der Ope­ra­ti­ons­tech­nik erar­bei­ten.“ Mit­hil­fe von Schä­del­mo­del­len, an denen gesägt und geschnit­ten wer­den kann, kön­nen kom­pli­zier­te Ein­grif­fe gründ­li­cher vor­be­rei­tet und Ope­ra­ti­ons­ri­si­ken gesenkt wer­den. Hal­te­run­gen und neu­ar­ti­ge Osteo­syn­the­se­plat­ten, die bei der Kor­rek­tur von Schä­del­näh­ten ver­wen­det und nach der Hei­lung resor­biert wer­den sol­len, las­sen sich an den Model­len rea­li­täts­nah erpro­ben. In Koope­ra­ti­on mit den chir­ur­gi­schen Teams in Ham­burg und Lübeck will Dani­el Seitz die Tech­ni­ken und Mate­ria­li­en, die bei der Model­lie­rung und dem 3D-Druck der ‚Test-Schä­del‘ zum Ein­satz kom­men, wei­ter opti­mie­ren – mit dem Ziel, dass künf­tig eine grö­ße­re Zahl von Kli­ni­ken die Chan­cen nutzt, die sich für eine best­mög­li­che Vor­be­rei­tung von Schä­del­ope­ra­tio­nen bie­ten. Der Bay­reu­ther Bio­lo­ge lei­tet an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth eine Arbeits­grup­pe für rege­ne­ra­ti­ve Medi­zin, die am Lehr­stuhl für Tier­phy­sio­lo­gie ange­sie­delt ist und mit der Fried­rich Baur Bio­Med Cen­ter gGmbH eng zusammenarbeitet.