Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Wie Pflan­zen auf Blei als Schad­stoff reagieren

Symbolbild Bildung

Bay­reu­ther Pflan­zen­phy­sio­lo­gen ent­wickeln eine neue Unter­su­chungs­me­tho­de mit dem Ziel, den Blei­ge­halt in pflanz­li­chen Nah­rungs­mit­teln nach­hal­tig sen­ken zu können

Blei ist ein wei­ches, leicht zu ver­ar­bei­ten­des, aber hoch­gif­ti­ges Metall, das einen erheb­li­chen Anteil an der Schad­stoff­be­la­stung der Umwelt hat. Schon in gering­sten Men­gen kann es die Gesund­heit von Men­schen und Tie­ren ernst­haft beein­träch­ti­gen. Umso grö­ßer ist welt­weit das Inter­es­se dar­an, den Blei­ge­halt in pflanz­li­chen Nah­rungs­mit­teln erheb­lich zu sen­ken. Dies setzt aller­dings genaue Erkennt­nis­se dar­über vor­aus, wie Pflan­zen das in der Umwelt vor­han­de­ne Blei auf­neh­men und ein­la­gern. Mit einem neu­en Ver­fah­ren, das ein Team um Prof. Dr. Ste­phan Cle­mens an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­wickelt hat, sind dies­be­züg­li­che For­schungs­ar­bei­ten jetzt auch mit sehr gerin­gen Blei­kon­zen­tra­tio­nen mög­lich, wie sie in der Umwelt häu­fig anzu­tref­fen sind. Im Fach­jour­nal „Envi­ron­men­tal Sci­ence and Tech­no­lo­gy“ stellt die For­schungs­grup­pe die­ses Ver­fah­ren vor und berich­tet über neue Ein­blicke in den Umgang von Pflan­zen mit Blei-Ionen als Schadstoffen.

Simu­la­tio­nen äußerst gerin­ger Blei­kon­zen­tra­tio­nen im Labor

Blei kommt in der Umwelt haupt­säch­lich als Teil anor­ga­ni­scher Ver­bin­dun­gen vor. Sofern es sich dabei um Blei­sal­ze han­delt, die im Was­ser gelöst wer­den, gelangt es über die Wur­zeln in die Blät­ter von Pflan­zen. Die Blei­men­gen, wel­che die Pflan­zen auf die­se Wei­se absor­bie­ren, sind umso grö­ßer, je nied­ri­ger der pH-Wert in den Böden ist. In der For­schung ist man sich dar­über einig, dass Blei auch dann in Pflan­zen gerät, wenn Böden nur sehr gerin­ge Blei­kon­zen­tra­tio­nen – klei­ner als 1 Mikro­mol pro Liter – ent­hal­ten. Bereits die­se win­zi­gen Spu­ren von Blei haben eine gif­ti­ge Wir­kung. Damit nun die Blei­ab­sorp­ti­on von Pflan­zen und ihre Fol­gen für die Umwelt zuver­läs­sig bestimmt wer­den kön­nen, müs­sen die Labor­be­din­gun­gen mög­lichst rea­li­täts­nah sein. Den Pflan­zen soll­ten also auch im Labor nur äußerst gerin­ge Blei­men­gen zuge­führt wer­den. Hier­für stand jedoch der For­schung bis­her kein geeig­ne­tes Ver­fah­ren zur Ver­fü­gung, da Blei in den mei­sten Nähr­flüs­sig­kei­ten sehr schlecht lös­lich ist. Des­halb wur­den oft tau­send­fach erhöh­te Kon­zen­tra­tio­nen ver­wen­det; ohne Rück­sicht dar­auf, ob das Blei von den Pflan­zen tat­säch­lich absor­biert wer­den kann.

Die­se Schwie­rig­keit hat die For­schungs­grup­pe um Prof. Cle­mens jetzt über­win­den kön­nen. Erst­mals ist es gelun­gen, für Labor­un­ter­su­chun­gen eine Nähr­flüs­sig­keit zu ent­wickeln, die eine Blei­kon­zen­tra­ti­on von weni­ger als 1 Mikro­mol pro Liter hat, daher rea­len Boden­ver­hält­nis­sen ent­spricht und das Blei in bio­ver­füg­ba­rer Form ent­hält. Ein gerin­ger Phos­phat­ge­halt (weni­ger als 10 Mikro­mol pro Liter) und ein nied­ri­ger pH-Wert (5.0) bewir­ken, dass das Blei in die­sem Medi­um voll­stän­dig gelöst ist und von den Pflan­zen auf­ge­nom­men wer­den kann. Für die Expe­ri­men­te wur­den dabei Pflan­zen der Spe­zi­es Ara­bi­d­op­sis tha­lia­na ver­wen­det, die auch unter dem Namen „Scho­ten­kres­se“ bekannt ist. Sie kommt als Modell­sy­stem beson­ders häu­fig bei pflan­zen­phy­sio­lo­gi­schen For­schungs­ar­bei­ten zum Einsatz.

Ver­glei­chen­de Unter­su­chun­gen mit Mutanten

Wie reagie­ren Pflan­zen auf Blei, das sie über ihre Wur­zeln auf­neh­men? Um dar­über genaue­re Erkennt­nis­se zu gewin­nen, hat sich das Bay­reu­ther For­schungs­team mit der Phy­to­chela­tin-Syn­the­se näher befasst. Die­ser Pro­zess wird durch Metall-Ionen in der Nähr­flüs­sig­keit, ins­be­son­de­re auch durch Blei-Ionen, aus­ge­löst. Er führt zur Her­stel­lung spe­zi­el­ler Pep­ti­de, die wesent­lich zur Ent­gif­tung der Pflan­ze bei­tra­gen. Denn die­se Pep­ti­de sind in der Lage, die in die Pflan­ze gelang­ten Blei­sal­ze gleich­sam ein­zu­fan­gen. Sie trans­por­tie­ren die Blei­sal­ze ab und lagern sie in den Vakuo­len ein. Hier­bei han­delt es sich um Spei­cher­plät­ze im Zell­in­ne­ren, wo das Blei für den Orga­nis­mus der Pflan­zen nur wenig Scha­den anrich­ten kann.

Die­se natür­li­che Ent­gif­tung ist, wie sich bei Expe­ri­men­ten in den Bay­reu­ther Labo­ra­to­ri­en her­aus­ge­stellt hat, bei eini­gen gene­ti­schen Varia­tio­nen der Scho­ten­kres­se erheb­lich gestört. Es wer­den in die­sen Mutan­ten viel zu weni­ge Pep­ti­de gebil­det, die das Blei inner­halb des pflanz­li­chen Orga­nis­mus ent­sor­gen könn­ten. Folg­lich kann das Blei sei­ne toxi­sche Wir­kung frei ent­fal­ten. Es hemmt ins­be­son­de­re das Wur­zel­wachs­tum der Pflan­zen. So konn­ten die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler erst­mals nach­wei­sen, dass die Syn­the­se von Phy­to­chela­ti­nen eine zen­tra­le Bedeu­tung für die ‚Tole­ranz‘ der Pflan­zen gegen­über Blei hat.

„Die­se For­schungs­er­geb­nis­se, die wir unter rea­li­täts­nä­he­ren Labor­be­din­gun­gen erzielt haben, lie­fern sehr inter­es­san­te Anhalts­punk­te dafür, wie Pflan­zen auf Blei als Schad­stoff in der Umwelt reagie­ren“, erklärt Prof. Cle­mens. „Wir wol­len die­se Unter­su­chun­gen wei­ter fort­set­zen, um noch tie­fer in die­se Pro­zes­se vor­zu­drin­gen und bes­ser zu ver­ste­hen, wie sich das durch mensch­li­che Akti­vi­tä­ten frei­ge­setz­te Blei in den Nah­rungs­ket­ten der Natur ver­brei­tet. Auf die­ser Grund­la­ge kön­nen dann im Bereich der Land­wirt­schaft oder der Umwelt­po­li­tik hof­fent­lich auch Maß­nah­men ent­wickelt wer­den, die geeig­net sind, den Blei­ge­halt ins­be­son­de­re in pflanz­li­chen Nah­rungs­mit­teln deut­lich zu reduzieren.“

Ver­öf­fent­li­chung:

Sina Fischer, Tan­ja Kuehn­lenz, Micha­el Thie­me, Hol­ger Schmidt, and Ste­phan Clemens,
Ana­ly­sis of plant Pb tole­rance at rea­li­stic sub­mi­cro­mo­lar con­cen­tra­ti­ons demon­stra­tes the role of phy­to­chela­tin syn­the­sis for Pb detoxification,

in: Envi­ron­men­tal Sci­ence & Tech­no­lo­gy (2014), Publi­ca­ti­on Date (Web): 28 May 2014,
DOI: 10.1021/es405234p