Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Wie ein Pilz dem Toten Meer trotzt

Symbolbild Bildung

Der Schim­mel­pilz Euro­ti­um rubrum ist nicht nur imstan­de, die hohen Salz­kon­zen­tra­tio­nen im Toten Meer zu über­le­ben, son­dern passt sich aktiv an sei­ne lebens­feind­li­che Umwelt an. Bio­lo­gen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben jetzt gemein­sam mit For­schungs­ein­rich­tun­gen in Hai­fa (Isra­el) und Wal­nut Creek (USA) die Gene iden­ti­fi­ziert, die von beson­de­rer Bedeu­tung sind, wenn die­se Pilz­art in Salz­la­ke lebt und sich dort sogar ver­mehrt. Erst­ma­lig ist dabei das Tran­skriptom, also die Gesamt­heit der von DNA in RNA umge­schrie­be­nen Gene, eines euka­ry­o­ti­schen Lebe­we­sens aus dem Toten Meer ana­ly­siert wor­den. Über die Ergeb­nis­se berich­tet das For­schungs­team im Wis­sen­schafts­ma­ga­zin „Natu­re Communications“.

Dr. Alfons Weig und Prof. Dr. Ger­hard Ram­bold aus dem Labor für DNA-Ana­ly­tik und der Arbeits­grup­pe für Myko­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben zusam­men mit ihren For­schungs­part­nern in Isra­el und den USA ana­ly­siert, wel­che Gene dem Schim­mel­pilz Euro­ti­um rubrum dabei hel­fen, dem Über­fluss an Salz zu trot­zen. Es han­delt sich dabei vor allem um Trans­port- oder Zell­wand-modi­fi­zie­ren­de Pro­te­ine. Zudem besit­zen vie­le Pro­te­ine die­ses Pil­zes einen deut­lich erhöh­ten Anteil nega­tiv gela­de­ner Ami­no­säu­ren, so dass sie auch bei hohen Salz­kon­zen­tra­tio­nen funk­ti­ons­tüch­tig blei­ben. „Unse­re neu­en Erkennt­nis­se sind nicht nur auf­schluss­reich im Hin­blick auf die Lei­stungs­fä­hig­keit von Orga­nis­men, die sich in einer extre­men Umwelt behaup­ten. Sie ent­hal­ten auch wert­vol­le Hin­wei­se, nach wel­chen Merk­ma­len man in Nutz­pflan­zen suchen soll­te, wenn man die salz­re­si­sten­ten Arten iden­ti­fi­zie­ren will“, erklärt Dr. Weig.

Der Pilz Euro­ti­um rubrum hat schon seit län­ge­rer Zeit die Auf­merk­sam­keit der For­scher auf sich gezo­gen, weil er im Toten Meer über­le­ben kann. Die­ses Bin­nen­ge­wäs­ser ent­hält nicht nur 10mal so viel Salz wie Meer­was­ser, son­dern auch sehr viel mehr Magne­si­um- und Kal­zi­um-Ionen als ande­re Salz­seen oder als das Meer­was­ser. Der Pilz Euro­ti­um rubrum hat sich in viel­fäl­ti­ger Wei­se an das Leben in die­ser Salz­la­ke ange­passt – so sehr, dass er im Süß­was­ser gar nicht mehr leben kann. Sein lang­sa­mes Wachs­tum im Toten Meer könn­te den Anschein erwecken, dass er dort nur pas­siv über­dau­ert. Doch wie das inter­na­tio­na­le For­schungs­team erst­mals zei­gen konn­te, hat der Pilz eini­ge gene­ti­sche und phy­sio­lo­gi­sche Anpas­sun­gen ent­wickelt, um den lebens­feind­li­chen Salz­über­schuss im Toten Meer aktiv zu bewältigen.

Im Rah­men die­ser Unter­su­chun­gen wur­de zunächst das kom­plet­te Genom des Pil­zes am Joint Geno­me Insti­tu­te in Wal­nut Creek (USA) ent­schlüs­selt. Die Bay­reu­ther Bio­lo­gen ana­ly­sier­ten die Genom­da­ten, die ihnen noch vor deren Ver­öf­fent­li­chung über­mit­telt wor­den waren. Mit­hil­fe von Micro­ar­rays, wel­che die zeit­glei­che Ana­ly­se der akti­ven Gene eines Orga­nis­mus ermög­li­chen, konn­ten sie her­aus­fin­den, wel­che der ins­ge­samt 10.076 Gene des Pil­zes dau­er­haft aktiv sind und wel­che ihn wider­stands­fä­hig gegen hohe Salz­ge­hal­te machen.

Bei hohen Salz­kon­zen­tra­tio­nen bil­det der Pilz vor allem sol­che Trans­port­pro­te­ine, die dafür sor­gen, dass Ionen, Sal­ze und gela­de­ne orga­ni­sche Säu­ren durch die Zell­mem­bra­nen hin­durch­ge­schleust wer­den. Dar­über hin­aus ent­ste­hen Pro­te­ine, die die Zusam­men­set­zung der Zell­wand ver­än­dern. „Die­se Mecha­nis­men tra­gen ver­mut­lich dazu bei, ein ‚Aus­trock­nen‘ der Zel­len durch den extrem hohen Salz­ge­halt außer­halb der Zel­len zu ver­hin­dern“, erläu­tert Dr. Weig. „Die­ser Pro­zess der Salz­trock­nung ist übri­gens für die Halt­bar­ma­chung von Lebens­mit­teln seit lan­gem bekannt. Er wird beim Pökeln von Fleisch genutzt, um das Wachs­tum von Mikro­or­ga­nis­men zu verhindern.“

Das For­schungs­team in Bay­reuth, Isra­el und den USA hat dar­über hin­aus noch wei­te­re Mecha­nis­men ent­deckt, die dem Pilz eine hohe Wider­stands­fä­hig­keit ver­lei­hen. Im Ver­gleich zu nahe ver­wand­ten, aber nicht salz­to­le­ran­ten Arten besitzt der Pilz beson­ders vie­le Gene, die dafür bekannt sind, dass sie in Stress­si­tua­tio­nen eine Rol­le spie­len kön­nen – wie bei­spiels­wei­se die soge­nann­ten „stress-respon­si­ve A/​B‑barrel pro­te­ins“. Zudem ist bei die­sen Pil­zen der Anteil nega­tiv gela­de­ner Ami­no­säu­ren in vie­len Pro­te­inen signi­fi­kant erhöht. In die­sen struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen ver­mu­ten die Autorin­nen und Autoren des „Natu­re Communication“-Beitrags eine Ursa­che dafür, dass die Ami­no­säu­ren selbst bei hohen Salz­kon­zen­tra­tio­nen funk­ti­ons­tüch­tig blei­ben. Der Pilz erträgt also nicht nur das salz­hal­ti­ge Was­ser des Toten Mee­res, son­dern er reagiert aktiv auf sei­ne Umwelt und bewäl­tigt die­se Extrem­be­din­gun­gen durch geziel­te Anpassung.

Ver­öf­fent­li­chung:

Tamar Kis-Papo, Alfons R. Weig, Robert Riley, Derek Peršoh, Asaf Sala­mov, Hui Sun, Anna Lip­zen, Solo­mon P. Was­ser, Ger­hard Ram­bold, Igor V. Gri­go­riev and Evia­tar Nevo,

Geno­mic adap­t­ati­ons of the halo­phi­lic Dead Sea fila­men­tous fun­gus Euro­ti­um rubrum.

Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons 5, 2014; Published 09 May 2014

DOI: 10.1038/ncomms4745