Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Gerät der Pro­fi­fuß­ball aus den Fugen?

Symbolbild Bildung

Im Rück­blick auf die Sai­son 2013/14 for­dert der Bay­reu­ther Sport­öko­nom Mar­kus Kur­scheidt die Stär­kung schwa­cher Ver­ei­ne und eine ver­än­der­te Hal­tung gegen­über den Fans

An die­sem Wochen­en­de endet die Bun­des­li­ga-Sai­son 2013/14. Schon vor weni­gen Wochen stand der FC Bay­ern Mün­chen als Deut­scher Mei­ster fest. Im Rück­blick nimmt Prof. Dr. Mar­kus Kur­scheidt, Inha­ber des Lehr­stuhls Sport­wis­sen­schaft II der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, Stel­lung zu eini­gen viel­dis­ku­tier­ten Aspek­ten im deut­schen Profifußball.

Es sei längst zum All­ge­mein­platz gewor­den, so der Wis­sen­schaft­ler, dass der Spit­zen­fuß­ball ein Geschäft sei und die Spie­ler aus­ge­buff­te „Mil­lio­na­ri­os“. Es sei halt so, wie die Trai­ner-Legen­de Otto Reh­ha­gel for­mu­liert habe: „Geld schießt Tore!“

„Ist nicht die aktu­el­le Bun­des­li­ga­sai­son wie­der Beweis genug dafür? Bereits sie­ben Spiel­ta­ge vor Schluss hol­te Bay­ern Mün­chen unge­schla­gen mit unglaub­li­chen 25 Punk­ten und 36 Toren Vor­sprung auf den Zwei­ten Borus­sia Dort­mund sei­nen 24. Titel“, erläu­tert Prof. Dr. Mar­kus Kur­scheidt. Trotz der schwä­che­ren Auf­trit­te danach und dem Aus­schei­den der Ober­bay­ern aus der Cham­pi­ons League mache sich Fuß­ball­deutsch­land Sor­gen um die Zukunft des sport­li­chen Wett­be­werbs in der Spit­zen­li­ga. Nicht ohne Grund, sei doch der Rekord­mei­ster in die Sai­son gestar­tet mit einem zehn­mal grö­ße­ren Spie­ler­etat gegen­über dem ärm­sten Klub Ein­tracht Braun­schweig und immer noch fast dop­pelt so hohem Bud­get wie Schal­ke 04 mit der zweit­teu­er­sten Mannschaft.

Aus­ein­an­der­drif­ten der wirt­schaft­li­chen Mög­lich­kei­ten der Pro­fi­klubs stoppen

„Geeig­ne­tes Han­deln gegen ein unge­zü­gel­tes Aus­ein­an­der­drif­ten der wirt­schaft­li­chen Mög­lich­kei­ten der Pro­fi­klubs ist aus Wett­be­werbs­grün­den gebo­ten“, for­dert Prof. Dr. Mar­kus Kur­scheidt. Schon jetzt sei der FC Bay­ern der­art domi­nant. „Das könn­te für die Bun­des­li­ga in abseh­ba­rer Zeit zu einer Zer­reiß­pro­be wer­den“, befürch­tet der Pro­fes­sor für Sport Gover­nan­ce und Event­ma­nage­ment des Bay­reu­ther Insti­tuts für Sport­wis­sen­schaft. Denn in weni­gen Jah­ren wer­de der Bran­chen­pri­mus auch sein Sta­di­on abbe­zahlt haben und kön­ne dann das frei gewor­de­ne Geld zusätz­lich in die Mann­schaft stecken. Das Ergeb­nis könn­te sein, so Prof. Kur­scheidt, dass die Münch­ner bald drei- oder vier­mal soviel Bud­get für Spie­ler zur Ver­fü­gung hät­ten wie ihre unmit­tel­ba­ren Ver­fol­ger in der Liga.

„Wir hat­ten schon in die­ser Spiel­zeit zwei Ligen in einer – die Bay­ern und der deut­lich ärme­re Rest“, führt der Bay­reu­ther Sport­öko­nom wei­ter aus. Kla­re Maß­nah­men zum zukünf­ti­gen Umgang mit der Situa­ti­on sei­tens der Deut­schen Fuß­ball-Liga DFL sei­en kaum erkenn­bar. Es sei­en eher die Län­der und Städ­te, die den wirt­schaft­lich schwä­che­ren Klubs unter die Arme grif­fen. „Ohne die Unter­stüt­zung der öffent­li­chen Hand wären die moder­nen Sta­di­en bis run­ter in die drit­te Liga nicht finan­zier­bar. Sie sind der Basis­fak­tor“, erläu­tert der Wis­sen­schaft­ler, „der den Pro­fi­fuß­ball zu dem heu­ti­gen Hoch­glanz­pro­dukt gemacht hat. Zuletzt haben die­se Bau­pro­jek­te aber auch Tra­di­ti­ons­ver­ei­ne wie Ale­man­nia Aachen oder Armi­nia Bie­le­feld in finan­zi­el­le Schief­la­ge gebracht.“

Die posi­ti­ve Sei­te der Stär­ke des FC Bay­ern sei dage­gen die inter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Bun­des­li­ga. So habe der deut­sche Pro­fi­fuß­ball seit 2007 in der Fünf­jah­res­wer­tung der UEFA gegen den Trend der ande­ren euro­päi­schen Top-Ligen mäch­tig auf­ge­holt. „Sym­bol­träch­tig dafür war das rein deut­sche Cham­pi­ons League-Fina­le im letz­ten Jahr, aus­ge­rech­net in Lon­don. Hin­ter der eng­li­schen Pre­mier League mit gut 3 Mil­li­ar­den Euro Umsatz liegt nun die Bun­des­li­ga mit Ein­nah­men von fast 2,2 Mil­li­ar­den Euro an zwei­ter Stel­le in Euro­pa. Als Dau­er­gast im euro­päi­schen Ober­haus ver­hilft der Rekord­mei­ster somit der gesam­ten Liga zu einer bes­se­ren Posi­ti­on“, schätzt der Wis­sen­schaft­ler ein.

Prof. Dr. Mar­kus Kur­scheidt sieht den inter­na­tio­na­len Auf­schwung auch als einen Erfolg des restrik­ti­ven Ansat­zes der Bun­des­li­ga. Die 50-plus-1-Regel siche­re etwa die Mehr­heit des ein­ge­tra­ge­nen Stamm­ver­eins an den Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten der Klubs. Dies schrecke all­zu wage­mu­ti­ge und mit­un­ter unse­riö­se Inve­sto­ren ab. Auch habe die deut­sche Spit­zen­li­ga seit Jahr­zehn­ten das streng­ste Lizen­sie­rungs-ver­fah­ren, was das chro­nisch risi­ko­rei­che Finanz­ge­ba­ren der Klubs in Gren­zen hal­te. Dies set­ze Anrei­ze für ein effi­zi­en­tes Klub­ma­nage­ment. Das mache sich auch im moder­nen und attrak­ti­ven Fuß­ball der oft recht jun­gen Teams bemerkbar.

Debat­te zur Fan­ge­walt gehe an der Rea­li­tät vorbei

Kri­tisch bewer­tet der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler die Hal­tung und das Han­deln gegen­über Fan­grup­pie­run­gen, wie den soge­nann­ten Ultras: „Die Debat­te um die Gewalt von Fuß­ball­fans in den letz­ten zwei Jah­ren war völ­lig über­zo­gen und ver­fehlt.“ In Polit­talks und Schlag­zei­len wer­de die Situa­ti­on unver­ant­wort­lich dra­ma­ti­siert, was die pro­ble­ma­ti­sche Kli­en­tel unter den Fans eher pro­vo­zie­re als zu einer Beru­hi­gung der Lage bei­tra­ge. „Dafür, dass jedes Wochen­en­de gut eine hal­be Mil­li­on Men­schen in die Sta­di­en der bei­den Bun­des­li­gen strö­men, pas­siert sogar ver­hält­nis­mä­ßig wenig über die gesam­te Sai­son gese­hen“, stellt der Exper­te heraus.

Dass Geld nicht immer Tore schie­ße, bewei­se auch wie­der die­se Sai­son. Der FC Augs­burg habe es mit dem dritt­klein­sten Spie­ler­etat bis in den Kampf um die inter­na­tio­na­len Plät­ze geschafft, wäh­rend der wirt­schafts­star­ke Ham­bur­ger SV im Abstiegs­kampf um sei­nen Sta­tus als „Bun­des­li­ga-Dino“ fürch­ten müs­se. „Eine gute Ver­eins­füh­rung, Mann­schafts­geist und lei­den­schaft­li­che Fans kön­nen eben doch ein paar Mil­lio­nen Euro wett­ma­chen“, resü­miert Prof. Dr. Mar­kus Kurscheidt.