Mahn-Ver­an­stal­tung am Tscher­no­byl-Denk­mal in Bamberg

Tscher­no­byl; wer denkt schon noch daran?

Foto: Andreas Irmisch (VIKU e. V.)

Foto: Andre­as Irmisch (VIKU e. V.)

Vie­le haben den Tag ver­ges­sen, an dem in Tscher­no­byl die Atom­ka­ta­stro­phe begann, die heu­te noch fort­dau­ert, aber eine gan­ze Men­ge Atom­geg­ner sind der Ein­la­dung doch gefolgt. Karin Zieg vom Ver­ein für Intel­li­gen­den Kli­ma- und Umwelt­schutz, kurz VIKU e. V., begrüßt die Gäste bei der Gedenk­ver­an­stal­tung am Denk­mal für Tscher­no­byl, der Schild­krö­te, die auf dem Rücken liegt, am Reg­nit­zu­fer in Bamberg.

Nan­ne Wienands, die gemein­sam mit ihrem Mann die­ses Denk­mal initi­iert und orga­ni­siert hat, spricht über das Bekannt­wer­den der Kata­stro­phe, indem sie von einer ukrai­ni­schen Ärz­tin berich­tet. Dr. Sofia Ber­joz­ki­no­va dis­ku­tier­te vor ca. fünf Wochen in Bud­weis mit Stu­den­ten der Päd­ago­gi­schen Fakul­tät. War­um in Bud­weis? Unweit von die­ser Stadt liegt das tsche­chi­sche Atom­kraft­werk Teme­lin. Zur baye­ri­schen Gren­ze sind es nur 60 Kilo­me­ter. Die Erin­ne­run­gen an ihre Auf­ga­ben im April 1986 sind bela­stend. „Unzäh­li­ge Kin­der muss­ten auf ihre Strah­len­be­la­stung hin unter­sucht wer­den. Kin­der, die über drei Jah­re alt waren, wur­den ohne ihre Eltern eva­ku­iert. Die Strah­len­fol­gen wur­den her­un­ter­ge­spielt, Infor­ma­tio­nen wur­den geheim gehal­ten,“ zitiert Nan­ne Wienands die Ärz­tin. “ Die Bedeu­tung der Situa­ti­on haben wir erst begrif­fen, als am zwei­ten Tag Mili­tär­ärz­te aus Mos­kau gekom­men sind. Sie hat­ten Strah­len-Mess­ge­rä­te dabei und Atem­mas­ken auf dem Gesicht,“ so lau­tet der Bericht von Dr. Berjozkinova.

„Nie­mand dach­te damals, dass ein sol­ches Unglück sich wie­der­ho­len könn­te, aber dann geschah das Desa­ster in Fuku­shi­ma. Heu­te wird dort ton­nen­wei­se strah­len­des Was­ser ins Meer abge­las­sen, obwohl die Wis­sen­schaft­ler davor war­nen,“ mein­te Wienands; und sie wies dar­auf hin, dass in Euro­pa zahl­lo­se Schrott­re­ak­to­ren, die zum Teil älter als vier­zig Jah­re sind, gro­ße Pro­ble­me nahe­zu ver­spre­chen. Hin­k­ley Point in Süd-Eng­land, Teme­lin und Duko­va­ny in Tsche­chi­en, Gra­fen­rhein­feld hier ums Eck, Pyhä­jo­ki in Finn­land, Paks in Ungarn oder Cer­na­vo­da in Rumä­ni­en auf erd­be­ben­ge­fähr­de­tem Gebiet, Schwe­den und die Schweiz mit fast 40 % Atom­strom, AKW‚s in der Slo­wa­kei und Slo­we­ni­en zählt sie auf und erläu­tert kurz die Situa­ti­on in Frank­reich, wo aktu­ell 75 % der elek­tri­schen Ener­gie aus Atom­kraft gewon­nen wird, und das Kraft­werk Fes­sen­heim an der Gren­ze zu Deutsch­land wegen diver­sen Zwi­schen­fäl­len abge­schal­tet ist. Hart geht sie mit den Strom­rie­sen ins Gericht: „Die Herr­schaf­ten der bis­he­ri­gen Geld­druck­ma­schi­nen müs­sen fle­xi­bel wer­den und sich uns anpas­sen. Und wir wer­den sehen, wer den län­ge­ren Atem hat! Wir haben die Chan­ce, die Ener­gie­wen­de ohne Rück­sicht auf die Gewinn­ge­wohn­hei­ten der gro­ßen Strom­erzeu­ger durch­zu­set­zen. Über­all, jeder an sei­nem Wohn­ort, an sei­nem Arbeits­platz, jeder kann sich dafür ein­set­zen, indem er eine kla­re Mei­nung zur Atom­kraft ver­tritt, und zwar öffent­lich ver­tritt! Wenn jede Regi­on, jede Gebiets­kör­per­schaft, jeder Indu­strie­be­trieb sich unab­hän­gig macht von irgend­wie gear­te­ten Strom­lie­fe­run­gen, dann brau­chen wir kei­ne neu­en gro­ßen Kraft­wer­ke und kei­ne Über­land­strom­tras­sen, weder alte noch neue, “ so Wienands.

Nach einer Schwei­ge­mi­nu­te für die Opfer von Tscher­no­byl ruft Karin Zieg auf, Ein­wen­dun­gen gegen das fin­ni­sche Atom­kraft­werk Pyhä­jo­ki zu unter­zeich­nen und sie weist auf die kom­men­den Ver­an­stal­tun­gen von VIKU hin, die auch unter www​.viku​.info im Inter­net zu fin­den sind.

„Wir wer­den hier an jedem 26. April ste­hen, bis das letz­te Atom­kraft­werk abge­schal­tet ist. Tscher­no­byl darf nicht ver­ges­sen wer­den – Tscher­no­byl ist über­all,“ ver­spricht sie.

Übri­gens: der Hart­näckig­keit euro­päi­scher Atom­kraft­geg­ner ist es zu ver­dan­ken, dass Tsche­chi­en auf einen Aus­bau Teme­lins verzichtet.