Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Tech­no­lo­gi­sche Inno­va­tio­nen durch Spin­nen­sei­de – DECHE­MA-Preis 2013 für Prof. Tho­mas Scheibel

Symbolbild Bildung

Für sei­ne bahn­bre­chen­den For­schungs­ar­bei­ten zur bio­tech­no­lo­gi­schen Her­stel­lung und Cha­rak­te­ri­sie­rung von Spin­nen­sei­den-Pro­te­inen erhält Prof. Dr. Tho­mas Schei­bel, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl Bio­ma­te­ria­li­en lei­tet, den dies­jäh­ri­gen DECHE­MA-Preis der Max-Buch­ner-Stif­tung. Am 29. Novem­ber 2013 wird er die Aus­zeich­nung im Rah­men eines Fest­kol­lo­qui­ums im DECHE­MA-Haus in Frank­furt am Main ent­ge­gen­neh­men. Mit dem seit 1951 jähr­lich ver­ge­be­nen Preis wer­den ins­be­son­de­re jün­ge­re Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler für her­aus­ra­gen­de For­schungs­lei­stun­gen auf den Gebie­ten der Tech­ni­schen Che­mie, Ver­fah­rens­tech­nik, Bio­tech­no­lo­gie und Che­mi­schen Appa­ra­te­tech­nik gewürdigt.

Ein Haupt­kri­te­ri­um für die Aus­wahl der Preis­trä­ger ist eine enge Ver­flech­tung von For­schung und prak­ti­scher Anwen­dung – und gera­de hier­für sind die Arbei­ten von Prof. Dr. Tho­mas Schei­bel, der sich auf die Erfor­schung bio­ge­ner Mate­ria­li­en spe­zia­li­siert hat, ein
erfolg­rei­ches Bei­spiel. Die welt­weit rund 42.000 bekann­ten Spin­nen­ar­ten pro­du­zie­ren Sei­den­fä­den für Spin­nen­net­ze, aber auch für Kokons und Kleb­stof­fe. In allen Fäl­len sind die Sei­den­fä­den dün­ner als mensch­li­che Haa­re, ihr Durch­mes­ser liegt meist zwi­schen 1 und 5 Mikro­me­ter. Spin­nen­sei­de ist dabei fünf­mal so reiß­fest wie Stahl, aber besitzt den­noch eine Ela­sti­zi­tät wie Gum­mi. Daher sind die Pro­te­ine der Spin­nen­sei­de ein hoch­at­trak­ti­ves Mate­ri­al für eine Viel­zahl tech­no­lo­gi­scher Anwen­dun­gen. Die Pro­te­ine las­sen sich bei­spiels­wei­se in Nano­fa­sern über­füh­ren, die zu Vlies­stof­fen für die Staubfilterung
und Luft­rein­hal­tung wei­ter­ver­ar­bei­tet wer­den kön­nen. Des Wei­te­ren sind Pro­te­ine der Spin­nen­sei­de ein Roh­stoff für extrem dün­ne Fil­me, die als Ober­flä­chen­be­schich­tun­gen oder als Ver­packungs­ma­te­ri­al zum Ein­satz kom­men. Gieß- oder Sprüh­ver­fah­ren erzeu­gen aus Sei­den­pro­te­inen extrem dün­ne und den­noch sehr wider­stands­fä­hi­ge Foli­en, die her­kömm­li­chen Foli­en aus Kunst­stoff hin­sicht­lich ihrer Luft- und Was­ser­durch­läs­sig­keit über­le­gen sind.

Für die phar­ma­zeu­ti­sche Indu­strie und die Medi­zin­tech­nik wie­der­um sind Kap­seln inter­es­sant, in denen Enzy­me ein­ge­schlos­sen wer­den kön­nen. Erst vor kur­zem ist einer For­schungs­grup­pe um Prof. Schei­bel erst­mals die Her­stel­lung von Kap­seln gelun­gen, die zwei Funk­tio­nen gleich­zei­tig erfül­len: Sie schüt­zen die ein­ge­schlos­se­nen Enzy­me vor der Zer­set­zung und erlau­ben es zugleich, deren Akti­vi­tät von außen zu steu­ern und zu beob­ach­ten. Dar­aus erge­ben sich völ­lig neue Mög­lich­kei­ten für die medi­zi­ni­sche Diagnostik.

Im März 2013 wur­de auf einer Pres­se­kon­fe­renz in Mün­chen bekannt gege­ben, dass es erst­mals gelun­gen ist, aus bio­tech­no­lo­gisch erzeug­ten Pro­te­inen künst­li­che Spin­nen­sei­den-Fasern her­zu­stel­len, wel­che die glei­chen mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten wie natür­li­che Spin­nen­sei­de haben. Die künst­li­che Spin­nen­sei­de trägt den mar­ken­recht­lich geschütz­ten Namen „Bio­steel“. Sie ist ein Pro­dukt der von Prof. Schei­bel mit­ge­grün­de­ten Fir­ma AMSilk mit Sitz in Planegg/​Martinsried und beruht wesent­lich auf For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten von Prof. Schei­bel und sei­nen Mit­ar­bei­tern am Lehr­stuhl Bio­ma­te­ria­li­en der Uni­ver­si­tät Bayreuth.
„Durch das her­vor­ra­gen­de For­schungs­um­feld an der Inge­nieur­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, mit einer engen Anbin­dung an die Natur­wis­sen­schaf­ten – beson­ders in den Pro­fil­fel­dern Mole­ku­la­re Bio­wis­sen­schaf­ten, Poly­mer- und Kol­loid­for­schung sowie Neue Mate­ria­li­en – wird die Grund­la­ge geschaf­fen, wis­sen­schaft­li­che Fra­gen mit­tels mul­ti­dis­zi­pli­nä­rer Ansät­ze zu ver­fol­gen. Dies war eine Grund­vor­aus­set­zung für den Erfolg der letz­ten Jah­re“, erklärt Prof. Scheibel.

Zur Per­son:

Tho­mas Schei­bel wur­de 1969 in Regens­burg gebo­ren. Nach dem Abitur stu­dier­te er Bio­che­mie an der Uni­ver­si­tät Regens­burg, wo er 1998 mit einer Arbeit zur Struk­tur-Funk­ti­ons-Bezie­hung von Hsp90 aus S. cere­vi­siae pro­mo­vier­te. Es folg­te ein drei­jäh­ri­ges Post­dok­to­rat an der Uni­ver­si­ty of Chicago/​USA. Von 2001 bis 2007 war er als Arbeits­grup­pen­lei­ter am Lehr­stuhl für Bio­tech­no­lo­gie der TU Mün­chen (Prof. Dr. Johan­nes Buch­ner) tätig. The­ma der 2007 abge­schlos­se­nen Habi­li­ta­ti­on waren „Con­for­ma­tio­nal chan­ges and self-assem­bly of pro­te­ins“. Im Novem­ber 2007 über­nahm Prof. Dr. Tho­mas Schei­bel die Lei­tung des neu ein­ge­rich­te­ten Lehr­stuhls Bio­ma­te­ria­li­en an der inge­nieur­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Er gehört dem Edi­to­ri­al Board ver­schie­de­ner Zeit­schrif­ten an und ist Spre­cher des Fach­aus­schus­ses „Bio­in­spi­rier­te Mate­ria­li­en und Bio­nik“ der Deut­schen Gesell­schaft für Mate­ri­al­kun­de (DGM). Prof. Schei­bel wur­de u.a. mit dem Karl-Heinz-Beck­urts-Preis (2008) und der Heinz Mai­er-Leib­nitz-Medail­le (2007) aus­ge­zeich­net; 2007 war er Sie­ger im bun­des­wei­ten Ideen­wett­be­werb „Bio­nik – Inno­va­ti­on aus der Natur“ des Bun­des­mi­ni­ste­ri­ums für Bil­dung und For­schung (BMBF).