Leser­brief: Offe­ner Brief an den Stadt­rat von Ebermannstadt

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Betreff: Geplan­te Aus­wei­sung des Bau­ge­bie­tes „Ehr­lich“

Sehr geehr­ter Herr Bür­ger­mei­ster Kraus,
Sehr geehr­te Stadt­rä­tin­nen und Stadträte,

gemäß Tages­ord­nungs­punkt Punkt 3 der 34. Stadt­rats­sit­zung am 07.10.2013 um 17:00 Uhr (Bau­ge­biet Ehr­lich – Vor­la­ge Ent­wurfs­pla­nung (BV 2013/1741)) sol­len wei­te­re Maß­nah­men zur Aus­wei­sung eines Bau­ge­bie­tes (Bau­ge­biet „Ehr­lich“) beschlos­sen werden.

Mit Bezug auf den oben genann­ten Tages­ord­nungs­punk­te stel­len wir fol­gen­de Anfra­gen und bit­ten um Antwort.

Fra­ge­punk­te mit Erläuterungen:

1.) Mit dem „Gesetz zur Stär­kung der Innen­ent­wick­lung in den Städ­ten und Gemein­den und wei­te­ren Fort­ent­wick­lung des Städ­te­bau­rechts“ vom 11.06.2013 wur­de der zwei­te Teil der Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung umge­setzt, wonach im Bau­ge­setz­buch (BauGB) neben dem Kli­ma­schutz auch die Innen­ent­wick­lung wei­ter gestärkt wur­de. Das Gesetz trat am 20.09.2013 in Kraft.

Zur Errei­chung des Ziels der natio­na­len Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie, die Flä­chen­neu­in­an­spruch­nah­me auf 30 ha/​Tag zu redu­zie­ren (heu­ti­ger Wert: 100ha/​Tag!) und den Anfor­de­run­gen des demo­gra­fi­schen Wan­dels Rech­nung zu tra­gen, wur­de erst­ma­lig die Prä­mis­se „Innen­ent­wick­lung vor Aussen­ent­wick­lung“ an pro­mi­nen­ter Stel­le im Zusam­men­hang mit dem Nach­hal­tig­keits­prin­zip des §1 Abs. 5 Satz 1 als ein ‑der Abwä­gung zugäng­li­cher – Pla­nungs­leit­satz für die kom­mu­na­le Bau­leit­pla­nung vorgegeben.

Auch im Raum­ord­nungs- bzw. Lan­des­pla­nungs­recht ist die Prä­mis­se „Innen­ent­wick­lung vor Aussen­ent­wick­lung“ ver­an­kert, d.h. die Vor­ga­be, vor­ran­gig Flä­chen­re­ser­vern in den vor­han­de­nen Sied­lungs­ge­bie­ten aus­zu­schöp­fen bzw. zu akti­vie­ren. Vor­han­de­ne Poten­tia­le der Innen­ent­wick­lung (Bau­land­re­ser­ven, Nach­ver­dich­tung, Brach­flä­chen, und leer­ste­hen­de Bau­sub­stan­zen) sol­len vor­ran­gig genutzt werden.

Was hat die Gemein­de Eber­mann­stadt bis­her unter­nom­men um die Innen­ent­wick­lung zu aktivieren?

War­um wur­den die hier­zu von Mini­ste­ri­en und Fach­leu­ten vor­ge­schla­ge­nen Instru­men­te – Flä­chen- und Immo­bi­li­en­ma­nage­ment, städ­te­bau­li­che Ent­wick­lungs­kon­zept – bis­her nicht angewandt?

2.) Für die Aus­wei­sung eines Neu­bau­ge­bie­tes „Ehr­lich“ muss die Stadt Eber­mann­stadt finan­zi­el­le Mit­tel bereit­stel­len. Die Stadt Eber­mann­stadt ist zum aktu­el­len Zeit­punkt hoch ver­schul­det (Stand April 2013: 2192 Euro Schul­den pro Ein­woh­ner, bei einem Lan­des­durch­schnitt von 753 Euro). Als Ursa­che wer­den auch die vie­len durch­ge­führ­ten Bau­maß­nah­men von den poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen der Stadt Eber­mann­stadt angeführt.

Wie lässt sich vor die­sem Hin­ter­grund die Aus­wei­sung eines Neu­bau­ge­bie­tes zum jet­zi­gen Zeit­punkt bei die­sem Schul­den­stand vor den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern rechtfertigen?

Wur­de eine Kosten- Nut­zen­be­trach­tung für das geplan­te Bau­ge­biet Ehr­lich erstellt?

Kosten-Nut­zen­ana­ly­se bedeu­tet im Fal­le Ehr­lich die Beant­wor­tung fol­gen­der Fragen:

- Kom­mu­nal­fis­ka­li­sche Fra­ge­stel­lung: Mit wel­chen Her­stel­lungs – und Fol­ge­ko­sten ist für die Gemein­de zu rechnen?

- Wur­de der demo­gra­phi­sche Wan­del als „Kosten­fal­le“ in Über­le­gun­gen ein­be­zo­gen? (rück­läu­fi­ge Aus­la­stung der Infra­struk­tur, wach­sen­de kom­mu­na­le Fol­ge­ko­sten, stei­gen­de Gebüh­ren­be­la­stung für ein­zel­nen Bürger)

- Wur­den die Aus­wir­kun­gen auf die bestehen­de Infra­struk­tur betrachtet?

- Wur­den aus­rei­chend Bebau­ungs­va­ri­an­ten analysiert?

- Fand ein umfas­sen­der Ver­gleich von Bebau­ungs­ge­bie­ten und Flä­chen­nut­zungs­stra­te­gien statt? (Ver­gleich Debert II – Ehrlich)

Hier­zu ist bei­spiel­haft zu erwäh­nen, dass in der Ver­gan­gen­heit bereits Lei­tun­gen in der Stra­ße „Zum Schlüs­sel­stein“ (Debert II) als Vor­lei­stung ver­legt wur­den. Von wem wur­de dies bezahlt?

3.) Die ver­ant­wort­li­chen Stel­len der Stadt Eber­mann­stadt recht­fer­ti­gen die Aus­wei­sung eines wei­te­ren Bau­ge­bie­tes mit der zu erwar­ten­den Zunah­me der Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung in Eber­mann­stadt. Das Ergeb­nis des Zen­sus war sehr erfreu­lich und spie­gelt eine Moment­auf­nah­me wie­der. Die Aus­wei­sung eines Bau­ge­bie­tes soll­te sich jedoch auf lang­fri­sti­ge Pro­gno­sen bezie­hen. Laut den Anga­ben des Lan­des­am­tes für Sta­ti­stik und Daten­ver­ar­bei­tung wird unter den Bei­trä­gen zur Sta­ti­stik Bay­ern, Demo­gra­fi­sche Spie­gel für Bay­ern, Daten­blatt Stadt Eber­mann­stadt (www​.sta​ti​stik​.bay​ern​.de/​s​t​a​t​i​s​t​i​k​/​g​e​m​e​i​n​d​e​n​/​0​9​4​7​4​1​2​1​.​pdf) ein ste­ti­ger Bevöl­ke­rungs­rück­gang bis 2029 prognostiziert.

Auf Grund wel­cher Unter­su­chung kommt die Stadt Eber­mann­stadt ent­ge­gen den Anga­ben des Lan­des­am­tes für Sta­ti­stik und Daten­ver­ar­bei­tung zu der Pro­gno­se einer anstei­gen­den Bevölkerungsentwicklung?

Im Stadt­teil „Dies­brun­nen“ fand bei­spiels­wei­se in den 1970er Jah­ren ein Bau­boom statt. In den näch­sten Jah­ren wird sich dort ein Gene­ra­tio­nen­wech­sel voll­zie­hen, d.h. eine Viel­zahl von Anwe­sen wird zum Ver­kauf ste­hen. Hier wäre Bau­sub­stanz vor­han­den, die auch durch Fir­men vor Ort erneu­ert wer­den könn­te. Dar­über hin­aus exi­stie­ren eine Viel­zahl an unbe­bau­ten Bau­grund­stücken. Ein neu­es Bau­ge­biet „Ehr­lich“ wür­de unnö­ti­ger­wei­se eine Kon­kur­renz erzeu­gen und es Haus­be­sit­zern bzw. deren Erb­nach­fol­gern zusätz­lich erschwe­ren, ihre Anwe­sen zu einem ange­mes­se­nen Preis zu veräußern.

Wur­de die Alters­struk­tur der Ein­fa­mi­li­en­haus­be­sit­zer im Bestand in die Über­le­gung „Aus­wei­sung Neu­bau­ge­biet“ ein­be­zo­gen? (Mit­tel in Bay­ern: 1/3 älter als 65 Jahre!)

4.) Das Gut­ach­ten des Büros TEAM 4 Land­schafts + Orts­pla­nung „Stadt Eber­mann­stadt, Bau­an­fra­gen, Prü­fung Fort­schrei­bung FNP“ aus dem Jahr 2011 kam zu dem Ergeb­nis, dass im Stadt­ge­biet grund­sätz­lich noch aus­rei­chen­de Bau­flä­chen­re­ser­ven bestehen. Dies galt auch für eine uner­war­tet hohe Bevöl­ke­rungs­zu­nah­me und unter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­che, dass nicht alle frei­en Bau­flä­chen in abseh­ba­rer Zeit dem Markt zur Ver­fü­gung stehen.

War­um wird die­ses Gut­ach­ten nicht ernst genommen?

5.) Die Anwoh­ner und Anlie­ger der Unte­ren- und Obe­ren Baye­ri­schen Gas­se sowie des Deberts befürch­ten mit der Aus­wei­sung des Bau­ge­bie­tes „Ehr­lich“ eine Zunah­me des Ver­kehrs­auf­kom­mens bzw. eine mög­li­che Durch­we­gung zwi­schen Ram­ster­tal­stra­ße und Pretz­fel­der Straße.

Ist die Zugangs­be­schrän­kung zwi­schen der Obe­ren Baye­ri­schen Gas­se und Haupt­er­schlie­ßung des Bau­ge­biets über die Staats­stra­ße 2685 lang­fri­stig realisierbar?

Wir bit­ten um eine detail­lier­te Stel­lung­nah­me. Gleich­zei­tig bedau­ern wir es zutiefst, dass wir im Vor­feld nicht als Trä­ger öffent­li­cher Belan­ge ange­hört wor­den sind! Wir sehen dar­in eine Miss­ach­tung unse­rer ehren­amt­li­chen Arbeit!

Alle poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen bit­ten wir vor einem wei­te­ren Vor­an­schrei­ten der Pla­nun­gen zum Bau­ge­biet „Ehr­lich“ um den ernst­haf­ten Ein­be­zug unse­rer oben genann­ten Anlie­gen. Dar­über hin­aus liegt auch bei einem Groß­teil der Bevöl­ke­rung noch ein hoher Gesprächs­be­darf vor. Die zuge­sag­te Bür­ger­ver­samm­lung hier­zu wäre wün­schens­wert und ein Zei­chen von poli­ti­scher Trans­pa­renz und Bür­ger­nä­he, bevor wei­te­re Ent­schei­dun­gen im Stadt­rat unter­nom­men werden.

Aus unse­rer Sicht ist die Aus­wei­sung des Bau­ge­bie­tes „Ehr­lich“ zum aktu­el­len Zeit­punkt und vor dem Hin­ter­grund der erör­ter­ten Sach­la­ge nicht erforderlich.

Mit freund­li­chen Grüßen

Chri­sti­an Kiehr, Chri­stia­ne Meyer