Leser­brief: „Lebens­raum oder Stellplätze“

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Sehr geehr­te Damen und Her­ren, sehr geehr­ter Herr Regierungspräsident!

Lei­der sehe ich mich gezwun­gen, Auf­sichts­be­schwer­de gegen die Stadt Bam­berg, ver­tre­ten durch ihren Ober­bür­ger­mei­ster, ein­zu­le­gen. Grund ist die fort­dau­ern­de und wie­der­hol­te Miß­ach­tung ver­kehrs­recht­li­cher Grund­la­gen zu Lasten des nicht moto­ri­sier­ten, hier ins­be­son­de­re des fuß­läu­fi­gen Ver­kehrs durch regel­wid­rig ange­ord­ne­tes Geh­weg­par­ken und Dul­dung regel­wid­ri­gen Gehwegparkens.

Der nach­fol­gend geschil­der­te und in den Anla­gen doku­men­tier­te Anlaß die­ser Beschwer­de ist exem­pla­risch zu ver­ste­hen. Die von mir beklag­ten Zustän­de und Ver­hal­tens­wei­sen sind in Bam­berg in wei­tem Umfang reprä­sen­ta­tiv und bereits viel­fach auch von ande­rer Sei­te bemän­gelt worden.

Mit Schrei­ben vom 6. Juli 2013 hat­te ich bei­spiel­haft ange­führt, daß selbst im unmit­tel­ba­ren Umfeld der Poli­zei (hier: Dienst­stel­le Schild­stra­ße) rechts­wid­rig auf dem Geh­weg geparkt wird – nicht nur von ein­zel­nen. So ste­hen regel­mä­ßig meh­re­re Per­so­nen­kraft­wa­gen gegen­über dem Haupt­ein­gang auf dem Geh­weg. Eben­so ver­hält es sich ent­lang der Zufahrt zum Per­so­nal­park­platz der Poli­zei­in­spek­ti­on (Mann­le­hen­weg). Offen­sicht­lich ist bekannt, daß eine Über­wa­chung weder durch die Poli­zei noch durch die städ­ti­sche Ord­nungs­be­hör­de erfolgt. Wie an vie­len ande­ren Orten der Stadt, zum Teil längs gan­zer Stra­ßen­zü­ge, wird nicht ein­mal der Min­destraum für unge­hin­der­ten Fuß­ver­kehr belassen.

Eben­so hat­te ich, gleich­falls bei­spiel­haft gemeint, das ange­ord­ne­te Geh­weg­par­ken auf dem Mann­le­hen­weg genannt. Die All­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­vor­schrift zur Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung (VwV-StVO) ver­langt unmiß­ver­ständ­lich, daß „/​genügend Platz für den unbe­hin­der­ten Ver­kehr von Fuß­gän­gern gege­be­nen­falls mit Kin­der­wa­gen oder Roll­stuhl­fah­rern auch im Begeg­nungs­ver­kehr bleibt/​“. Ein ver­blei­ben­der Quer­schnitt von 1 m und weni­ger gewähr­lei­stet dies zwei­fels­oh­ne nicht.

Mit beson­de­rem Nach­druck habe ich auf die fata­len Fol­gen für die Sicher­heit der Kin­der im Stra­ßen­ver­kehr ver­wie­sen. Sie ver­lie­ren Bewe­gungs- und Auf­ent­halts­raum. Sie sind unmit­tel­bar – vor allem bei Ein- und Aus­park­vor­gän­gen – gefähr­det. Auf Grund berech­tig­ter Befürch­tun­gen, die ihre Eltern hegen, wird ihnen selbst­be­stimm­te Mobi­li­tät ver­wei­gert. Von klein auf wer­den sie dar­auf geprägt, daß der Auto­ver­kehr der alles beherr­schen­de Fak­tor ist. Einen Sinn für öko­lo­gisch bewuß­te und gesund­heits­för­dern­de Mobi­li­tät kön­nen sie in sol­chem Umfeld nicht entwickeln.

Die ein­deu­ti­ge Klar­heit der städ­ti­schen Ant­wort (Schrei­ben vom 25. Juli 2013) hat mich verblüfft.

Über­ra­schend hat weder eine für Ver­kehr noch eine für das Ord­nungs­recht zustän­di­ge Dienst­stel­le den Brief ver­faßt. Offen­bar war ihnen bewußt, daß sie in juri­sti­scher Hin­sicht kei­ner­lei Aus­sicht haben, ihr Ver­hal­ten zu recht­fer­ti­gen. Jemand ande­res soll­te die Kasta­ni­en aus dem Feu­er zu holen ver­su­chen, da man sich die Fin­ger nicht selbst ver­bren­nen woll­te. Selbst­be­wuß­tes Behör­den­han­deln geht anders.

Aus­ge­rech­net der Sozi­al- und Umwelt­re­fe­rent muß sein Haupt dafür her­hal­ten, unso­zia­le und umwelt­feind­li­che Poli­tik zu recht­fer­ti­gen. Mei­nes kann ich nur ver­ständ­nis­los schütteln:

Mit kei­nem Wort geht die städ­ti­sche Ant­wort auf das uner­laub­te, indes groß­zü­gig gedul­de­te Falsch­par­ken ein. Kei­ner Erwäh­nung wert befin­det sie die ver­häng­nis­vol­len Aus­wir­kun­gen auf die Mobi­li­täts­er­zie­hung der Kin­der. Und das Kern­the­ma, die Sicher­heit der Kin­der im Ver­kehr, wird kurz abge­han­delt: In der Stadt­ver­wal­tung wird „/​davon aus­ge­gan­gen, dass Kin­der­gar­ten­kin­der nicht allein zum Kin­der­gar­ten gehen, son­dern von ihren Eltern dort­hin gebracht wer­den und somit unter elter­li­cher Auf­sicht stehen./“ Selbst­stän­di­ge Mobi­li­tät von Kin­dern – nicht alle sind im Kin­der­gar­ten­al­ter; nicht alle gehen (beglei­tet) zum Kin­der­gar­ten – scheint ein völ­lig unbe­kann­tes Phä­no­men zu sein. Statt des­sen wird wort­reich dar­ge­legt: Es wäre eine ganz nor­ma­le Ent­wick­lung, den eigent­lich dem fuß­läu­fi­gen Ver­kehr zuge­dach­ten Son­der­weg in zuneh­men­den Maße an den (ruhen­den) Kraft­fahr­zeug­ver­kehr abzutreten.

Die Stadt Bam­berg hät­te es bes­ser wis­sen müs­sen: Die von mir ange­führ­ten Min­dest­ma­ße für die bei ange­ord­ne­tem Geh­weg­par­ken zu belas­sen­den Quer­schnit­te waren, mir zum Zeit­punkt mei­nes Schrei­bens noch nicht bekannt, bereits über­holt. „Herr Bönig, Sie irren“, wäre die kor­rek­te Ant­wort gewe­sen: „Nicht 1,80 m, son­dern min­de­stens 2,50 m sind als Regel­brei­te frei­zu­hal­ten, an kur­zen Eng­stel­len nicht 1,50 m, son­dern 2,20 m.“ Ohne gewich­ti­ge Grün­de wird eine sol­che Vor­ga­be kaum erlas­sen wor­den sein.

Doch nein: Soll­te sich die Stadt Bam­berg an Recht und Gesetz hal­ten, wür­de das „/​bei der über­wie­gen­den Mehr­heit der Verkehrsteilnehmer/​Innen auf Unver­ständ­nis stoßen/​“. Die Ver­mu­tung, unmo­to­ri­siert mobi­le Men­schen wer­den nicht dem Ver­kehr zuge­rech­net, dürf­te nahe bei der Wahr­heit lie­gen. Deren Mei­nung gilt offen­kun­dig als vernachlässigbar.

Ich gehe davon aus, daß Sie – als zustän­di­ge Behör­de der Kom­mu­nal­auf­sicht – die Stadt Bam­berg zurecht­wei­sen und sie zur Beach­tung der recht­li­chen Vor­ga­ben zum Schutz der nicht moto­ri­sier­ten Verkehrsteilnehmer/​innen anhal­ten. Ihrer Ant­wort blicke ich mit gro­ßem Inter­es­se entgegen.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8
96049 Bamberg-Gaustadt