Neue „Lich­ten­berg-Pro­fes­sur“ für die Uni­ver­si­tät Bayreuth

Symbolbild Bildung

Wär­me­trans­por­te steu­ern, Ener­gie bes­ser nutzen

Den Trans­port von Wär­me mit nano­struk­tu­rier­ten Mate­ria­li­en prä­zi­se steu­ern zu kön­nen, ist das der­zeit noch weit ent­fern­te Ziel eines For­schungs­ge­biets, auf dem – trotz viel­ver­spre­chen­der Anwen­dungs­po­ten­zia­le – welt­weit nur weni­ge Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler arbei­ten. Einer von ihnen ist Prof. Dr. Mar­kus Retsch, seit 2012 Juni­or­pro­fes­sor für Poly­me­re Syste­me an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Die Volks­wa­gen­Stif­tung hat jetzt die För­der­mit­tel bewil­ligt, damit er hier in den näch­sten fünf Jah­ren eine Lich­ten­berg-Pro­fes­sur über­neh­men kann. Damit sind an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth bald drei Lich­ten­berg-Pro­fes­su­ren auf zukunfts­wei­sen­den Gebie­ten der Phy­sik und der Che­mie angesiedelt.

Das Ziel: Wär­me­trans­por­te mit neu­en Funk­ti­ons­ma­te­ria­li­en zu steuern

Die Fra­ge, wie sich der Fluss von Wär­me gezielt steu­ern lässt, ist bis­her unge­löst, aber von zuneh­men­der prak­ti­scher Rele­vanz. Denn ange­sichts stei­gen­der Ener­gie­ko­sten sind neue Dämm­stof­fe gefragt, die bei­spiels­wei­se geeig­net sind, Wär­me­ver­lu­ste in Gebäu­den und damit auch den Ener­gie­ver­brauch deut­lich zu sen­ken. Ins­be­son­de­re wäre es ein gro­ßer Fort­schritt, wenn ein Mate­ri­al zur Ver­fü­gung stün­de, das den Trans­port von Wär­me nach dem Ein­bahn­stra­ßen-Prin­zip nur in eine Rich­tung zulässt, in die ande­re jedoch unter­bin­det. Ein der­ar­ti­ges Mate­ri­al – eine so genann­te ther­mi­sche Diode – zu ent­wickeln und für tech­no­lo­gi­sche Anwen­dun­gen bereit zu stel­len, ist das Ziel, auf das Prof. Retsch in den kom­men­den Jah­ren hin­ar­bei­ten will. Es geht ihm dabei nicht nur um die Her­stel­lung von effi­zi­en­te­ren Dämm­ma­te­ria­li­en, son­dern auch um eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung: Die Wär­me und Abwär­me aus Ver­bren­nungs­pro­zes­sen, die heu­te noch in vie­len Indu­strie­zwei­gen ver­lo­ren­geht, soll künf­tig in tech­nisch nutz­ba­re Ener­gie umge­wan­delt wer­den können.

Inno­va­ti­ve For­schung zur Erhal­tung und Umwand­lung von Energie

Um die­ses weit­rei­chen­de Pro­jekt zu rea­li­sie­ren, ist zunächst ein­mal inten­si­ve Grund­la­gen­for­schung ange­sagt. Dafür sind umfas­sen­de Expe­ri­men­te geplant, die den Wär­me­trans­port in spe­zi­el­len nano­struk­tu­rier­ten Mate­ria­li­en auf­klä­ren sol­len. „Wär­me wird

durch klei­ne Ener­gie­pa­ke­te, die so genann­ten Pho­no­nen, trans­por­tiert. Die­se Ener­gie­pa­ke­te tre­ten in Wech­sel­wir­kung mit den Nano­struk­tu­ren, an denen wir for­schen. Mein Ziel ist es, die Aus­brei­tung die­ser Ener­gie­pa­ke­te mit­hil­fe neu­er Mate­ria­li­en gezielt kon­trol­lie­ren zu kön­nen“, erklärt Prof. Retsch. Auf die­se Wei­se wird er in den näch­sten Jah­ren wesent­lich dazu bei­tra­gen, eine zukunfts­wei­sen­de For­schungs­rich­tung an der Schnitt­stel­le von Phy­sik und Che­mie zu erschlie­ßen: die Pho­no­nik. Wäh­rend die Pho­to­nik bereits gro­ße For­schungs­er­fol­ge bei der Steue­rung und Kon­trol­le von Licht-Pake­ten, den Pho­to­nen, erzielt hat, will die Pho­no­nik in ver­gleich­ba­rer Wei­se den Trans­port von Wär­me regu­lie­ren können.

„Ich bin zuver­sicht­lich, dass es uns schon bald gelin­gen wird, die­sem Ziel näher zu kom­men; ins­be­son­de­re auch des­halb, weil wir einen inno­va­ti­ven mate­ri­al­wis­sen­schaft­li­chen Ansatz ver­fol­gen“, freut sich Prof. Retsch. „Mei­ne Mit­ar­bei­ter und ich kon­zen­trie­ren uns dabei auf nano­struk­tu­rier­te Hybrid­ma­te­ria­li­en, die aus Poly­me­ren, Metal­len oder Metall­oxi­den auf­ge­baut sind. Der­ar­ti­ge Mate­ri­al­kom­bi­na­tio­nen machen es mög­lich, viel­fäl­ti­ge Struk­tu­ren über alle räum­li­chen Dimen­sio­nen her­zu­stel­len – ange­fan­gen von punkt­för­mi­gen Ein­schlüs­sen bis hin zu drei­di­men­sio­na­len Netz­wer­ken. Gleich­zei­tig ver­bin­den wir in sol­chen Syste­men unter­schied­li­che Mate­ria­li­en von fest bis flüs­sig und kön­nen gezielt an den Grenz­flä­chen­ei­gen­schaf­ten arbei­ten. Dadurch ent­ste­hen sehr dif­fe­ren­zier­te Mög­lich­kei­ten, den Trans­port von Wär­me zu beein­flus­sen. Ich bin über­zeugt, dass sich auf die­se Wei­se ganz neue Wege für die Erhal­tung und Umwand­lung von Ener­gie öff­nen werden.“

Rück­kehr an die Bay­reu­ther Alma Mater

Mit der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und ihrer beson­de­ren For­schungs­in­fra­struk­tur ist Prof. Retsch bereits von sei­ner Stu­di­en­zeit her ver­traut. Von 2001 bis 2006 hat er hier den Diplom-Stu­di­en­gang Poly­mer- und Kol­lo­id­che­mie absol­viert; sei­ne Abschluss­ar­beit über Poly­me­r­bür­sten auf Gol­d­ober­flä­chen wur­de von Prof. Axel H. E. Mül­ler betreut. Anschlie­ßend wech­sel­te er zum Max-Planck-Insti­tut für Poly­mer­for­schung in Mainz, wo er

2009 mit einer Arbeit über die Selbst­an­ord­nung von Kol­lo­iden (“Com­plex Mate­ri­als via Col­lo­idal Cry­stal­lizati­on“) pro­mo­viert wur­de. Am renom­mier­ten Mas­sa­chu­setts Insti­tu­te of Tech­no­lo­gy (MIT) in den USA setz­te Prof. Retsch als Post-Dok­to­rand unter der Lei­tung von Prof. Edwin L. Tho­mas sei­ne For­schungs­tä­tig­keit fort, bis er im August 2012 an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth eine Juni­or­pro­fes­sur für Poly­me­re Syste­me über­nahm. Hier hat er sich seit­dem mit nano- und meso­ska­li­schen Mate­ria­li­en befasst, die sich für effi­zi­en­te­re Solar­zel­len und für das Manage­ment von Wär­me­trans­por­ten eignen.

„Die Rück­kehr als Juni­or­pro­fes­sor an mei­ne Alma Mater fiel mir leicht“, erin­nert sich Prof. Retsch. „Bay­reuth ist mit sei­nem Pro­fil auf dem Gebiet funk­tio­na­ler, nano- und meso­struk­tu­rier­ter Mate­ria­li­en extrem gut auf­ge­stellt und inter­na­tio­nal bekannt. Die neue Lich­ten­berg-Pro­fes­sur wird sich mit ihrer Aus­rich­tung auf den Trans­port von Wär­me­en­er­gie sehr gut in die Struk­tu­ren des an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth eta­blier­ten Pro­fil­felds Poly­mer- und Kol­loid­for­schung ein­fü­gen. Dabei erge­ben sich auch vie­le Anknüp­fungs­punk­te zum SFB 840 ‚Von par­ti­ku­lä­ren Nano­sy­ste­men zur Meso­tech­no­lo­gie’. Ich bin sehr froh, gera­de hier die Chan­ce zu erhal­ten, mei­ne eige­ne Grup­pe auf­zu­bau­en und mei­ne aka­de­mi­sche Kar­rie­re fortzusetzen.“

Die drit­te Lich­ten­berg-Pro­fes­sur in drei Jahren

Mit der Bewil­li­gung sei­tens der Volks­wa­gen­Stif­tung kann nun die Lich­ten­berg-Pro­fes­sur an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ein­ge­rich­tet wer­den – die drit­te inner­halb von nur drei Jah­ren. 2010 über­nahm Pro­fes­sor Dr. Arthur Pee­ters eine Lich­ten­berg-Pro­fes­sur für Theo­re­ti­sche Plas­ma­phy­sik, 2012 erhielt der Phy­si­ker Prof. Dr. Ste­phan Gek­le eine Lich­ten­berg-Pro­fes­sur, die sich mit den phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten und der Dyna­mik von Mikro­kap­seln und Nano­teil­chen befasst.

„Es freut mich sehr, dass die Volks­wa­gen­Stif­tung in die­sem Jahr erneut ent­schie­den hat, eine Lich­ten­berg-Pro­fes­sur an die Uni­ver­si­tät Bay­reuth zu ver­ge­ben“, erklärt Uni­ver­si­täts­prä­si­dent Prof. Dr. Ste­fan Leib­le. „Die Ent­schei­dung belegt die hohe Attrak­ti­vi­tät unse­rer Cam­pus­uni­ver­si­tät für jun­ge Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­rin­nen und ‑wis­sen­schaft­ler, nicht zuletzt auf ihren bewähr­ten Pro­fil­fel­dern wie der Poly­mer- und Kol­loid­for­schung. Für sei­ne weg­wei­sen­den For­schungs­ar­bei­ten, die für Fra­gen der künf­ti­gen Ener­gie­ver­sor­gung vor­aus­sicht­lich eine hohe Rele­vanz haben, wün­sche ich Pro­fes­sor Mar­kus Retsch den besten Erfolg.“

Hin­ter­grund:

Mit den Lich­ten­berg-Pro­fes­su­ren för­dert die Volks­wa­gen­Stif­tung seit 2003 her­aus­ra­gen­de Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler in inno­va­ti­ven Lehr- und For­schungs­fel­dern. Für fünf bis maxi­mal acht Jah­re stellt die Stif­tung Mit­tel zur Ver­fü­gung. Vor­aus­set­zung ist, dass die auf­neh­men­de Hoch­schu­le die Über­nah­me erfolg­reich eva­lu­ier­ter Pro­fes­su­ren garan­tiert. Das För­der­pro­gramm ist nach dem Göt­tin­ger Expe­ri­men­tal­phy­si­ker Georg Chri­stoph Lich­ten­berg benannt, einem der bedeu­tend­sten Wis­sen­schaft­ler der euro­päi­schen Aufklärung.