Baye­ri­scher Städ­te­tag 2013 in Bay­reuth: State­ment von Regens­burgs Ober­bür­ger­mei­ster Hans Schaidinger

Schai­din­ger: Ohne Pla­nung geht es nicht – Lan­des­pla­nung und Hochwasserschutz

„Bay­ern braucht Regeln, damit wir wis­sen, wie sich die­ses über Jahr­hun­der­te gewach­se­ne Land wei­ter ent­wickelt. Ganz ohne Steue­rung geht es nicht. Bay­ern steht heu­te so gut da, weil sich die Lan­des­po­li­tik in den 1970er Jah­ren gründ­li­che Gedan­ken um die Ent­wick­lung Bay­erns gemacht hat. Damals sind Rah­men­be­din­gun­gen zur Lan­des­ent­wick­lung abge­steckt wor­den“, sagt der stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de des Baye­ri­schen Städ­te­tags, Regens­burgs Ober­bür­ger­mei­ster Hans Schai­din­ger. Die dama­li­gen Prin­zi­pi­en von Lan­des­ent­wick­lung und Lan­des­ent­wick­lungs­pro­gramm hat­ten Steue­rungs­wir­kung. Gute Struk­tu­ren dür­fen nicht zer­stört wer­den, son­dern müs­sen wei­ter aus­ge­baut wer­den. Lan­des­ent­wick­lung lässt sich nicht mit dem Spiel der Märk­te regeln. Heu­te ent­wickelt sich Bay­ern unter den Vor­zei­chen der Glo­ba­li­sie­rung. Die Ener­gie­wen­de stellt neue Her­aus­for­de­run­gen. Bay­ern steht unter der Vor­ga­be, die demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung zu steu­ern, um einen Aus­gleich zwi­schen schrump­fen­den und wach­sen­den Regio­nen zu schaffen.

Schai­din­ger: „Mit der För­de­rung aus der Gieß­kan­ne las­sen sich die Her­aus­for­de­run­gen im Kampf gegen demo­gra­fi­schen Wan­del nicht lösen – unüber­legt ein­ge­setz­te Mit­tel lin­dern nicht die Ursa­chen des demo­gra­fi­schen Schrump­fens. Bay­ern braucht in der Lan­des­ent­wick­lung die ord­nen­de Hand des Staa­tes. Städ­te und Gemein­den benö­ti­gen eine über­fach­li­che und über­ört­li­che Pla­nung.“ Das Lan­des­ent­wick­lungs­pro­gramm soll steu­ern, etwa bei der lan­des­wei­ten Ver­tei­lung zen­tral­ört­li­cher Ein­rich­tun­gen nach dem Zen­tra­le-Orte-System. Es soll Städ­te und Gemein­den schüt­zen, etwa mit Hil­fe des Anbin­de­ge­bots oder den Fest­le­gun­gen zum groß­flä­chi­gen Ein­zel­han­del. Das Lan­des­ent­wick­lungs­pro­gramm soll unter­stüt­zen, etwa durch die Fest­le­gung von Vor­rang­ge­bie­ten in den Regio­nal­plä­nen. Eine Stär­ke der länd­li­chen Räu­me sind sei­ne zen­tra­len Orte. Sie kom­men bei der poli­ti­schen Dis­kus­si­on um die länd­li­chen Räu­me oft zu kurz. Schai­din­ger: „Die Zukunft des Lan­des ist eng mit sei­nen zen­tra­len Orten ver­bun­den. Die beste För­de­rung der länd­li­chen Räu­me ist über die zen­tra­len Orte zu errei­chen. Die zen­tra­len Orte prä­gen die Iden­ti­tät und das Bild der Regi­on. Sie spie­geln die Viel­falt Bay­erns wider – gera­de in den länd­li­chen Räumen.“

Schai­din­ger: „Der Städ­te­tag ist nicht unter die Pla­nungs­fe­ti­schi­sten gegan­gen, wenn er unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen Pla­nung und Rege­lun­gen for­dert. Aber gera­de die Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phe hat gezeigt, dass es ohne über­grei­fen­de Koor­di­na­ti­on nicht geht.“ Wir brau­chen prak­ti­ka­ble Regel­wer­ke und staat­li­che Insti­tu­tio­nen, die sich um einen wich­ti­gen Bereich wie den Hoch­was­ser­schutz küm­mern. Denn Nach­hal­tig­keit und auf Dau­er ange­leg­te Pro­jek­te sind in einer kurz­fri­stig den­ken­den Poli­tik­kul­tur schwer umzu­set­zen. Daher sind staat­li­che Lan­des­äm­ter so wich­tig, die sich um Däm­me, Dei­che und Hoch­was­ser­schutz küm­mern. Rück­hal­te­flä­chen und Pol­der benö­ti­gen hohe Sum­men und lan­ge Vor­aus­pla­nung. Die Abstim­mung der Inter­es­sen von Städ­ten und Gemein­den benö­tigt über­ört­li­che Koor­di­na­ti­on und Fach­wis­sen von staat­li­chen Behör­den. Schai­din­ger: „Die Hoch­was­ser-Kata­stro­phe hat uns dra­stisch vor Augen geführt, wie sehr das Inter­es­se des Ein­zel­nen mit dem Gemein­wohl aller abge­gli­chen wer­den muss.“ Dies gilt für Damm­bau­ten, mobi­le Wän­de und tech­ni­schen Hoch­was­ser­schutz. Wenn ein Ein­zel­ner – aus sei­ner Sicht nach­voll­zieh­ba­rem Eigen­in­ter­es­se – kei­nen Damm oder Vor­rich­tun­gen für Spund­wän­de in sei­ner Nach­bar­schaft haben will, kön­nen bei einem Hoch­was­ser hun­der­te ande­re Men­schen lei­den, weil die schmut­zi­ge Brü­he ihre Exi­stenz zer­stört hat. Ein wei­te­res Bei­spiel: Ein Ober­lie­ger sieht kein Pro­blem, in Fluss­nä­he eine Ebe­ne zu bebau­en, ein Gewer­be­ge­biet und Ein­kaufs­zen­tren anzu­sie­deln – auch mag die Nach­bar­schaft zum Fluss bei schö­nem Wet­ter als attrak­ti­ve Wohn­ge­gend erschei­nen. Damit gera­ten jedoch die Inter­es­sen von Nach­bar­ge­mein­den fluss­ab­wärts aus dem Blick – sie kom­men unter noch grö­ße­ren Hoch­was­ser­druck, wenn am Ober­lauf mög­li­che Reten­ti­ons­flä­chen bebaut wer­den oder Maß­nah­men zum tech­ni­schen Hoch­was­ser­schutz unterbleiben.

Schai­din­ger: „Nicht jede Fest­le­gung im Lan­des­ent­wick­lungs­pro­gramm oder jede Maß­nah­me zum lan­des­wei­ten Hoch­was­ser­schutz muss gleich kom­mu­na­le Selbst­ver­wal­tungs­rech­te ver­let­zen. Der Frei­staat muss eine Marsch­rich­tung vor­ge­ben, er muss einen gewis­sen Rah­men set­zen, damit sich unser Land gut ent­wickeln kann. Schö­ne Beschrei­bun­gen tau­gen für Rei­se­füh­rer, sie hel­fen aber nicht der Lan­des­ent­wick­lung. Wir brau­chen kon­se­quen­te Ziel­vor­ga­ben – etwa für das Steue­rungs­in­stru­ment der zen­tra­len Orte, für das Ein­zel­han­dels­ziel oder für das Anbin­de­ge­bot. Das Lan­des­ent­wick­lungs­pro­gramm ist kurz vor Ende der Legis­la­tur­pe­ri­ode im par­la­men­ta­ri­schen Galopp um die Ecke getrie­ben wor­den. Mit die­sem Stück­werk wird nie­mand glück­lich. Wenn ein­mal pla­ne­ri­sche Feh­ler in Beton und Asphalt gegos­sen wer­den, las­sen die sich nicht mit dem Feder­strich einer LEP-Teil­fort­schrei­bung rück­gän­gig machen.“