Stu­die: 13.780 Men­schen arbei­ten im Kreis Forch­heim für einen Niedriglohn

8,50 Euro Min­dest­lohn: Im Kreis Forch­heim wür­de Kauf­kraft um 18,7 Mio. Euro steigen

Im Job alles geben – und trotz­dem wenig dafür bekom­men: Im Kreis Forch­heim arbei­ten rund 13.780 Men­schen für einen Nied­rig­lohn. Sie ver­die­nen weni­ger als 8,50 Euro pro Stun­de. Das ist das Ergeb­nis einer Stu­die vom Pest­el-Insti­tut in Han­no­ver. Die Wis­sen­schaft­ler haben dar­über hin­aus unter­sucht, wel­che posi­ti­ven Effek­te ein gesetz­li­cher Min­dest­lohn für die hei­mi­sche Wirt­schaft hät­te: „Die Kauf­kraft im Kreis Forch­heim wür­de um 18,7 Mil­lio­nen Euro pro Jahr stei­gen. Vor­aus­ge­setzt, jeder Beschäf­tig­te ver­dient künf­tig min­de­stens 8,50 Euro pro Stun­de“, sagt Mat­thi­as Gün­ther vom Pest­el-Insti­tut. Der Lei­ter der Min­dest­lohn-Stu­die erwar­tet, dass der Zuwachs an Kauf­kraft nahe­zu eins zu eins in den Kon­sum gehen würde.

Für die Ver­ein­te Dienst­lei­stungs­ge­werk­schaft (ver.di) und die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) sind die Ergeb­nis­se der Stu­die ein kla­res Argu­ment für die sofor­ti­ge Ein­füh­rung eines gesetz­li­chen Min­dest­loh­nes von 8,50 Euro. Bei­de Gewerk­schaf­ten hat­ten die Unter­su­chung in Auf­trag gege­ben. „Wer den gan­zen Tag arbei­tet, muss mit dem, was er ver­dient, auch klar­kom­men kön­nen. Das klappt aber nicht, wenn Dum­ping­löh­ne gezahlt wer­den. Und ein Dum­ping­lohn ist alles unter 8,50 Euro pro Stun­de“, sagt die Geschäfts­füh­re­rin des ver.di-Bezirks Ober­fran­ken-West, Doris Stadelmeyer.

Nied­rig­löh­ner sei­en gezwun­gen, kür­zer zu tre­ten und Ver­zicht zu üben. „Sie kön­nen am Leben nicht rich­tig teil­neh­men. Das fängt schon beim Bus- und Bahn­ticket an. Für Aus­flü­ge und selbst für Ver­wand­ten­be­su­che reicht das Geld oft nicht. Genau­so wie fürs Kino oder Schwimm­bad“, sagt Doris Sta­del­mey­er. Ein Nied­rig­lohn bedeu­te auto­ma­tisch „eine Lebens­qua­li­tät drit­ter Klasse“.

Das zei­ge sich ganz beson­ders beim Ein­kauf: „Wer von einem Nied­rig­lohn lebt, für den sind die Käse- und die Frisch­fleisch­the­ke im Super­markt tabu. Bei Lebens­mit­teln kom­men dann nur Son­der­an­ge­bo­te und Bil­lig­pro­duk­te in Fra­ge. Am besten redu­zier­te Ware: Zwei­te-Wahl-Pro­duk­te oder Sachen kurz vor dem Ablauf­da­tum. Gering­ver­die­ner sind gezwun­gen, jeden Cent zwei­mal umzu­dre­hen“, sagt der Geschäfts­füh­rer der NGG-Regi­on Ober­fran­ken, Micha­el Grundl.

NGG und ver.di wer­fen Lohn­dum­ping-Arbeit­ge­bern vor, sie wür­den sich ihre „Geiz-Löh­ne“ vom Steu­er­zah­ler sub­ven­tio­nie­ren las­sen. „Näm­lich dann, wenn Men­schen einen sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Teil­zeit- oder Voll­zeit­job haben, aber so wenig ver­die­nen, dass der Staat mit Hartz IV drauf­le­gen muss. Das ist dann qua­si staat­lich sub­ven­tio­nier­tes Lohn­dum­ping. Sol­che Arbeit­ge­ber sind schlicht­weg unan­stän­dig“, so Micha­el Grundl.

Hef­ti­ge Kri­tik üben ver.di und NGG an der schwarz-gel­ben Bun­des­re­gie­rung: „CDU/CSU und FDP sind die ‚Min­dest­lohn-Brem­sen’. Die Wahr­heit ist, bei­de – Uni­on und Libe­ra­le – wol­len kei­nen ein­heit­li­chen gesetz­li­chen Min­dest­lohn. Vor der Bun­des­tags­wahl nicht. Und nach der Bun­des­tags­wahl erst recht nicht“, sagt ver.di-Bezirksgeschäftsführerin Doris Sta­del­mey­er. Das von Tei­len der schwarz-gel­ben Koali­ti­on gefor­der­te Modell, für unter­schied­li­che Regio­nen und unter­schied­li­che Bran­chen unter­schied­li­che Min­dest­löh­ne ein­zu­füh­ren, sei eine „Far­ce und von vorn­her­ein zum Schei­tern ver­ur­teilt“. Dies kom­me einem „Lohn-Flicken­tep­pich“ gleich und sei „rei­ne Augenwischerei“.

„Kein Mensch wird eine ‚Repu­blik der 1000 Min­dest­löh­ne’ je über­blicken, geschwei­ge denn kon­trol­lie­ren kön­nen. Ganz abge­se­hen davon, dass vie­le Unter­neh­mer nicht ein­mal bereit sein wer­den, sich mit den Gewerk­schaf­ten an einen regio­na­len Ver­hand­lungs­tisch zu set­zen“, so Micha­el Grundl von der NGG-Regi­on Ober­fran­ken. Damit sei klar, dass dies sogar zu einem „Min­dest­lohn-Flicken­tep­pich mit vie­len Löchern“ füh­ren wer­de. NGG und ver.di appel­lie­ren an alle Beschäf­tig­ten, die im Kreis Forch­heim zu einem Nied­rig­lohn arbei­ten, die­sen online beim Dum­ping­l­ohn­mel­der (www​.dum​ping​l​ohn​mel​der​.de) anzu­zei­gen. Die bei­den Gewerk­schaf­ten wol­len so noch vor der Bun­des­tags­wahl die „Deutsch­land-Bil­lig­lohn-Land­kar­te“ vervollständigen.