Start­schuss für neue Ver­bund­pro­jek­te auf dem Gebiet der Mate­ri­al- und Prozesssimulation

Symbolbild Bildung

High-Tech-Pro­duk­te durch maß­ge­schnei­der­te Werk­stof­fe und opti­mier­te Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se belast­ba­rer und lang­le­bi­ger zu machen, ist eine zen­tra­le Her­aus­for­de­rung für zahl­rei­che Indu­strie­bran­chen. Für inno­va­ti­ve Lösun­gen ist die Mate­ri­al- und Pro­zess­si­mu­la­ti­on heu­te unver­zicht­bar. Denn die Mög­lich­kei­ten der Com­pu­ter­si­mu­la­ti­on sind heu­te so weit aus­ge­reift, dass die Eigen­schaf­ten von Werk­stof­fen und die Ver­hal­tens­wei­sen der aus ihnen gefer­tig­ten Bau­tei­le mit hoher Genau­ig­keit vor­her­ge­sagt wer­den kön­nen. An der Uni­ver­si­tät Bay­reuth befasst sich Prof. Dr. Hei­ke Emme­rich, die den Lehr­stuhl für Mate­ri­al- und Pro­zess­si­mu­la­ti­on lei­tet, mit der Opti­mie­rung die­ser Ver­fah­ren. Dabei arbei­tet sie eng mit Indu­strie­part­nern zusam­men – so auch in zwei neu­en For­schungs- und Ent­wick­lungs­vor­ha­ben, die vor kur­zem gestar­tet sind.

EiSiM – auf dem Weg zu opti­mier­ten metal­li­schen Legie­run­gen und Gusstechniken

Bei der Her­stel­lung von Bau­tei­len, die glei­cher­ma­ßen von Ver­schleiß und Kor­ro­si­on bedroht sind, kom­men spe­zi­el­le metal­li­sche Legie­run­gen zum Ein­satz, die einen star­ken Schutz gegen bei­de Gefähr­dun­gen bie­ten. Ein Bei­spiel dafür sind die kom­ple­xen Bau­tei­le von Pum­pen für die Abwas­ser- und die Ver­fah­rens­tech­nik. Um der­ar­ti­ge Bau­tei­le aus kor­ro­si­ons- und zugleich ver­schleiß­be­stän­di­gen Legie­run­gen zu for­men, sind beson­ders anspruchs­vol­le Guss­tech­ni­ken erfor­der­lich. Aller­dings ent­ste­hen beim Gie­ßen inne­re Span­nun­gen im Bau­teil, die soge­nann­ten Eigen­span­nun­gen, die sich in ver­schie­de­ner Hin­sicht nach­tei­lig aus­wir­ken kön­nen. Die­sel­ben Eigen­schaf­ten der Legie­run­gen, die eine her­aus­ra­gen­de Ver­schleiß­be­stän­dig­keit bewir­ken, machen die Bau­tei­le rissanfällig.

Hier setzt das Pro­jekt „EiSiM“ an. Es zielt dar­auf ab, die Ent­ste­hung der Eigen­span­nun­gen im Detail auf­zu­klä­ren und in der Fol­ge dann zu redu­zie­ren. Damit das gelingt, nut­zen die Pro­jekt­mit­glie­der Simu­la­ti­ons­rech­nun­gen, um die fer­ti­gungs­tech­ni­schen Ver­fah­ren zu opti­mie­ren. „Mit unse­rem Know-how auf dem Gebiet der mate­ri­al­wis­sen­schaft­li­chen Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen kön­nen wir wesent­lich dazu bei­tra­gen, dass die Ursa­chen für Fehl­pro­duk­tio­nen besei­tigt wer­den. Metal­li­sche Legie­run­gen, die indi­vi­du­ell den Struk­tu­ren kom­ple­xer Bau­tei­le ange­passt sind, wer­den die unwill­kom­me­nen Eigen­span­nun­gen ver­hin­dern oder zumin­dest deut­lich redu­zie­ren“, erklärt Prof. Emmerich.

Indu­strie­part­ner von EiSiM ist KSB, ein welt­weit füh­ren­der Pum­pen- und Arma­tu­ren­her­stel­ler mit Sitz in Fran­ken­thal (Pfalz). Im ober­frän­ki­schen Peg­nitz befin­det sich das kon­zern­ei­ge­ne Kom­pe­tenz­zen­trum für Werk­stoff- und Guss­tech­nik. Hier ermit­teln KSB-Exper­ten die für die Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen not­wen­di­gen Ein­gangs­da­ten. Zudem sind sie auch für einen Teil der expe­ri­men­tel­len Werk­stoff-Unter­su­chun­gen zustän­dig, mit denen die Ergeb­nis­se der Simu­la­tio­nen über­prüft wer­den sol­len. Wei­te­re Pro­jekt­part­ner sind zwei klei­ne­re baye­ri­sche Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men: das Rönt­gen­la­bor Eigen­mann in Hor­mers­dorf und die Fir­ma Inn­COA GmbH in Neustadt/​Donau. Sie befas­sen sich mit der expe­ri­men­tel­len Ana­ly­se der inne­ren Span­nun­gen bzw. mit der Aus­wir­kung der Eigen­span­nun­gen auf die Korrosionsbeständigkeit.

Das Gesamt­pro­jekt wird vom Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­um für Wirt­schaft, Infra­struk­tur, Ver­kehr und Tech­no­lo­gie im Rah­men des For­schungs­pro­gramms „Neue Werk­stof­fe (BayNW)“ mit 400.000 Euro geför­dert, davon flie­ßen 154.000 Euro nach Bay­reuth an den Lehr­stuhl für Mate­ri­al- und Prozesssimulation.

SIM­CHAIN – mit einer neu­en Hoch­lei­stungs­soft­ware zu opti­mier­ten Rapid-Prototyping-Verfahren

Als Schlüs­sel­tech­no­lo­gie der Zukunft gilt heu­te das selek­ti­ve Elek­tro­nen­strahl­schmel­zen (SEBM). Damit kön­nen kom­ple­xe Bau­tei­le aus Pul­vern her­ge­stellt wer­den, bei denen es sich um spe­zi­el­le metal­li­sche Legie­run­gen han­delt. Die­se Tech­no­lo­gie zählt zu den soge­nann­ten Rapid-Pro­to­ty­p­ing-Ver­fah­ren, die es ermög­li­chen, aus den am Rech­ner ent­wickel­ten Daten direkt einen Werk­stoff oder ein geform­tes Bau­teil her­zu­stel­len. Das For­schungs- und Ent­wick­lungs­pro­jekt SIM­CHAIN zielt auf die Ent­wick­lung einer Soft­ware ab, mit der sich im vor­aus fest­stel­len lässt, ob die mit SEBM ent­wor­fe­nen Bau­tei­le den am Rech­ner defi­nier­ten Anfor­de­run­gen – ins­be­son­de­re hin­sicht­lich ihrer Belast­bar­keit und Fle­xi­bi­li­tät – auch tat­säch­lich ent­spre­chen. Damit die Soft­ware die­se hohen pro­gno­sti­schen Lei­stun­gen erbrin­gen kann, sol­len drei Simu­la­ti­ons­ver­fah­ren mit­ein­an­der ver­zahnt wer­den, die unab­hän­gig von­ein­an­der schon heu­te in Wis­sen­schaft und Indu­strie zum Ein­satz kommen.

„Wenn es uns gelingt, eine der­art lei­stungs­star­ke Soft­ware zu ent­wickeln, haben wir ein ein­zig­ar­ti­ges Instru­ment in der Hand, um Rapid-Pro­to­ty­p­ing-Ver­fah­ren zu opti­mie­ren. Wir kön­nen dann mit hoher Genau­ig­keit vor­her­sa­gen, wel­chen Ein­fluss bestimm­te Daten, die den Her­stel­lungs­pro­zess steu­ern, auf die mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten der pro­du­zier­ten Bau­tei­le haben“, erklärt Prof. Emme­rich, die Lei­te­rin des Pro­jekts. Pro­jekt­part­ner sind das Fraun­ho­fer Insti­tut für Werk­stoff­me­cha­nik in Frei­burg sowie der Lehr­stuhl für Werk­stoff­kun­de und Tech­no­lo­gie der Metal­le an der Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg. Beglei­tet wird SIM­CHAIN von der MTU Aero Engi­nes AG in Mün­chen, die das Pro­jekt­the­ma öffent­lich aus­ge­schrie­ben hat­te. Die ange­streb­te Soft­ware ist ins­be­son­de­re für die Luft­fahrt­in­du­strie hoch­at­trak­tiv. Sie ver­setzt die Inge­nieu­re in die Lage, am Rech­ner ent­wor­fe­ne Luft­fahrt­tei­le per Simu­la­ti­ons­ver­fah­ren mit opti­ma­len Eigen­schaf­ten aus­zu­stat­ten, so dass die pro­du­zier­ten Tei­le genau den Erwar­tun­gen entsprechen.

Vor die­sem Hin­ter­grund wird das Pro­jekt von Clean Sky Joint Under­ta­king (CSJU) geför­dert. CSJU ist ein Gemein­schafts­pro­jekt von euro­päi­schen Luft­fahrt­un­ter­neh­men, die umwelt­freund­li­che Tech­no­lo­gien in allen Berei­chen der Luft­fahrt vor­an­brin­gen wol­len. Die För­der­sum­me beträgt rund 710.000 Euro; davon erhält der Lehr­stuhl für Mate­ri­al- und Pro­zess­si­mu­la­ti­on rund 191.700 Euro.