Leser­brief: „Fahr­rad­haupt­stadt Bamberg“

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Im For­schungs­dienst Fahr­rad, geför­dert durch das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Ver­kehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung, schreibt das Deut­sche Insti­tut für Urba­ni­stik (difu) unter dem Titel „Fahr­rad­haupt­städ­te“:

„In den inter­na­tio­na­len Fahr­rad­haupt­städ­ten kommt ein brei­tes Spek­trum an poli­ti­schen Stra­te­gien und pla­ne­ri­schen Ansät­zen zur Anwen­dung. Es las­sen sich aber eini­ge zen­tra­le Cha­rak­te­ri­sti­ka her­aus­stel­len, die in vie­len die­ser Städ­te zum Erfolg geführt haben. So wird z.B. Rad­ver­kehrs­pla­nung als Teil einer inte­grier­ten Ver­kehrs- und Stadt­pla­nung defi­niert. Dies erfor­dert aber zugleich kon­se­quen­te Maß­nah­men zur Reduk­ti­on des Pkw-Ver­kehrs, wie zum Bei­spiel eine Umver­tei­lung des Stra­ßen­raums zugun­sten des Rad­ver­kehrs, Tem­po­li­mits oder die Erhö­hung von Parkgebühren.“

Rad­ver­kehrs­stra­te­gie:

Der ver­gleichs­wei­se hohe Anteil des Fahr­rads am hie­si­gen Ver­kehrs­auf­kom­men legt den Schluß nahe: Bam­berg könn­te sich in die Rei­he der Fahr­rad­haupt­städ­te ein­rei­hen. Aus­sa­gen der im Mai 2012 beschlos­se­nen Rad­ver­kehrs­stra­te­gie stüt­zen die Einschätzung.

So heißt es im Leitbild:

„Die För­de­rung des Rad­ver­kehrs ist vor­ran­gi­ges Ziel der Bam­ber­ger Ver­kehrs­po­li­tik. … Der Anteil des Rad­ver­kehrs am Gesamt­ver­kehr soll sich erhöhen, …“.

„Eine effi­zi­en­te Zusam­men­ar­beit aller Akteu­re aus Poli­tik, Ver­wal­tung, Initia­ti­ven und Ver­bän­den ist Vor­aus­set­zung für ein ‚fahr­rad­freund­li­ches Kli­ma’“, fah­ren die Autor/​inn/​en fort. Die Rea­li­tät indes zeigt sich ganz anders: Immer wie­der sehen sich die Interessensvertreter/​innen des nicht moto­ri­sier­ten Ver­kehrs mit fahr­rad­feind­li­chen Anord­nun­gen und Maß­nah­men kon­fron­tiert. Ihre eige­nen, fach­lich fun­diert aus­ge­ar­bei­te­ten Vor­schlä­ge und Ideen lan­den besten­falls auf der lan­gen Bank, in der Regel in Schub­la­den und Papier­korb. U. a. spielt, obgleich seit mehr als fünf Jah­ren durch die Baye­ri­sche Lan­des­bau­ord­nung vor­ge­ge­ben, das Fahr­rad in der Bau­leit­pla­nung kei­ner­lei Rolle.

Fahr­rad­haupt­stadt Bamberg?

Selbst für die wich­tig­sten Haupt­rou­ten des Rad­ver­kehrs gilt:

  • Benut­zungs­pflich­ti­ge Wege wer­den will­kür­lich, ohne Beach­tung der recht­lich erfor­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, angeordnet.
  • Unab­hän­gig von der ver­kehr­li­chen Bedeu­tung ist nicht ein­mal die Ein­hal­tung der recht­lich vor­ge­ge­be­nen Min­dest­quer­schnit­te sicher­ge­stellt. Viel­fach wer­den sie unter­schrit­ten. An die emp­foh­le­nen Regel­ma­ße auch nur zu den­ken, erscheint in höch­stem Maße utopisch.
  • Wei­te­re Qua­li­täts­kri­te­ri­en wer­den regel­mä­ßig miß­ach­tet: siche­re Lini­en­füh­rung, Kan­ten- und Hin­der­nis­frei­heit, seit­li­che Sicher­heits­räu­me und ande­res mehr. Man ist ver­sucht, in den Bam­ber­ger Ver­kehrs- und Ord­nungs­be­hör­den anar­chi­sti­sches Poten­ti­al zu ver­mu­ten: Legal? Ille­gal? Sch…egal!

Gera­de in Bezug auf das Fahr­rad ent­steht leicht der Ein­druck, in Bam­berg sol­le ört­li­ches Son­der­recht durch­ge­setzt wer­den (sie­he auch die Kon­fis­zie­rung auf dem Geh­weg nicht behin­dernd abge­stell­ter Fahr­rä­der auf der Bren­ner­stra­ße!). Doch nicht nur „Lan­des­recht über den Stra­ßen­ver­kehr ist unzu­läs­sig“ (All­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­vor­schrift zur Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung – VwV-StVO). Auch „für ört­li­che Ver­kehrs­re­geln bleibt nur im Rah­men der StVO Raum“ (ebd.).

Rad­ver­kehrs­an­la­gen die­nen in Bam­berg offen­kun­dig nicht der För­de­rung des Rad­ver­kehrs. Ziel ist, die Fahr­bah­nen zu Gun­sten des Kraft­fahr­zeug­ver­kehrs von Fahr­rä­dern frei­zu­hal­ten. Daß dies stei­gen­de Unfall­ri­si­ken nach sich zieht, neh­men die Ver­ant­wort­li­chen trotz war­nen­der Stim­men in Kauf. Zugleich steigt, bedingt durch die mise­ra­ble Qua­li­tät vie­ler Wege, die Zahl der Regel­ver­stö­ße. Schlim­mer: Im Glau­ben, die Fahr­bahn gehö­re ihnen, erzwingt ein Teil der Kraftfahrer/​innen mit­tels Fahr­stils und Ver­hal­tens, daß vie­le Radler/​innen aus Angst auf Geh­we­ge ausweichen.

Die Ver­kehrs- und Ord­nungs­be­hör­den sehen es augen­schein­lich nicht als ihre Auf­ga­be an, dem Rad­ver­kehr regel­kon­for­me, geschwei­ge denn attrak­ti­ve Ver­kehrs­räu­me bereit zu stel­len. Viel­mehr pran­gern sie wie­der­holt die durch sie selbst begün­stig­ten Regel­wid­rig­kei­ten im Rad­ver­kehr an. Das wesent­lich stär­ker risi­ko­be­haf­te­te Fehl­ver­hal­ten im Kraft­ver­kehr hin­ge­gen wird häu­fig ver­harm­lost und in nur gerin­gem Maße geahn­det. Letzt­end­lich bestärkt die Öffent­lich­keits­ar­beit die­ser Behör­den das vor­ste­hend geschil­der­te Revier­ver­hal­ten im Kraft­ver­kehr: „Wer wagt, auf mei­ner Fahr­bahn zu radeln?“

Dem ein­gangs aus der Bam­ber­ger Rad­ver­kehrs­stra­te­gie zitier­ten Fazit ist sicher zuzu­stim­men: „Der Anteil des Rad­ver­kehrs am Gesamt­ver­kehrs­auf­kom­men ist aus­bau­fä­hig!“ Aller­dings müs­sen die Ver­ant­wort­li­chen in Poli­tik, Ver­wal­tung und Behör­den dies auch wol­len. Der Ein­druck, das sei der Fall, drängt sich nicht unbe­dingt auf.

„Rad­ver­kehrs­pla­nung als Teil einer inte­grier­ten Ver­kehrs- und Stadt­pla­nung“, „kon­se­quen­te Maß­nah­men zur Reduk­ti­on des Pkw-Ver­kehrs“ oder „Umver­tei­lung des Stra­ßen­raums“, wie sie das difu anführt, sind in Bam­berg jeden­falls nicht zu erken­nen. Die Rad­ver­kehrs­stra­te­gie ent­hält nicht ein­mal eine Absichts­er­klä­rung, künf­tig vor­ge­schrie­be­ne (VwV-StVO) oder gar anzu­stre­ben­de (ERA 2010) Qua­li­täts­kri­te­ri­en ein­hal­ten zu wol­len. Ewig­gest­ri­ge Ansät­ze prä­gen das Bild: das, obwohl orts­nah gele­gen, prak­tisch nur durch Kfz-Ver­kehr erschlos­se­ne Gewer­be­ge­biet am Lau­ban­ger, die Kro­na­cher Stra­ße, die geplan­te innen­stadt­na­he Bahn­tan­gen­te, neue Park­mög­lich­kei­ten für das Kli­ni­kum, die nahe­zu aus­schließ­lich den Kfz-Ver­kehr berück­sich­ti­gen­de Bauleitplanung.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8