Leser­brief: „Offe­ner Brief an die Staats­an­walt­schaft Bamberg“

leserbrief-symbolbild

Sehr geehr­te Damen und Herren!

Mit Datum vom 16. Mai tei­len Sie unter dem Az. 2112 Js 5058/13 mit, daß Sie das Ver­fah­ren gegen den Pkw-Fah­rer, der mich am 21. Febru­ar ver­kehrs­ge­fähr­dend aus­ge­bremst hat, einstellen.

Da Ihrem Schrei­ben zu Fol­ge der Hal­ter des beschrie­be­nen Fahr­zeugs kei­ne Aus­sa­ge macht, wäre die­se Ein­stel­lung ärger­lich, aber nach­voll­zieh­bar. Es sind die wei­te­ren Umstän­de, die zum wie­der­hol­ten Mal bele­gen: Radfahrer/​innen sind in Bam­berg und Umge­bung Frei­wild, genie­ßen kei­ner­lei Schutz sei­tens der Behör­den. Im kon­kre­ten Fall behaup­ten Sie, ich hät­te auf Anschrei­ben der Poli­zei­in­spek­ti­on nicht reagiert. Fakt ist: Ich habe seit Erstat­tung der Anzei­ge kein Schrei­ben der Poli­zei, wel­cher Dienst­stel­le auch immer, erhal­ten, ins­be­son­de­re auch nicht zum vor­lie­gen­den Fall.

Es ist ohne­hin selt­sam: Falschparker/​innen wer­den, erhal­ten Sie eine ent­spre­chen­de Anzei­ge, immer belangt. Ist die Per­son, die das Delikt began­gen hat, nicht zu ermit­teln, wird der Hal­ter bzw. die Hal­te­rin her­an­ge­zo­gen. Ob eine Ver­kehrs­ge­fähr­dung vor­ge­le­gen hat, spielt kei­ne Rol­le. In Bam­berg wäre das ohne­hin Theo­rie. Denn die Anschau­ung belegt immer wie­der: Eng über­wacht wer­den bewirt­schaf­te­te Stell­plät­ze. Hin­ge­gen haben sich Park­über­wa­chungs­dienst wie auch Poli­zei wie­der­holt gewei­gert, gegen Rad- oder Fuß­ver­kehr gefähr­den­des Falsch­par­ken selbst in unmit­tel­ba­rer Nähe einzuschreiten.

Gefähr­det hin­ge­gen ein/​e Kraftfahrer/​in ande­re, ggf. sogar vor­sätz­lich, im flie­ßen­den Ver­kehr, kann der Hal­ter weder belangt noch zur Preis­ga­be der ver­ant­wort­li­chen Per­son gezwun­gen wer­den. Wel­chen Wert hat dann noch das Kenn­zei­chen des Fahr­zeugs? Das zu Grun­de lie­gen­de Wer­te­sy­stem erscheint mir arg deformiert.

Oben beschrie­be­ner Fall ist nicht der erste, der Fra­gen aufwirft:

Im Spät­som­mer des Jah­res 2011 kri­ti­sie­re ich in einem Offe­nen Brief gegen­über der Stadt Hall­stadt den alle fach­li­chen und recht­li­chen Vor­ga­ben miß­ach­ten­den Rad­weg am neu gebau­ten Kreis­ver­kehr Emil-Kem­mer-Stra­ße / Lau­ban­ger. Detail­liert unter­maue­re ich die Bean­stan­dun­gen an Hand bei­gefüg­ter Licht­bil­der und Zita­te aus tech­ni­schen Regel­wer­ken, Ver­kehrs­recht und amt­li­chen Ver­öf­fent­li­chun­gen. Die Stadt Hall­stadt reagiert mit halt­lo­ser Ver­däch­ti­gung wegen angeb­li­cher Sach­be­schä­di­gung durch Anbrin­gen von Auf­kle­bern auf Ver­kehrs­schil­dern. Die Staats­an­walt­schaft Bam­berg lei­tet tat­säch­lich ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen mich ein.

Mei­ne anschlie­ßen­de Straf­an­zei­ge gegen den ver­ant­wort­li­chen Bür­ger­mei­ster Hall­stadts wegen Ver­leum­dung, übler Nach­re­de und poli­ti­scher Ein­schüch­te­rung durch miß­bräuch­li­che Ein­schal­tung der Justiz weist die Staats­an­walt­schaft per Ein­stel­lungs­be­scheid zurück. Dabei wirft sie mei­nen Vor­gang noch mit einem ande­ren durch­ein­an­der, ist nicht in der Lage, getrenn­te Ver­fah­ren von­ein­an­der zu unter­schei­den. Wer aggres­siv Behör­den kri­ti­sie­re, müs­se damit rech­nen, unter Straf­tat­ver­dacht zu gera­ten. Die Baye­ri­sche Ver­fas­sung garan­tiert das Recht, sich jeder­zeit an die zustän­di­gen Behör­den zu wenden!

Mei­ne Beschwer­de bei der Gene­ral­staats­an­walt­schaft wird gleich­falls zurück­ge­wie­sen, kein ein­zi­ges Argu­ment erwi­dert. Pau­schal beruft sie sich auf den Ein­stel­lungs­be­scheid, wie­wohl des­sen Feh­ler­haf­tig­keit detail­liert beschrie­ben war.

Rund ein Jahr spä­ter sah ich mich gezwun­gen, eine Pkw-Fah­re­rin anzu­zei­gen, die mich bei der Eisen­bahn­un­ter­füh­rung der Zoll­ner­stra­ße aus­ge­bremst hat­te. In Fol­ge des Brems- und Aus­weich­ma­nö­vers war mir Sach­scha­den am Rad ent­stan­den, der eine sofor­ti­ge Wei­ter­fahrt unmög­lich mach­te. Die Fah­re­rin bedeu­te­te mir gesti­ku­lie­rend, ich hät­te den Rad­weg zu benut­zen. Die­ser ist weder benut­zungs­pflich­tig noch auf Grund sei­ner gerin­gen Dimen­sio­nie­rung mit mei­nem Hän­ger­ge­spann zu befahren.

Der mich befra­gen­de Poli­zei­be­am­te sah sei­ne wich­tig­ste Auf­ga­be offen­sicht­lich nicht in der Ermitt­lung der Täte­rin. Nach eige­ner Aus­sa­ge war sie ihm noch nach meh­re­ren Wochen nicht bekannt gewe­sen (Kenn­zei­chen, insti­tu­tio­nel­ler Hal­ter, Ort und Uhr­zeit waren Inhalt mei­ner Anzei­ge). Ihm erschien vor­ran­gig, mei­nen Anhän­ger zu ver­mes­sen und das Fahr­rad detail­liert auf etwa­ige Män­gel hin zu unter­su­chen. Da er kei­ne fin­den konn­te, mein­te er, das Pro­fil des Vor­der­rei­fens unter Ver­weis auf die Gefahr des Aqua­pla­nings bean­stan­den zu müs­sen – bei Fahr­rä­dern aus­ge­mach­ter Unsinn! Die Ver­mes­sung des Anhän­gers begrün­de­te er: Die (hier nicht in Zwei­fel gezo­ge­ne!) Situa­ti­on sei nur ent­stan­den, weil ich den Rad­weg nicht benutzt hät­te. Er müs­se sich ein Bild machen, ob dies ent­ge­gen mei­ner Aus­sa­ge mög­lich gewe­sen wäre. Dem Ein­wand, gemäß Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung – kei­ne Benut­zungs­pflicht ange­ord­net – sei dies irrele­vant, begeg­ne­te er: Das müß­te ich schon ihm überlassen.

Im spä­te­ren Ein­stel­lungs­be­scheid hieß es, die Fah­re­rin bestrei­te das vor­sätz­li­che Ver­hal­ten. Ihre – von mir nicht wahr­ge­nom­me­ne – Bei­fah­re­rin (glei­cher Fami­li­en­na­me in einem Dienst­fahr­zeug!) bestä­ti­ge die Ein­las­sung der Fah­re­rin. Ohne son­sti­ge Anhalts­punk­te wer­te­te die Staats­an­walt­schaft die Aus­sa­ge – im Gegen­satz zu mei­ner – expli­zit als glaub­wür­dig. Der sei­tens der Fah­re­rin geschil­der­te Her­gang – sie hät­te mich zuvor über­holt – ist auf Grund der Ört­lich­keit gar nicht möglich.

Auch in die­sem Fall ging die Gene­ral­staats­an­walt­schaft auf kei­nen ein­zi­gen der detail­liert beleg­ten Kri­tik­punk­te ein und wies den Wider­spruch ohne wei­te­re Begrün­dung zurück. Ich kann natür­lich – ange­sichts der spä­te­ren Wie­der­ho­lung des Ver­hal­tens­mu­sters – nicht beur­tei­len: Liegt dem Vor­ein­ge­nom­men­heit zu Grun­de? Wer­den Wider­sprü­che grund­sätz­lich nicht inhalt­lich bearbeitet?

Wei­te­re Anhalts­punk­te für behörd­li­che Voreingenommenheit

Im Früh­jahr 2011 kam es zu einem Unfall in der Maga­zin­stra­ße: Ein Strei­fen­wa­gen setz­te aus einer schwer ein­seh­ba­ren Grund­stücks­zu­fahrt. Quer über dem Rad­weg blieb er ste­hen, um den Kfz-Ver­kehr auf der Fahr­bahn abzu­war­ten. Eine vor­fahrt­be­rech­tig­te (!) Rad­fah­re­rin schaff­te es nicht, recht­zei­tig zu brem­sen, und kol­li­dier­te beim Ver­such aus­zu­wei­chen. Die Poli­zei stritt jeg­li­ches Fehl­ver­hal­ten ihrer­seits ab und schrieb der Frau die Allein­schuld (!) zu. Auf Nach­fra­ge führ­te sie Umstän­de an, die der Ört­lich­keit nach nicht zu erklä­ren sind: Die Rad­le­rin hät­te aus­rei­chend Raum zum Aus­wei­chen gehabt. Der Strei­fen­wa­gen hät­te durch Zurück­set­zen hin­ter ihm befind­li­che Fußgänger/​innen gefährdet.

Der – unzu­läs­sig benut­zungs­pflich­ti­ge – Zwei­rich­tungs­rad­weg hat eine Fahr­weg­brei­te von weni­ger als 1,50 m, der Geh­weg ist ähn­lich schmal. Wo soll dort gleich­zei­tig Raum zum Aus­wei­chen und (!) für hin­ter dem Strei­fen­wa­gen gehen­de Per­so­nen sein?

In ihrer Öffent­lich­keits­ar­beit erweckt die Bam­ber­ger Poli­zei immer wie­der den Ein­druck, Rad­ver­kehr sei das ent­schei­den­de Sicher­heits­ri­si­ko auf den Stra­ßen der Stadt. Nur: Der Anteil der Pedalist/​inn/​en am Ver­kehr, nach Anga­ben der Stadt Bam­berg 22 bis 23 %, ist rund drei­mal so hoch wie der am Unfall­ge­sche­hen (7,9 % lt. poli­zei­li­cher Darstellung).

Zur publi­zi­täts­träch­ti­gen Dra­ma­ti­sie­rung des Anstiegs ver­gleicht die Poli­zei die 2012 erfaß­ten Unfall­zah­len des Rad­ver­kehrs nicht mit denen des Vor­jah­res (in der Sum­me kaum eine Ände­rung, Rück­gang schwe­rer Sach­schä­den um ein Drit­tel, Zunah­me leich­ter Ver­let­zun­gen um 4,7 %), son­dern greift wei­ter zurück. Eine sorg­fäl­ti­ge Ursa­chen­ana­ly­se hin­ge­gen erfolgt nicht.

Der wie­der­holt behaup­te­te Zusam­men­hang angeb­lich häu­fi­ger Regel­ver­stö­ße durch Radfahrer/​innen mit dem Unfall­ge­sche­hen ist aus den ver­öf­fent­lich­ten Daten nicht abzu­lei­ten. So nennt die Poli­zei für 2012 gera­de zwei Unfäl­le, die Radler/​innen durch Rot­licht­miß­ach­tung ver­ur­sacht haben. Ange­sichts einer Gesamt­un­fall­zahl von 2332, davon 184 mit Fahr­rad­be­tei­li­gung, kann kaum von einem beson­de­ren Schwer­punkt die Rede sein.

Sei­tens der gesam­ten Poli­zei­in­spek­ti­on Bam­berg, unter­stützt durch aus­wär­ti­ge Bereit­schafts­kräf­te, muß­ten laut eige­ner Pres­se­mel­dung im Monat April „/​nur 15 Auto­fah­rer bean­stan­det wer­den, die ihr Fahr­zeug ver­bots­wid­rig auf einem Rad­weg abstell­ten, und dies, obwohl die ein­ge­setz­ten Beam­ten hier­auf beson­de­res Augen­merk legten/​“. Die­se Zahl erfaßt jede/​r belie­bi­ge Spaziergänger/​in an jedem belie­bi­gen Werk­tag locker inner­halb einer hal­ben Stunde.

Schluß­fol­ge­rung

Die Anord­nung der Rad­weg­be­nut­zungs­pflicht ist nur aus­nahms­wei­se und unter stren­gen Vor­aus­set­zun­gen zuläs­sig. Tech­ni­sche Regel­wer­ke geben Qua­li­täts­kri­te­ri­en für die Gestal­tung der Ver­kehrs­räu­me vor. Sei­tens der ört­li­chen Behör­den wer­den die recht­li­chen und fach­li­chen Vor­ga­ben weit­ge­hend ignoriert.

Radfahrer/​innen, die sich im Rah­men des Ver­kehrs­rechts ver­hal­ten, wer­den immer wie­der sei­tens rabia­ter Kraftfahrer/​innen gemaß­re­gelt. Grün­de sind Unkennt­nis der Regeln sowie ein nicht zuletzt durch Ord­nungs- und Ver­kehrs­be­hör­den geschaf­fe­nes Kli­ma: Rad­fah­ren gilt nicht als ernst­zu­neh­men­de Verkehrsart.

Ver­kehrs- und Ord­nungs­be­hör­den dif­fa­mie­ren den Rad­ver­kehr in ihrer Öffent­lich­keits­ar­beit. Fak­ten spie­len kei­ne Rol­le oder wer­den ver­zerrt dar­ge­stellt. Regel­ge­rech­te Ver­kehrs­räu­me bereit­zu­stel­len, sehen sie nicht als ihre Aufgabe.

Justiz­be­hör­den geben Radfahrer/​inne/​n deut­lich zu ver­ste­hen, daß ihre Rech­te kei­nen rea­len Wert haben.

Ist all das eines Rechts­staats würdig?

Wol­len die genann­ten Behör­den ihren Teil bei­tra­gen, die erwar­te­te Zunah­me des Rad­ver­kehrs zu bekämp­fen, um so die Vor­rang­stel­lung des Auto­ver­kehrs zu sichern?

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8