Leser­brief: „Bar­rie­re­frei­heit benö­tigt Umdenken“

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Sehr geehr­te Frau Ministerin!

Im Frän­ki­schen Tag vom 13. Mai wird über Ihre For­de­rung, den Frei­staat „bis zum Jahr 2025 bar­rie­re­frei für Alte, Behin­der­te und Fami­li­en zu machen“, berich­tet. „Für die … gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be … sei Bar­rie­re­frei­heit eine wesent­li­che Vor­aus­set­zung. … Mit dem Pro­gramm … will Hadert­hau­er Kom­mu­nen … unter­stüt­zen, Bar­rie­ren … auf Stra­ßen und Plät­zen … abzu­bau­en. … Von der Bar­rie­re­frei­heit des öffent­li­chen Raums wür­den alle pro­fi­tie­ren … . ‚Denn nicht nur für Roll­stuhl­fah­rer stel­len … hohe Schwel­len ein unüber­wind­ba­res Hin­der­nis dar, son­dern auch für älte­re Men­schen mit Rol­la­to­ren oder Fami­li­en mit Kinderwagen.’“

Barrierefreiheit benötigt Umdenken

Bar­rie­re­frei­heit benö­tigt Umdenken

Sinn­ge­mäß gleich­lau­tend, war in der Ver­gan­gen­heit wie­der­holt der Bam­ber­ger Ober­bür­ger­mei­ster zitiert wor­den. Gleich­wohl gibt es einen völ­lig blin­den Fleck im Sicht­feld unse­rer Stadt­ver­wal­tung, wenn es um Bar­rie­re­frei­heit geht:

Neben­ste­hen­des Bei­spiel illu­striert in gera­de­zu klas­si­scher Wei­se: Wird Geh­weg­par­ken ange­ord­net, greift es, ange­fan­gen im direk­ten Umfeld, um sich. Denn es ist schwer zu ver­mit­teln, wes­halb es an der einen Stel­le zuläs­sig sein soll, an der ande­ren hin­ge­gen nicht. Und wes­halb sol­len Autofahrer/​innen Regeln beach­ten, wenn es schon die Ver­kehrs­be­hör­de nicht tut?

„Das Par­ken auf Geh­we­gen darf nur zuge­las­sen wer­den, wenn genü­gend Platz für den unbe­hin­der­ten Ver­kehr von Fuß­gän­gern gege­be­nen­falls mit Kin­der­wa­gen oder Roll­stuhl­fah­rern auch im Begeg­nungs­ver­kehr bleibt.“
All­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­vor­schrift zur Straßenverkehrs-Ordnung

„Eine aus­rei­chen­de Ver­kehrs­flä­che für den Fuß­ver­kehr ist dann gege­ben, wenn zwei Fuß­gän­ger ein­an­der ohne Ein­schrän­kun­gen pas­sie­ren kön­nen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ver­kehrs­raum … eine Brei­te von 1,80 m auf­weist. Führt der Fuß­weg ent­lang einer Haus­wand oder Mau­er über 0,5m Höhe, ist auf die­ser Sei­te ein Sicher­heits­raum von 0,2 m hin­zu­zu­zäh­len. … Nur an über­schau­ba­ren Eng­stel­len ist ein Fuß­gän­ger­ver­kehrs­raum von 1,5m noch mög­lich. … Ein unge­hin­der­ter Begeg­nungs­fall zwei­er Mobi­li­täts­ein­ge­schränk­ter ist dann jedoch nicht mehr möglich.“
Jonas Klöp­fer: Leit­fa­den zur Über­prü­fung der Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht in Mainz, Juni 2011

(Bild 2) (Bild 3)

Wie vor­ste­hend bereits erwähnt: Wel­chem Ver­kehrs­teil­neh­mer soll ver­deut­licht wer­den, aus wel­chem Grund das Geh­weg­par­ken hier gestat­tet, dort unter­sagt ist?

Wen wun­dert noch, daß die Gren­zen weit ver­schwim­men und selbst die Schutz­be­dürf­tig­sten gezwun­gen wer­den, über die Fahr­bahn auszuweichen?

(Bild 4) (Bild 5)

Die im Bild zu sehen­de Fah­re­rin zeig­te kei­ner­lei Ver­ständ­nis für die Kri­tik an ihrem Ver­hal­ten. Der Hin­weis auf den nahen Kin­der­gar­ten weck­te gar (ver­ba­le) Aggressionen.

Die zu Beginn eines jeden Schul­jah­res in der Nähe der Grund­schu­le in Bam­berg-Gau­stadt – offen­bar zur Über­wa­chung des Schul­wegs – postier­te Poli­zei sah bis­lang taten­los zu, wie die Geh­we­ge rück­sichts­los zuge­parkt waren – teils von Anwoh­nern, teils von Eltern, die ihre Kin­der zur Schu­le oder zum benach­bar­ten Kin­der­gar­ten brach­ten. Der städ­ti­sche Park­über­wa­chungs­dienst scheint sein Augen­merk nahe­zu aus­schließ­lich auf bewirt­schaf­te­te Stell­plät­ze zu rich­ten. Auf nahe­ge­le­ge­ne Ver­kehrs­ge­fähr­dun­gen durch Falsch­par­ken ange­spro­chen, haben PÜD-Bedien­ste­te wie auch Poli­zei­be­am­te ein Ein­schrei­ten wie­der­holt verweigert.

„Bar­rie­ren ken­nen weder Alter noch Gesund­heits­zu­stand Sie stel­len ein Hin­der­nis dar, egal ob für Eltern mit Kin­der­wa­gen, Men­schen an Krücken, Klein­kin­der oder Rollstuhlfahrer.“
Ober­bür­ger­mei­ster Star­ke, Pres­se­mit­tei­lung der Stadt Bam­berg, 28.12.2012

„Manch­mal gibt es für das Geh­weg­par­ken kei­ne Alter­na­ti­ve, weil die Anwoh­ner ihren Pkw abstel­len müssen … .“
OB Star­ke, 29.02.2012

„Die Stadt Bam­berg tole­riert im Rah­men des Oppor­tu­ni­täts­prin­zips das Park­ver­hal­ten …, soweit … eine Rest­geh­weg­brei­te von 1,50 m gewähr­lei­stet ist.“
Bür­ger­mei­ster­amt der Stadt Bam­berg, 18.09.2012

Die gezeig­ten Bil­der sind nicht etwa sel­te­ne Schnapp­schüs­se. Sie geben die all­täg­li­che Erfah­rungs­welt in Bam­berg wie­der. Seit Jah­ren ver­su­chen, teils in Abstim­mung mit , teils unab­hän­gig von­ein­an­der, etli­che Men­schen, Stadt­ver­wal­tung und Kom­mu­nal­po­li­tik für die Pro­ble­ma­tik zu sen­si­bi­li­sie­ren. Sie sto­ßen nahe­zu durch­ge­hend auf brei­tes Desinteresse.

Der Voll­stän­dig­keit hal­ber: Auch an Bau­stel­len wird meist nicht bedacht, die Pas­sa­ge bar­rie­re­frei zu gestal­ten. Meist wären nur win­zi­ge Details zu ändern. Doch ent­spre­chen­de Ein­ga­ben wur­den bis­lang aus­nahms­los ignoriert.

Fazit:

Jedes Inve­sti­ti­ons­pro­gramm wird ver­puf­fen, zumin­dest aber einen Groß­teil sei­nes mög­li­chen Effekts ver­lie­ren, wenn die Gel­der in gut ver­markt­ba­re Image­pro­jek­te gesteckt wer­den, die brei­te Lebens­wirk­lich­keit indes unver­än­dert bleibt. Erfor­der­lich ist zunächst ein Umden­ken in den Köpfen.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig