Gedan­ken zum 1. Mai

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

Der römisch-katho­li­sche Erz­bi­schof Don Hel­der Cama­ra erzählt uns etwa fol­gen­de Geschich­te: Zwei Kut­scher blie­ben auf einer schlam­mi­gen Stra­ße im Dreck stecken. Bei­de spran­gen vom Kutsch­bock hin­un­ter. Der eine knie­te nie­der und bete­te lang und innig. Der ande­re spuck­te in die Hän­de, schob und zog unter Schrei­en und Flu­chen den Wagen, sporn­te die Tie­re an, leg­te Holz unter die Räder. Schließ­lich stieg ein Engel vom Him­mel her­ab, um zu hel­fen, aber nicht dem from­men Beter, son­dern dem ande­ren. Natür­lich wer­den wir dar­aus nicht den Schluss ziehen,es sei rich­tig, zu schimp­fen und es lie­ge nichts Schlim­mes dar­in, zu flu­chen. Aber der­je­ni­ge, der Gott die Ver­ant­wor­tung für alles auf­lädt und selbst nur betet und Gelüb­de ablegt, ohne Anstren­gun­gen zu unter­neh­men, der hat das Chri­sten­tum nicht verstanden.“

Zum christ­li­chen Glau­ben gehört also untrenn­bar auch der Ein­satz für eine fried­li­che­re, sozia­le­re Gesell­schaft, der kon­kre­te Ein­satz für den Mit­men­schen, der gera­de unse­re ganz per­sön­li­che Hil­fe braucht. Das kann der kran­ke Nach­bar sein, ein älte­res ehe­paar, das nicht mehr allei­ne ein­kau­fen kann, die Frau, die ihre Kin­der allei­ne groß­zie­hen muß und sich über einen Baby­sit­ter freu­en wür­de oder der Kol­le­ge, der von den ande­ren gemobbt wird. Das ist unse­re christ­li­che „Arbeit“. Wenn die Gewerk­schaf­ten am 1. Mai den „Tag der Arbeit“ bege­hen, dann for­dern sie zu Recht Voll­be­schäf­ti­gung, bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen, ange­mes­se­ne Löh­ne, wäh­rend heu­te immer mehr die amo­ra­li­schen Geset­ze des Mark­tes, des schnel­len Gewinns die Geset­ze der Mit­mensch­lich­keit, der sozia­len ver­ant­wor­tung aushebeln.

„Arbeit“ im christ­li­chen Sinn ist aber viel mehr als Berufs­ar­beit, Bil­dung mehr als Aus­bil­dung. Der Mensch ist kei­ne Maschi­ne, er ist nicht zum blin­den Gehor­sam abge­rich­tet wie ein Hund. Zur christ­lich ver­stan­de­nen „Arbeit“ gehört auch die heu­te so sträf­lich gering geschätz­te Tätig­keit im Haus­halt. Ein gutes Fami­li­en­le­ben, die gründ­li­che Erzie­hung der Her­an­wach­sen­den zu „anstän­di­gen“ Men­schen ist mit noch so viel Geld nicht auf­zu­wie­gen. Die ver­hee­ren­den Fol­gen die­ser Fehl­ent­wick­lung müs­sen dann Psych­ia­ter und Poli­zi­sten aus­ba­den. Zum christ­li­chen Arbeits­ver­ständ­nis gehört auch das Enga­ge­ment in den Ver­ei­nen und Ver­bän­den, wovon jede kom­mu­na­le Gemein­schaft lebt. Eben die­ses ehren­amt­li­che Enga­ge­ment sagt über den Cha­rak­ter eines Men­schen mehr aus als Schulnoten.

Ich wün­sche mir ein brei­tes, ehr­li­ches, dis­kus­si­ons­freu­di­ges Bünd­nis von kirch­li­chen Grup­pen und Arbeit­neh­mer­ver­tre­tun­gen, das frei­lich den Wirt­schafts­funk­tio­nä­ren kei­ne dog­ma­ti­schen Phra­sen um die Ohren haut, son­dern nach ver­nünf­ti­gen, fai­ren Lösun­gen sucht. Dane­ben brau­chen wir eine Poli­tik, die ihre voll­mun­dig aus­po­saun­te Fami­li­en­freund­lich­keit auch im All­tag unter Beweis stellt.

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de

Infos zu Chri­sti­an Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/​Aisch
  • Stu­di­um der evang. Theo­lo­gie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vika­ri­at in Schorn­weiss­ach-Vesten­bergs­greuth 1993 – 1996
  • Pro­mo­ti­on zum Dr. theol. 1995
  • Ordi­na­ti­on zum ev. Pfar­rer 1996
  • Dienst in Nürnberg/​St. Johan­nis 1996 – 1999
  • seit­her in Neustadt/​Aisch
  • blind
  • nicht ver­hei­ra­tet