Fortsetzungsroman: “Mamas rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Teil 92

Der Christopherus

Mamas Rosa Schlüpfer

Mamas Rosa Schlüpfer

Fassungslos erstarrten sie in ihren Bewegungen und brachten keinen Ton heraus. Die Brücke war weggesprengt worden. Auf beiden Ufern hatten noch Reste des eisernen Geländers die Sprengung überstanden. Verbogene Metallstreben ragten aus dem Fluss. Die Strömung formte um sie herum ständig wechselnde Wellen und Strudel.

„Da kommt einer. Das is ein Russe. Die ham solche Mützen.“

Alle drehten sich Mill zu, um zu sehen, wohin er deutete.

„Wir nehm mal alle die Hände hoch, dann kanner nich schießn.“

Hedwig und ihre drei Söhne standen jetzt mit erhobenen Händen da. Aus dem Dunkel der wuchernden Uferbüsche näherte sich ihnen langsam eine Gestalt. Sie konnten jetzt auch die Ohrenschützer der Pelzmütze erkennen, die im leichten Nachtwind hochlappten. Hedwig blickte sich noch schnell um, ob jeder Junge tatsächlich die Hände erhoben hatte. Sie wollte so lange warten, bis der Soldat zuerst spricht. Ganz gleich, ob er Deutsch verstand oder nicht. Die erhobenen Hände waren ja schließlich eine Sprache, die doch jeder Soldat verstehen musste.

Erst, als sich die Gestalt aus dem düsteren Hintergrund des Uferbuschwerks gelöst hatte, wurde ihnen bewusst, dass es wieder ihr Fluchthelfer war.

„Ich bedaure, dass ich Sie offensichtlich erschreckt haben muss.“

Herr Rapp sprach zu Hedwig gerichtet, als er sah, wie alle ihre erhobenen Hände langsam und ein bisschen verschämt senkten. Er wolle sich nur noch einmal vergewissern, ob alles wirklich geklappt habe.

Im Ort gehe ein Gerücht um, dass bei der Detonation von letzter Woche die Brücke in den Westen gesprengt worden sei. Zugleich machte er Hedwig Mut und meinte, dass „der junge Mann“ – und damit blickte er auf Hans – bestimmt das Zeug dazu habe, die Familie sicher durch den Fluss zu bringen.

Hedwig war klar, dass der Herr Rapp zurückgekommen war, um sich die vorher vereinbarten, aber seinerseits vergessenen einhundert Mark abzuholen. Seine gute Erziehung erlaube es ihm nicht, seine Hand fordernd aufzuhalten, dachte sie sich.

„Wir haben trotz allem Glück. Die Luft scheint heute rein zu sein.“

Nach überraschend kurzem „Viel Glück!“ wollte er wieder kehrtmachen. Doch diesmal konnte Hedwig ihn noch mit ein paar Schritten einholen und ihn an „das Vereinbarte“ erinnern.

„Ein deutscher Offizier nimmt kein Geld.“

Unauffällig und leise, fast flüsternd. Er tauchte wieder in den Schatten des Gestrüpps am Flussufer ein. Den zerknitterten Umschlag hatte sie in ihrer Manteltasche verschwinden lassen. Ihr ungläubig offener Mund schloss sich langsam. Sie konnte sich nicht mehr dagegen wehren, dass ihre Lippen kurz zitterten.

„Hatters genomm?“, wollte Hans wissen. Die Söhne hatten Rapps letzten Satz nicht verstehen können, sahen es aber ihrer Mutter an, dass er das Geld nicht genommen hatte.

„Was hattern gesagt?“
„Das sag ich euch, wennwer drübm sind.“

Hans hatte sich schon wieder gefangen. Er fischte sich einen angeschwemmten Ast ans Flussufer, zog sich bis auf die Unterhosen aus. Mit seinem Ast tastete er sich bis in die Flussmitte vor. Hedwig und die Brüder sahen wortlos vom sandigen Ufer her zu.

Als er wieder auf dem Trockenen war, zeigte er nur bis zur Brust.

„Zuerst trag ich den Mill rüber. Los, mach dich fertig!“

Der wollte nicht allein dort drüben an dem fremden Ufer stehen, wusste aber, dass jetzt bei seiner Mutter mit Quengeln oder Flennen nichts zu erreichen war. Die Schuhe von Hans und seine eigenen hingen ihm bald zusammengebunden um den Hals. Hedwig reichte ihm noch zwei geschnürte Kleidungsbündel hoch, die er links und rechts unter die Arme zu nehmen hatte. Dann stellte er sich mit gespreizten Beinen hin. Hans hob ihn auf seine Schultern.

Der Fluss nahm beide in sein nachtschwarzes Wasser auf. Mill fühlte, wie seine Waden kalt umspült wurden, mit denen er sich an den Oberkörper seines Bruders krampfte. Gern hätte er sich im unsicheren Schwanken, wie früher beim Reiterkampf, mit den Händen unter dem Kinn des Bruders festgehalten, aber die beiden Kleidungsbündel und die Schuhe verboten es ihm. Hans hatte die starke Drift der Flussmitte geschafft, tauchte langsam wieder hoch. Der kleine Bruder auf den Schultern hatte ein Gefühl, als würde er wachsen. Er ließ von oben zuerst die Bündel auf den Wiesenweg fallen. Dann streifte er die verknoteten Schuhe ab und warf sie herunter. Hans beugte sich und Mill glitt ihm von den Schultern.

Barfuß und hosenlos stand der Neunjährige am Westufer und blickte seinem Bruder nach. Fast schien ihm dessen weißer Rücken über der teerschwarzen Strömung zu schweben. Als er sich wieder zurückgekämpft hatte, stand Jank schon abholbereit am Ufer. Seine Mutter hatte ihm die Tasche auf beide Arme gelegt. Er sollte sie über dem Kopf seines Bruders hochhalten.

Das zweite tiefe Eintauchen in den bitterkalten Fluss nahm dem Träger anfangs fast den Atem.

Halblaut rief Hedwig ihnen über den Fluss etwas zu. Sie verstanden es nicht, weil es vom Plätschern und Gurgeln der Strömung verschluckt wurde, das an den Trümmerresten entstand.

Auf seinem letzten Rückweg drehte sich Hans in der Mitte des Flusses zum Westufer und wiederholte Hedwigs Anweisung, sie sollten sich jetzt anziehen.

Die Mutter hatte sich inzwischen zum Getragenwerden präpariert. Hans nahm sie im Huckepack. Er trug sie fast andächtig, obwohl sie ihm durch ihre beiden gefassten Handgelenke beinahe die Luft abdrückte. Mit seinen dürren Brüdern, diesen Heringen, hatte er sich noch die Uferböschung hinaufgequält. Jetzt erst merkte er, dass er am Ende war, ließ seine Mutter schon im knöcheltiefen Uferwasser herab. Er schlotterte bis tief in die Knochen, verschränkte die Arme kreuzweise vor der Brust und legte sich seine Hände über die Schultern.

Hedwig hatte unterdessen aus einem Bündel das Handtuch herausgezerrt und rieb ihm Brust und Rücken trocken. Er ließ es geschehen wie in Kindertagen.

„Steht nich so rum. Los, anziehn. Ihr werdet euch sonst noch den Tod holn!“

Stumm fischte sich jeder aus den Bündeln das heraus, was er drüben ausgezogen hatte. Hedwig drehte sich von den Söhnen weg und zog sich wieder ihren rosa Schlüpfer drunter. Den hatte sie auf dem Ostufer ausgezogen, weil sie damit beim Huckepack durch den Fluss nicht mit dem Hintern eintauchen wollte. Erst vor einer Woche hatte sie noch ein Exemplar davon in Golßen kaufen können. Die wärmten so herrlich, weil sie bis über das Knie gingen.

Alle standen nun wieder in trockenen Sachen aber irgendwie unschlüssig da. Langsam stieg die Wärme in den zähneklappernden Hans.

Hedwig hatte ja eigentlich vorgehabt, nach dem Gang über die Brücke den Boden im Westen zu küssen. Doch die Brücke gab es ja nicht mehr und sie dachte sich, dass ihre Jungen sie dabei wahrscheinlich verständnislos anschauen würden.

„Joachimwolfganghans! Wir sind jetzt im Westn!“

Mill wollte darauf nur wissen, ob es noch Fettbrote gäbe. Enttäuscht über seine Verfressenheit schüttelte sie den Kopf.

„Glaub nich, und wenn, dann kriegt das der Hans. Der hat das jetz nötich. Der hat uns heute durch den Fluss getragn wie der Christopherus.“

Sie kramte in der Tasche und hielt triumphierend einen Apfel aus Drahnsdorf hoch.

„Die vom Rolf, die sind alle noch da.“

Sie reichte Mill den Boskopapfel. Er zog einen Flunsch und drehte seinen Kopf weg.

„Wer nich will, der hat schon.“

Mit diesem Spruch hatte sie sich immer dann ihre gute Laune gerettet, wenn sie an ihren Kindern trotz der Notzeit Anzeichen von Verwöhnung und Genäschigkeit entdecken musste. Weit am Horizont waren ein paar schwache Lichtpunkte zu erkennen. Das musste der Ort sein, von dem ihr der amputierte Offizier erzählt hatte. Wenn die Turmuhr an der letzten Dorfkirche richtig gegangen war, dann musste es jetzt zwischen drei und vier Uhr nachts sein.

Der Weg, den sie am Ostufer bis zur gesprengten Brücke gegangen waren, setzte sich jetzt in langen, sanften Biegungen fort. Der musste sie einfach zu diesem Westdorf hinführen. Sie gingen ihn, ohne zu zweifeln.

Die quälend lange Zugfahrt, das angespannte Suchen nach ihrem Grenzführer, die Russenangst und der Flussübergang hatten dem Kleinsten die letzte Kraft gekostet. Er stolperte jetzt am Mantelzipfel seiner Mutter den Feldweg entlang. Bettreif und mit halbgeschlossenen Augen.

Nachtwind wehte ihnen den durchdringenden Kältehauch der dauernassen Wiesen entgegen. Krägen hochschlagen. Offene Knopflöcher schließen. Stumme Sehnsucht nach einem Dach über dem Kopf, einem prasselnden Ofen. Mill dachte an seine hohen, kuscheligen Hausschuhe, die man mit Blechspangen schließen konnte. Die mussten schon in Coburg sein, weil er gesehen hatte, wie seine Mutter sie in eines ihrer vielen Pakete gesteckt hatte.

„Hinter uns wird der Himmel schon hell“, glaubte Jank entdeckt zu haben.

Ein kaum erkennbarer, schmutziggrauer Rand am Osthorizont. Das nahe Morgengrauen erahnen. Der Westort, den ihnen der einarmige Fluchthelfer vorausgesagt hatte, nahm jetzt schon festere Konturen an. Jank hatte einen Kirchturm ausgemacht.

Hedwig konnte ihren Mantelzipfel mit einer Mutterlist von dem festen Griff ihres Jüngsten befreien. Bei SABINCHEN WAR EIN FRAUENZIMMER lockerte er den starren Schraubstock seiner Finger schon, als sie die Melodie summte. Er lief schließlich gelöst neben ihr her, bemühte sich sogar noch, die weit ausholenden Armbewegungen seiner älteren Brüder nachzuahmen.

Da kam aus Treuenbrietzen
ein junger Mann daher,
der wollte gern Sabinchen besietzen
und war ein Schuhmacher.

Das komische Wort Treuenbrietzen, ihr absichtlich falsch gesprochenes besietzen und die falsche Betonung bei Schuhmacher hatten es ihm angetan. Darüber hatte er sich schon mit fünf in der Sedanstraße vor Lachen gebogen. Jetzt, bei seinem Nachtmarsch in das Morgengrauen, ließ er immerhin noch ein Kichern hören. Hedwig war froh, dass die Moritat so viele Strophen hatte, deren Text sie nach Belieben verbiegen konnte.

Das bleiche Vorlicht des Tagesanbruchs ließ die Umgebung jetzt wieder klarer erkennen, gab ihr aber noch keine Farben. Der kleine Ort greifbar vor ihnen. Erst auf der Dorfstraße fiel ihr auf, wie alle Schritte müde auf dem Pflaster dahinschlurften.

Bahnhof – Dach über dem Kopf – Wartesaal – Kopf auf den Tisch – Decke über die Schulter – vielleicht ein Apfel – die leere Wehrmachtsflasche an einem Wasserhahn auffüllen – Klo.

Das Dorf lag um diese Vorfrühe noch als leblose Hülle da. Die mächtige Kirche aus Backstein mit dem wuchtigen Turm täuschte eine Bedeutsamkeit des Ortes vor. Ein paar Wohnhäuser mit schlichtem Fachwerk. Endlich ein handbemaltes Holzschild in Wegweiserform mit der ersehnten Aufschrift Bahnhof 2 km.

Nicht einmal ein Hahnenschrei begleitete ihren Durchzug.

Heimlich bewunderte Hedwig ihre Jungen. Keine Beschwerde, keine mutlose Miesmacherei, keinen Vorwurf hatte sie in der letzten Stunde von ihnen gehört.

Der neueTag hatte inzwischen damit begonnen, allem wieder vorsichtig Farbe einzuhauchen. Ein dunkelbraunes Band durchzog die Landschaft. Jank konnte in ihm auch schon die eisenrostig eingefärbten Steine der hohen Gleisaufschüttung erkennen. Sie näherten sich dem stattlichen Bahnhofsgebäude.

Der übliche Fahrradständer, in dem die Räder in Blechrinnen steil hochgestellt unter einem Wellblechdach warteten, um zum Ort zurückzufahren. Der Bahnhof hatte einen turmartig erhöhten Mittelbau mit vier dreieckigen, leicht geneigten Dachflächen. Auf beiden Seiten Anbauten zur Gepäckabfertigung. Ihre Fenster und Türen mit Brettern zugenagelt. Eine winzige Wartestube mit Vordach schloss sich an. Es wurde von drei gusseisernen, längsgerillten Säulen getragen.

Hans drückte die Tür zum Warteraum auf. Er war leer, ungeheizt und roch nach Fußbodenöl. Geruch ihrer Drahnsdorfer Schule nach den Ferien. Ein handgeschriebener Fahrplan war mit Reißnägeln auf der rissigen Innenseite der Tür angezweckt. Das rohrlose Gusseisenöfchen lehnte auf drei Beinen an der Wand. Ein widerlicher Schwall von altem Zigarettengestank entströmte der offenen Heizklappe.

Fast als Eindringlinge fühlten sie sich und flüsterten anfangs nur. Hans stellte die Tasche auf den groben Holztisch mit den vielen Zigarettenbrandflecken.

So ähnlich war das, als sie beim Lettau in die Stube einquartiert worden waren. Endlich wieder ein Dach über dem Kopf und auch eine Tür, die man hinter sich schließen konnte. Jank und Mill fragten leise nach einem Apfel vom Rolf. Hans hatte sich noch einen Teil von seinem Fettbrot aufgehoben und biss davon in kleinen Happen ab.

Da saßen sie nun auf der langen Sitzbank gegenüber dem einzigen Fenster, das zum Bahnsteig hinausging. Sie kauten still und müde, fast wie geistesabwesend, aber ohne Gier. Ihr Haar hing ihnen von der Nachtfeuchte und vom eigenen Schwitzen angeklebt und strähnig in die Stirn. Hans stand auf, ging an die Tür und las sich die Ankunfts- und Abfahrtszeiten durch. Mit Rotstift in ungelenken Buchstaben und Ziffern in vorgedrucktem Formular.

„Der erste Zug kommt um fünf nach siebm.“

Die beiden Jüngsten schliefen mit offenen Mündern und mit den grauen Augenringen der Erschöpfung. Hedwig wollte ihnen noch etwas Weiches unter den Kopf schieben, ließ es aber dann gut sein. Hans forderte seine Mutter auf, sich auszuruhen.

Sie wollte aber erst noch einmal ein Klo suchen. Ihre Monatsbinden hatte sie sich bisher immer aus vielen Lagen von Mullbinden aus dem geplünderten Zug selbst machen müssen. Auf den letzten Kilometern hatte sie gespürt, dass ein Wechsel wieder unbedingt fällig wurde. An den Oberschenkeln war ihr das Blut heruntergeflossen. In den Kniekehlen hatte es der Gummizug ihres langen rosa Schlüpfers aufgefangen. Die geronnenen, kratzigen Flecken spürte sie lästig auf der Haut. Die Jungen brauchten ja nicht unbedingt mitzukriegen, wie so etwas aussieht.

***

Sie hatte ja nicht wissen können, dass die drei schon in Drahnsdorf unabhängig voneinander über ihr peinlich gehütetes Frauengeheimnis Bescheid wussten. Keiner verriet es dem anderen. Jeder wollte es umgehen, vor dem Bruder von „ekelig“ zu sprechen, wenn es um seine Mutter ging. Schon öfter hatten sie diese blutigen Binden, zuerst in der Enge des Massenquartiers im Pastorhaus und später in der winzigen Stube beim Lettau, gesehen. Ihre Mutter erschien ihnen aber dabei nie als Kranke, sondern war wie immer liebevoll, lustig, streng, fleißig und kämpferisch zugleich. Also deuteten sie diese Sache als eine Besonderheit, die nun einmal zu ihrer Mutter gehört. Die Frage, ob andere Frauen auch so etwas hatten, stellten sie sich nie. Es gab Wichtigeres.

Und so schützten sie die Mutter durch ihr Schweigen.

***

„Ich weck euch dann, wenn er kommt. Ich pass hier am Fenster auf.“

Hans übernahm das Wächteramt. Nachdem Hedwig aus dem unsäglichen Plumpsklo wieder in den Warteraum zurückgekehrt war, schlief sie endlich in einer Bankecke im Sitzen wie besinnungslos ein. Hans blickte aus dem Fenster in die dunkle Reglosigkeit der Gleisanlage. Er mochte sich noch so stark gegen die Bleigewichte seiner Augenlider stemmen, der Schlaf zwang ihm zuerst den Kopf auf das niedrige Fensterbrett, ließ ihn dann langsam auf die Sitzbank gleiten.

***

„Jeduttnee, der Zug! Hans, die Tasche!“

Die Jungen waren zwar einen Augenblick noch hundemüde, schlaftrunken, fröstelig und verstört, begriffen aber sofort. Als sie aus dem Warteraum auf den Bahnsteig hasteten, sahen sie schon ein Dutzend Leute, die entweder gerade einstiegen oder noch darauf warteten.

„Die ham bestimmt durch das Fenster gekuckt und uns beobachtet, wie wir geschlafm ham“, murmelte Hans zu den beiden jüngeren Brüdern.

„Dann sind das gute Menschn, wenn die uns ham schlafm lassn!“

Hedwig sagte es so laut, dass Hans sich genierte.

Leiser Dampfatem drang durch die öligen, roten Riesenspeichen. Ein Mann aus dem Fahrerhaus lehnte sich überstreckt aus der Fensterluke und rieb die ausgestellte Seitenscheibe mit einem Lappen klar, in den er zuvor ausgiebig gespuckt hatte.

Als Letzter konnte sich Hans mit der Tasche in den Wagen hochziehen. Er setzte sich an einen Fensterplatz und klemmte sie zwischen die Füße. Seine Mutter hatte ihn vor den Kleinen nicht darauf angesprochen, dass er als Wächter am Fenster im Warteraum eingeschlafen war.

Sie waren erlöst. Hier brauchten sie endlich nicht mehr so zu tun, als wären sie zwei völlig verschiedene Reisegruppen. Irgendwie roch es in diesem Westzug auch viel besser, meinte Hedwig feststellen zu können. Mill saugte die Luft tief durch die Nase ein und nickte ihr zu.

Aus dem Roman “Mamas Rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Ebermannstadt.