Sonn­tags­ge­dan­ken: Der Sonn­tag vom guten Hirten

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

Das Wort vom Guten Hir­ten, sei­ne befrei­en­de, trö­sten­de, mah­nen­de Kraft, sind uns aus meh­re­ren Grün­den nicht mehr recht ver­ständ­lich: Zum einen kennt kaum noch jemand aus eige­ner Erfah­rung den har­ten All­tag eines Hir­ten. Es gab im Barock des 17. und 18. Jahr­hun­derts eine sen­ti­men­ta­le, schwül­sti­ge Hir­ten­dich­tung, die heu­te zu Recht ver­ges­sen ist. Eini­ge Aus­stei­ger aus der bür­ger­li­chen Gesell­schaft über­neh­men man­cher­orts, frei­lich nur zeit­lich befri­stet eine Her­de, um sich selbst zu fin­den, um nach­zu­den­ken über ihre bis­he­ri­ge Exi­stenz. Mit dem Hir­ten­amt Jesu hat weder das eine noch das ande­re zu tun. Näher kommt dem Gemein­ten eine Bron­ze­pla­stik, die der unver­ges­se­ne Bischof Wil­helm Stäh­lin auf sei­nem Schreib­tisch ste­hen hat­te: Da sieht man eine Hor­de Wöl­fe her­an­ja­gen, schon im Begriff, sich auf die ver­äng­stigt zusam­men­ge­dräng­ten Scha­fe zu stür­zen. Doch der Hir­te hat den Feind erspäht, hat sich bewaff­net auf­ge­macht, die Sei­nen zu ver­tei­di­gen. Dem ange­spann­ten Gesichts­aus­druck des Man­nes merkt man an, wel­che Last auf ihm ruht: Da gilt kein lan­ges oder gar fei­ges Zögern, da muss er abschät­zen, wel­cher Wolf zuerst zuschlägt, wel­ches Schaf sei­ne Hil­fe am schnell­sten braucht. Der Hir­te muss sei­ne Augen über­all haben, jeder­zeit bereit sein, sich zu opfern.

Doch trifft die­se Pla­stik, ja das Wort vom Guten Hir­ten über­haupt unse­re Situa­ti­on? Füh­len wir uns als Scha­fe? Die gel­ten doch all­ge­mein als dumm, als schwach, als feig. Der „moder­ne“ Mensch legt größ­ten Wert auf sei­ne per­sön­li­che Frei­heit, auf sei­ne Selbst­be­stim­mung. Vor eini­gen Jah­ren erschien ein für die­se Ein­stel­lung typi­sches Buch mit dem Titel: „Bra­ve Mäd­chen kom­men in den Him­mel, böse über­all hin“. Die Autorin woll­te gera­de den weib­li­chen Her­an­wach­sen­den Mut machen, ihr Leben kraft­voll in die eige­ne Hand zu neh­men. Und tat­säch­lich scheint es vie­len auch zu gelin­gen. Aber um wel­chen Preis! Die hohe Zahl der Schei­dun­gen, das um sich grei­fen­de Phä­no­men des Mob­bing, die Rüpel­haf­tig­keit vie­ler Zeit­ge­nos­sen zei­gen, wohin der Frei­heits- und Selbst­be­stim­mungs­kult füh­ren kann. Kin­der kön­nen dage­gen das Bild vom Guten Hir­ten ganz unmit­tel­bar ver­ste­hen. Sie füh­len sich noch hilfs­be­dürf­tig, abhän­gig und wie schnell endet ja auch der Höhen­flug des Gegen­warts­men­schen auf der Coach eines Psych­ia­ters beim Sozi­al­amt oder gar vor den Schran­ken des Gerichts. Als Christ aber darf ich gewiss sein, dass der gute Hir­te Jesus mich auch in der dun­kel­sten Stun­de beglei­tet und trägt, dass er mich über die Schwel­le des Todes zu Gott füh­ren wird. Dar­an will uns der 2. Sonn­tag nach Ostern erin­nern, der im Volks­mund Hir­ten­sonn­tag heißt.

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de

Infos zu Chri­sti­an Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/​Aisch
  • Stu­di­um der evang. Theo­lo­gie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vika­ri­at in Schorn­weiss­ach-Vesten­bergs­greuth 1993 – 1996
  • Pro­mo­ti­on zum Dr. theol. 1995
  • Ordi­na­ti­on zum ev. Pfar­rer 1996
  • Dienst in Nürnberg/​St. Johan­nis 1996 – 1999
  • seit­her in Neustadt/​Aisch
  • blind
  • nicht ver­hei­ra­tet