„Fasten­pre­digt“ mit Klaus Karl Kraus in Kirchehrenbach

Klaus Karl Kraus. Foto: Günter Anderl

Klaus Karl Kraus. Foto: Gün­ter Anderl

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Die­se Poli­ti­sche Weis­heit gilt auch in Kirch­eh­ren­bach. Wer zur poli­ti­schen Fasten­pre­digt von Klaus Karl Kraus zu spät kam, der konn­te aus der Mar­ga­re­ten- Stu­be des Gast­hau­ses Spon­sel schon die Won­nes­euf­zer ver­neh­men, die der erste Gang des beglei­ten­den Bier­me­nüs aus­ge­löst hat­te: Blau­kraut­sup­pe mit Pils­ner­schaum. Auch Fran­kens Chef Kaba­ret­tist, dem es als Ein­zel­gän­ger beim Groß­bay­ri­schen Rund­funk in Mün­chen nicht mehr recht gefällt, lob­te die Suppe.

Sie sei super gewe­sen, wie schon ihr Name sagt, aber nicht „lecker“. Kraus mit Mönchs­kut­te und Maß­krug bewaff­net begann sei­ne Fasten­pre­digt mit Sprach­po­le­mik gegen das all­ge­gen­wär­ti­ge Mode­wort „leg­ger“, das er als Preu­ßen­im­port demas­kier­te. Frän­ki­sche „Brod­werscht“ könn­ten nie­mals „leg­ger“ sein, denn sie bestün­den nur „aus einer g´hackten Sau im Darm“.Kraus erin­ner­te sich an die gro­bia­ni­schen Sprach­ge­bräu­che sei­ner Kind­heit im Wil­den Westen Ober­fran­kens am Lieb­li­chen Ufer der Aisch. Als der Vater beim sonn­täg­li­chen Früh­schop­pen ver­sackt war und sein Trak­tor kei­nen Weg durch den fri­schen Schnee fand, habe die reso­lu­te Mut­ter geflucht: „Wenn der Hunds­grip­pel ham kummt, hau ich ihm die Glees in die Goschn“.

Klaus Karl Kraus hat­te für sei­ne Pre­digt eine Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung des Bam­ber­ger Erz­bi­schofs erwirkt, die vor kur­zem zwei kri­ti­schen Theo­lo­gen aus Öster­reich ver­sagt wor­den war. er revan­chier­te sich für soviel groß­zü­gi­ge Libe­ra­li­tät und schlug vor, Ber­lus­co­ni zum näch­sten Papst zu wäh­len. Die poli­tisch Kul­tur in Deutsch­land pas­se sich sowie­so immer mehr ita­lie­ni­schen Ver­hält­nis­sen an. Die wer­de deut­lich, wenn das stot­tern­de Rhe­to­rik- Genie Edmund Stoi­ber vor­schla­ge, die Bild­schirm – Fül­lung Ste­phan Raab zum Mode­ra­tor der Dis­kus­si­on der Kanz­ler­kan­di­da­ten zu ernen­nen. Als Stei­ge­rung sei nur noch Flo­ri­an Sil­ber­ei­sen denk­bar. Jedes Volk bekom­me eben die Künst­ler, Poli­ti­ker und Show – Grö­ßen, die es ver­dient. Nein, er –kkk- gebo­ren in der tief­sten frän­ki­schen Pro­vinz, habe nichts gegen Preu­ßen, vor allem dann, wenn sie die „Goschn hald‚n“. Sein Ide­al­bild sei aller­dings die von der „Ein­zel­han­des­star­re erfass­te, frän­kisch in sich ruhen­de Ver­käu­fe­rin in einem Pro­vinz – Café, die in des­sen Hin­ter­zim­mer einen „Kuchen­sar­go­phag vol­ler aus­ge­stor­be­ner Muggn“ bewacht An ihrem Kör­per lie­ßen sich der Fort­gang der Evo­lu­ti­on beob­ach­ten: sein Wachs­tum voll­zie­he sich von der ver­ti­ka­len, zur hori­zon­ta­len Gesäß­fal­te. Ein „Oaschg­waaf“ zeich­ne die frän­ki­schen Stam­mes­an­ge­hö­ri­gen aus und mache sie Lie­bens­wert. Die Laut­kom­bi­na­ti­on „Dordnd­ordn“ sei ein lin­gu­isti­sches Juwel, ein ein­ma­li­ges Sprach – Back­werk. Am Beginn des zwei­ten Pre­digt­teils bedank­te sich Kraus zunächst beim Chef­koch Fer­di für den „wun­der­ba­ren Haupt­gang“ des Fasten­me­nüs : Gefüll­te Kalbs­brust , Ros­ma­rin­so­ße und Bay­risch­kraut. trotz­dem füll­te er sich unwohl. Bay­ern habe gera­de mit einer Reser­ve­mann­schaft 5:1 gewon­nen. Wenn der Münch­ner Star­club siegt, bekom­me er Pickel. Wenn Bay­ern ver­liert, wer­de er schnell wie­der gesund. Einer der Zuhö­rer frag­te: „was hälst du vom Klee­blatt ?“ Kraus kon­ter­te : „Wie vie­le hast du schon getrunken?“

Im Fina­le des Abends wur­de es ernst. Kraus griff Gedan­ken auf die der Ame­ri­ka­ni­sche Medi­en­ex­per­te Neil Post­mann schon vor zwei Jahr­zehn­ten geäu­ßert hat­te: wir infor­mie­ren uns zu Tode ;wir amü­sie­ren uns zu Tode. Die vom Infor­ma­ti­ons – Kapi­ta­lis­mus beherrsch­te Gesell­schaft bedür­fe drin­gend einer neu­en Ethik des Ver­zichts – Ver­zicht auf Digi­ta­le Hyper­tech­nik, Fleisch­gra­nu­lat und Pfer­de – Lasa­gne. Kraus rief ange­sichts der All­ge­gen­wart von Mobil­te­le­fo­nen zum Wort – Fasten auf. Laut Sta­ti­stik besit­ze in Deutsch­land eine vier­köp­fi­ge Fami­lie im Durch­schnitt 3,2 Fern­seh­ge­rä­te. Das Idol sol­cher Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on sei die Kult­fi­gur „Pig­gy aus Mar­zahn“- für den Kul­tur­kri­ti­ker aus dem Aisch­grund nur „eine fet­te Sau“. In Form einer „klei­nen Nacht­mu­sik“ bedank­te sich Kraus bei Wirt und Publi­kum für einen Abend vol­ler „Kul­tur pur in Kirch­eh­ren­bach .“ Die Paro­le war „Mit­ein­an­der lachen mit­ein­an­der den­ken!“ Die Neu­auf­la­ge folgt spä­te­stens in neu­en Jahr.