Sonn­tags­ge­dan­ken: Ersatz­rad oder Steuerrad

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

Ein Mis­sio­nar fuhr mit sei­nem ein­hei­mi­schen Fah­rer durch ein Dritt-Welt-Land. Sie unter­hiel­ten sich über die Fra­ge, wel­che Pflan­zen und Tie­re als Gleich­nis benutzt wer­den könn­ten, um den Men­schen die­ser Gegend die fro­he Bot­schaft zu ver­deut­li­chen. Der Ein­hei­mi­sche unter­brei­te­te den Vor­schlag, doch das Auto als Gleich­nis her­an­zu­zie­hen. Dem erstaun­ten Euro­pä­er erklär­te er: „Nun, es gibt bei­spiels­wei­se Chri­sten, deren Glau­be wie ein Ersatz­rad ist. Wenn sie in Not gera­ten, mei­nen sie: ‚Jetzt muss mir mein Glau­be hel­fen.‘ Ich den­ke, der Glau­be soll­te das Steu­er­rad sein.“

Der Fah­rer hat Recht: Wer denkt, der Glau­be sei eine Art stil­le Reser­ve, ein Ersatz­rad für die Pan­nen des Lebens, jeder­zeit in Not­fäl­len zur Hand, der wird bit­ter ent­täuscht. Es stimmt auch nicht, dass Not beten lehrt, viel­mehr flu­chen. In den Glau­ben müs­sen wir all­mäh­lich hin­ein­wach­sen, müs­sen uns in ihn ein­üben, ihn wie eine Kunst­fer­tig­keit durch stän­di­ges Trai­ning rei­fen las­sen. Der Glau­be muss sich im All­tag bewäh­ren, wächst durch Bela­stung. Der Glau­ben­de ver­traut wider den Augen­schein und allen Spott, wider alle Dumpf­heit auf die Lie­be Got­tes, der uns nicht immer am Unglück vor­bei­führt, wohl aber hin­durch. Der „moder­ne“, auf Ver­nunft und Lei­stung, auf schnel­len Erfolg bedach­te Euro­pä­er tut sich mit dem Glau­ben schwer.

Ein unbe­kann­ter Autor drückt es so aus: Ein halb­ver­schmach­te­ter Mensch quält sich durch die Wüste. Da erspäht er mit sehn­süch­ti­gen, bren­nen­den Augen eine Oase, hört eine Quel­le rau­schen, sieht die Pal­men sich im Win­de beu­gen, sogar die leuch­ten­den Früch­te fal­len ihm ins Auge. Er jedoch schüt­telt nur wütend den Kopf: „Eine Fata­mor­ga­na! Nur eine Sin­nes­täu­schung!“ So stol­pert er im Zick-Zack durch die Gegend, fällt um und stirbt. Andern­tags fin­den ihn zwei Bedui­nen, wun­dern sich über sein Ver­hal­ten. Da nimmt einer von bei­den den Pass des Ver­schmach­te­ten zur Hand und nickt dann ver­ste­hend sei­nem Kol­le­gen zu: „Aha, ein Euro­pä­er, die glau­ben nicht ein­mal, was sie sehen!“

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de