Leser­brief: „Städ­ti­sches Fahr­rad-Pro­jekt Geisterradler“

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Bei einem Anteil von nur 23 % am Ver­kehrs­auf­kom­men (knapp jeder vier­te zurück­ge­leg­te Weg; Quel­le: Stadt Bam­berg) ver­ur­sa­chen Rad­fah­rer mit 3 % (lt. Unfall­sta­ti­stik 2011 der Poli­zei) annä­hernd jeden drei­ßig­sten Unfall, sind ergo mit deut­li­chem Abstand für den Löwen­an­teil ver­ant­wort­lich. Logisch, daß hier der Schwer­punkt der Ver­kehrs­si­cher­heits­ar­beit lie­gen muß.

Daß Gei­ster- und Geh­weg­ra­deln nicht ohne Risi­ko sind, leuch­tet ein. Doch aus­ge­rech­net auf einer der gefähr­lich­sten Strecken wur­den die fal­schen Schil­der ange­bracht: Obgleich bereits meh­re­re Unfäl­le bekannt sind, obgleich annä­hernd täg­lich gefähr­li­che Situa­tio­nen nur durch schnel­le Reak­ti­on und Vor­fahrt­ver­zicht sei­tens des Rad­ver­kehrs ent­schärft wer­den, ist das Gei­ster­ra­deln auf der Nord­tan­gen­te (Maga­zin­stra­ße, Regens­bur­ger Ring) aus­drück­lich angeordnet.

Die recht­li­chen Bestim­mun­gen las­sen den benut­zungs­pflich­ti­gen Zwei­rich­tungs­rad­weg gar nicht zu: Inner­orts ist er wegen des hohen Gefah­ren­po­ten­ti­als grund­sätz­lich unzu­läs­sig. Über­dies wer­den sämt­li­che qua­li­ta­ti­ven Anfor­de­run­gen, die zwin­gend erfüllt sein müß­ten, miß­ach­tet: aus­rei­chen­der Quer­schnitt, Sicher­heits­räu­me zu angren­zen­den Ver­kehrs­flä­chen, über­sicht­li­che Lini­en­füh­rung, Hin­der­nis­frei­heit, siche­re Fahr­bahn­que­run­gen an Anfang und Ende, aus­rei­chend Raum für den Fuß­ver­kehr. Auf Gau­stadter Sei­te müß­te gar eine 15 cm hohe Bord­stein­kan­te über­wun­den wer­den, um den Weg über­haupt errei­chen bzw. ver­las­sen zu können.

Seit bei­na­he ein­ein­halb Jahr­zehn­ten erlaubt die Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung benut­zungs­pflich­ti­ge Rad­we­ge nur in begrün­de­ten Aus­nah­me­fäl­len: Unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung ist eine in der Ört­lich­keit begrün­de­te, das all­ge­mei­ne Maß erheb­lich über­stei­gen­de Gefah­ren­la­ge auf der Fahr­bahn. Behörd­li­cher­seits aber wird den Radfahrer/​inne/​n immer wie­der ver­deut­licht, daß sie auf der Fahr­bahn uner­wünscht sind. Das Rad­fah­ren auf Geh­we­gen kann als unmit­tel­ba­re Fol­ge die­ser Poli­tik ange­se­hen wer­den. Vie­len erscheint die Fahr­bahn als zu gefähr­lich, weil die Ver­kehrs­len­kung scheut, die Gleich­be­rech­ti­gung des Rad­ver­kehrs deut­lich her­aus­zu­stel­len. Und obgleich der Anteil des Rad­ver­kehrs in Bam­berg drei­mal so hoch ist wie sei­ne Unfall­be­tei­li­gung, betont die behörd­li­che Öffent­lich­keits­ar­beit vor allem das Risi­ko – mit der wahr­heits­wid­ri­gen Ten­denz, dem Rad­ver­kehr auch gleich die Ver­ant­wor­tung für das Unfall­ge­sche­hen zuzuweisen.

Auch Gei­ster­ra­deln hat sei­ne Ursa­chen: Wem ange­sichts dich­ten und / oder schnel­len Auto­ver­kehrs und feh­len­der Que­rungs­hil­fen der (u. U. zwei­mal erfor­der­li­che) Sei­ten­wech­sel zu auf­wen­dig und gefähr­lich erscheint, ver­zich­tet leicht dar­auf. War­um, mag er/​sie den­ken, darf ich hier nicht links­sei­tig fah­ren, wenn es dort (s. o.!) doch sogar vor­ge­schrie­ben ist? Die Ver­kehrs­be­hör­den soll­ten sich zunächst an die eige­ne Nase fas­sen. Wer sich mit unan­ge­brach­ter Rück­sicht auf den moto­ri­sier­ten Ver­kehr scheut, die Infra­struk­tur für Fuß- und Rad­ver­kehr ange­mes­sen zu gestal­ten, wer mit der­sel­ben Moti­va­ti­on gefähr­li­ches Gei­ster­ra­deln anord­net, darf sich über das beklag­te Fehl­ver­hal­ten nicht wundern.

Bezeich­nend erscheint auch, wel­che Part­ner sich die Stadt für ihre Akti­on gewählt hat. Weder Bam­ber­ger Poli­zei noch Ver­kehrs­wacht sind bis­lang dafür bekannt, das Fahr­rad als Ver­kehrs­mit­tel ernst­zu­neh­men. Ehren­amt­lich Akti­ve mit aus­ge­wie­se­ner Fach- und Sach­kun­de hin­ge­gen sind nicht beteiligt.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8
96049 Bamberg-Gaustadt