Gedan­ken zum 1. Mai, zum Tag der Arbeit

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

An der Wand eines Auto­bahn­r­ast­hau­ses soll fol­gen­des Gedicht zu lesen stehen:

„Wie hin­ter fort­ge­weh­ten Hüten
so jagen wir Ter­mi­nen nach.
Vor lau­ter Hast und Arbeitswüten
liegt unser Innen­le­ben brach.
Wir tra­gen Stopp­uh­ren in den Taschen
und gur­geln abends mit Kaffee.
Wir het­zen von Geschäft zu Festen
und den­ken nur im Expose.
Wir rech­nen in der Arbeitspause
und rau­chen zwan­zig pro Termin
und kom­men mei­stens nur nach Hause,
um fri­sche Wäsche anzuzieh’n.
Wir kön­nen nicht mehr gehen, wir traben
und sit­zen kaum beim Essen still.
Wir mer­ken, daß ein Herz wir haben,
erst, wenn die Pum­pe nicht mehr will.“

Die Hektik,die Ner­vo­si­tät neh­men unter uns zu, schon bei den Klei­nen im Kin­der­gar­ten. Natür­lich soll­ten wir auch nicht die „guten alten zei­ten“ idea­li­sie­ren, denn das Leben auf dem Bau­ern­hof war kör­per­lich viel här­ter als das Klim­pern auf dem Com­pu­ter, das Gesin­de wehr­los der Gewalt der Herr­schaft aus­ge­lie­fert, nament­lich die Mäg­de und Zimmermädchen.

Am 1. Mai fei­ern die Gewerk­schaf­ten den „Tag der Arbeit“, ver­lan­gen mit kirch­li­cher Unter­stüt­zung Voll­be­schäf­ti­gung, den Abbau der Über­stun­den, fami­li­en­freund­li­che Arbeits­zei­ten, hof­fent­lich auch mehr Enga­ge­ment bei der Ein­stel­lung von behin­der­ten und die Wah­rung sozia­ler Min­dest­stan­dards bei den deut­schen Fir­men in Über­see. Der Mensch braucht Arbeit, um sich wohl zu füh­len. Aber war­um muss der Ehe­part­ner eines gut Ver­die­nen­den unbe­dingt auch berufs­tä­tig sein? Könn­te er nicht auch im sozia­len, sport­li­chen, kul­tu­rel­len oder kirch­li­chem Bereich auf ehren­amt­li­cher Basis sinn­vol­le, befrie­di­gen­de Arbeit verrichten?

Mich erschrecken Ten­den­zen in unse­rer Gesell­schaft, Men­schen nach ihrer Arbeits­lei­stung, nach ihrem „Markt­wert“ zu beur­tei­len. Was für eine arme, kal­te Gesell­schaft, wo der Wert eines Men­schen vom Geld­beu­tel bestimmt wird! Nach christ­li­cher Über­zeu­gung ist jeder (!) Mensch Eben­bild Got­tes, auch der Arbeits­lo­se, der Sozi­al­hil­fe­emp­fän­ger und der Klein­rent­ner. Aus die­ser Gewiss­heit darf Kraft schöp­fen, auch wer gesell­schaft­lich nichts gilt.

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de