Urvö­gel krei­sen nachts über Kirchehrenbach

Drei „Urvögel“

Drei „Urvö­gel“. Foto: Gün­ter Anderl

Drei „Urvö­gel“ kamen aus Nürn­berg geflo­gen und lan­de­ten ziel­ge­nau im Gast­haus Spon­sel zur letz­ten Ver­an­stal­tung der „Kirch­eh­ren­ba­cher Kul­tur­wo­chen“. Die drei Kaba­ret­ti­sten Peter Knob­loch, Rolf Böhm und Clau­dia Kurrle brach­ten mit ihrem in der Noris oft gespiel­ten Kult­klas­si­ker „Die Schloss­füh­rung“ raf­fi­nier­te sati­ri­sche Wür­ze für ein vier­gän­gi­ges Festmenue.

Des­sen Ouver­tü­re „Fein­schmecker­sa­lat mit Stein­pilz­ter­ri­ne“ war gera­de vor­bei, da leg­te das „Trio Infer­na­le“ schon los. „Die Schloss­füh­rung“, als Zeit­rei­se kon­zi­piert, beginnt im deut­schen Mit­tel­al­ter als rausch­haf­ter Can­can, den Mön­che, Non­nen und Rit­ter ver­zückt tan­zen. Als Bier­stu­ben-Mephi­sto öff­net Rolf Böhm ganz neue Per­spek­ti­ven einer einst als fin­ster und prü­de ver­schriee­nen Epo­che. Sex­sucht und Liber­ti­na­ge waren – nach neue­sten For­schun­gen – prä­gen­de Kenn­zei­chen die­ses Zeit­al­ters. Vor allem die Orts­na­men­for­schung und die Sied­lungs­ge­schich­te haben hier­für schlüs­si­ge Bewei­se gelie­fert. Rolf Böhm erin­ner­te an den poe­tisch ver­träum­ten Dorf­platz von „Pfl­um­loch“, aber auch an eine uralte Burg im Land­kreis Forch­heim mit einem tabui­sier­tem Namen, die schon Vic­tor von Schef­fel besun­gen hat.

Mit dem Adel ging es gut­ten-berg­ab. Die Feu­dal­ge­sell­schaft ent­ar­te­te zur Erleb­nis­ge­sell­schaft. Spott­bil­li­ge Wochen­end-Tickets nach Canos­sa wur­den ange­bo­ten und Erleb­nis-Kreuz­zü­ge nach Jeru­sa­lem ver­an­stal­tet. Dort galt Bun­gee-Sprin­gen vom Mina­rett als Frei­zeit­sport. Die Wüsten­mär­sche in Palä­sti­na ver­führ­ten zum Sau­fen und beschleu­nig­ten den Ver­fall des rit­ter­li­chen Tugend­sy­stems. Allein die Fran­zis­ka­ner-Mön­che begnüg­ten sich mit Weißbier.

Aus der Ur-Vogel­per­spek­ti­ve hob sich ein Adels­ge­schlecht von der all­ge­mei­nen Deka­denz ab: die Wit­tels­ba­cher in Alt­bay­ern. Ein Sei­ten­zweig der Fami­lie ver­lies das von „Ver­lu­de­rung und Ver­lu­the­rung“ befal­le­ne Alt­eu­ro­pa und grün­de­te in der eben ent­deck­ten Neu­en Welt ein mäch­ti­ges Wirt­schafts­im­pe­ri­um. Sein Zen­trum: Die Kari­bik­in­sel Jamai­ka, deren Namen sich ein­deu­tig vom alt­bai­ri­schen „Ja mei“ ablei­tet. Schwar­ze Gast­ar­bei­ter wur­den von der Elfen­bein­kü­ste impor­tiert, der Skla­ven­han­del stei­ger­te den Akti­en­in­dex. Auch bei der Her­stel­lung von Gams­bär­ten erreich­te der Bay­ern-Trust bald die Füh­rungs­po­si­ti­on im kari­bi­schen Raum. Nur die Weiß-Wurst ließ sich in der Welt der Schwar­zen schlecht ver­kau­fen. Ein „Gans­sup­perl mit Gemü­se­strei­fen“ been­de­te vor­über­ge­hend die Kas­ka­de der Wit­ze und Wortspiele.

Auch Vampire haben Probleme

Auch Vam­pi­re haben Pro­ble­me. Foto: Gün­ter Anderl

Der Gans­sup­pe ent­stieg eine Zucker­pup­pe: als Grä­fin Mari­za ver­nasch­te Clau­dia Kurrle beim Wie­ner Kon­gress 1814/15 die Für­sten Met­ter­nich und Lich­now­sky („So schön hat mich noch kei­ner ver­ge­wal­tigt!“) und lan­det schließ­lich in den behaar­ten Armen des Gra­fen Dra­cu­la. Der Blut­sauger aus den Kar­pa­ten ist aber durch die per­ma­nen­te Alko­hol­ver­gif­tung sei­ner Opfer in sei­ner Trieb­dy­na­mik gelähmt. Die glei­che Schwä­che hat in der Anschluss-Sze­ne Bay­erns „Impo­ten­tat“ Lud­wig II befal­len, der sei­nen Musik­clown Richard Wag­ner unter­wür­fig anhimmelt.

Zur Stär­kung der erschlaff­ten Kör­per wird der Haupt­gang des Fest­me­nues ser­viert: Sal­tim­boc­ca vom Reh mit Gewür­z­ap­fel­kom­pott. Doch wie das anschlie­ßen­de Fina­le zeigt, ist auch des­sen Wir­kung begrenzt. Auch im bri­ti­schen Königs­haus domi­niert der Virus von Impo­tenz und Deka­denz. Nach­dem Lady Dia­na „ver­un­glückt worn“ ist, ver­än­dern Prinz Charles und Ehe­frau Camil­la ihren Fami­li­en­na­men Wind­sor in Win­zer. Wein­se­lig und mit gro­ßen Ohren däm­mern sie zwi­schen Polo­spiel und Rott­wei­ler-Zucht durch die Epo­che. „War das nicht ein wun­der­ba­rer Abend/​ein Essen bes­ser noch als bei Bocu­se“ träl­lert der Urvö­gel-Chor zum Des­sert (Tonk­a­boh­nen-Crè­me-Bru­lee mit Joghurt-Sor­bet) Ein­wän­de waren nicht zu vernehmen.