Bam­ber­ger und Göt­tin­ger For­scher ver­öf­fent­li­chen Stu­die zu Erwerbs­chan­cen und finan­zi­el­ler Absi­che­rung alter Menschen

Län­ger arbei­ten in Deutschland

Bür­ge­rin­nen und Bür­ger der Euro­päi­schen Uni­on sol­len immer spä­ter in Ren­te gehen – das ist eines der zen­tra­len Zie­le, die sich die Staats- und Regie­rungs­chefs der EU im Jahr 2000 beim Tref­fen des Euro­päi­schen Rates in Lis­sa­bon gesteckt haben. Der Grund: Die EU soll zum wett­be­werbs­fä­hig­sten und dyna­misch­sten Wirt­schafts­raum der Welt werden.

Tat­säch­lich zeich­net sich seit 2000 ein Anstieg der Alters­er­werbs­tä­ti­gen­quo­te in Deutsch­land ab. Eine neue, inter­na­tio­nal ver­glei­chen­de Stu­die, vor­ge­legt von Bam­ber­ger und Göt­tin­ger For­schern, ver­deut­licht jedoch auch die Pro­ble­me die­ser Ent­wick­lun­gen: Die Ver­län­ge­rung der Lebens­ar­beits­zeit in Deutsch­land gelingt näm­lich, anders als in ande­ren euro­päi­schen Län­dern, nur einem bestimm­ten Teil der älte­ren Bevöl­ke­rung – den Höher­qua­li­fi­zier­ten. „Ins­be­son­de­re gering qua­li­fi­zier­te älte­re Men­schen in Bran­chen, die unter wirt­schaft­li­chen Druck ste­hen, wie bei­spiels­wei­se im ver­ar­bei­ten­den Gewer­be, schaf­fen es nicht, län­ger zu arbei­ten“, so Prof. Dr. Hans-Peter Bloss­feld, Sozio­lo­ge an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg und einer der Lei­ter der For­scher­grup­pe, die die­se Stu­die durch­ge­führt hat. Feh­len­de Wei­ter­bil­dungs­maß­nah­men, das Nach­las­sen der kör­per­li­chen Fähig­kei­ten und Ver­su­che, den deut­schen Arbeits­markt zu ent­la­sten, führ­ten in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten dazu, dass älte­re Men­schen mit Früh­ver­ren­tungs­maß­nah­men vom Arbeits­markt ver­drängt wur­den. „Vie­len die­ser Arbeit­neh­mer gelingt es nicht ein­mal, bis zum 60. Lebens­jahr zu arbeiten.“

Wie die Ergeb­nis­se von Bloss­feld und sei­nem Team zei­gen, kann Deutsch-land dies­be­züg­lich also noch eini­ges ler­nen – ins­be­son­de­re von den skan-dina­vi­schen Län­dern. Gera­de auch gerin­ger Qua­li­fi­zier­ten wer­de hier deut­lich erfolg­rei­cher eine Ver­län­ge­rung der Lebens­ar­beits­zeit ermög­licht. „Dies liegt vor allem dar­an, dass skan­di­na­vi­sche Län­der anders als Deutsch­land viel stär­ker in die Beschäf­ti­gungs­fä­hig­keit von Men­schen inve­stie­ren – bei­spiels­wei­se durch eine akti­ve­re Arbeits­markt­po­li­tik und durch eine viel stär­ke­re Ori­en­tie­rung in Rich­tung des lebens­lan­gen Ler­nens“, erklärt Blossfeld.

In Deutsch­land dage­gen zie­len die poli­ti­schen Bemü­hun­gen zur Ver­län­ge-rung der Lebens­ar­beits­zeit bis­her ein­sei­tig auf Refor­men des Ren­ten­sy­stems, ohne gleich­zei­tig auch umfas­sen­de­re Beschäf­ti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­an­ge­bo­te für älte­re Men­schen aus­zu­bau­en. „Das heißt also: Heu­te wird zwar von älte­ren Men­schen in Deutsch­land erwar­tet, län­ger zu arbei-ten, ermög­licht wird es ihnen aber nicht“, fasst Bloss­feld zusammen.

Letzt­lich füh­ren die­se ein­sei­ti­gen, poli­ti­schen Bemü­hun­gen in Deutsch­land nicht nur dazu, dass das Land hin­ter den Alters­er­werbs­quo­ten gera­de skan­di­na­vi­scher Län­der zurück­bleibt. Auch habe sich die Ungleich­heit alter Men­schen in Deutsch­land schon jetzt ver­stärkt und wer­de sich in den kom­men­den Jah­ren noch wei­ter verstärken.

Die Ergeb­nis­se der Stu­die sind im Rah­men des Pro­jek­tes „flex­CARE­ER – Flex­bi­li­täts­for­men am Arbeits­markt“ ent­stan­den. Durch­ge­führt wur­den die Unter­su­chun­gen unter der Lei­tung von Hans-Peter Bloss­feld und Prof. Dr. Karin Kurz an den Uni­ver­si­tä­ten Bam­berg und Göt­tin­gen. Die For­schungs-ergeb­nis­se sind beim Ver­lag Edward Elgar unter dem Titel „Aging Popu­la­ti­ons, Glo­ba­lizati­on and the Labor Mar­ket – Com­pa­ring Late Working Life and Reti­re­ment in Modern Socie­ties“ am 11. Novem­ber 2011 ver­öf­fent­licht worden.