ERC Advan­ced Grants für exzel­len­te Bay­reu­ther Wissenschaftler

Prof. Dr. David Rubie, Bayerisches Geoinstitut (BGI); Prof. Dr. Stephan Förster, Lehrstuhl für Physikalische Chemie I; Prof. Dr. Rüdiger Bormann, Präsident der Universität Bayreuth (von li.).

Prof. Dr. David Rubie, Baye­ri­sches Geo­in­sti­tut (BGI); Prof. Dr. Ste­phan För­ster, Lehr­stuhl für Phy­si­ka­li­sche Che­mie I; Prof. Dr. Rüdi­ger Bor­mann, Prä­si­dent der Uni­ver­si­tät Bay­reuth (von li.).

Der Euro­päi­sche For­schungs­rat (ERC) hat zwei Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit hoch­do­tier­ten Advan­ced Grants aus­ge­zeich­net: Prof. Dr. Ste­phan För­ster, Lehr­stuhl für Phy­si­ka­li­sche Che­mie I, und Prof. Dr. David Rubie, der eine For­schungs­pro­fes­sur am Bay­reu­ther Geo­in­sti­tut – einem For­schungs­zen­trum der Uni­ver­si­tät Bay­reuth – inne­hat. Der ERC Advan­ced Grant ist der höch­ste EU-Wis­sen­schafts­preis. Er wird indi­vi­du­ell an exzel­len­te For­sche­rin­nen und For­scher ver­lie­hen, deren Pro­jek­te für ihre jewei­li­gen Wis­sen­schafts­ge­bie­te zukunfts­wei­send sind und her­aus­ra­gen­de Erkennt­nis­se erwar­ten lassen.

Nano­par­ti­keln beim Wach­sen zuschau­en – Grund­la­gen­for­schung für das Design neu­er Materialien

Nano­par­ti­kel sind win­zi­ge Teil­chen, nicht grö­ßer als 100 Nano­me­ter, die als Bau­stei­ne von Funk­ti­ons­ma­te­ria­li­en in zahl­rei­chen Hoch­tech­no­lo­gien zum Ein­satz kom­men. Wel­che Pro­zes­se lau­fen ab, wenn ein Nano­par­ti­kel ent­steht und anschlie­ßend auch noch wächst, weil sich wei­te­re mole­ku­la­re Struk­tu­ren anla­gern? Die­ser Fra­ge wird sich Prof. Dr. Ste­phan För­ster in sei­nem Pro­jekt „Struc­tu­ral evo­lu­ti­on at the nano- and mes­os­ca­le (STREAM)“ wid­men, das mit 2,4 Mio. Euro geför­dert wird. Zusam­men mit sei­nen Bay­reu­ther Mit­ar­bei­tern will er in die ‚Lebens­ab­schnit­te‘ ein­zel­ner Nano­par­ti­kel vor­drin­gen – ange­fan­gen vom Ent­ste­hungs­sta­di­um, der sog. Keim­bil­dung, bis hin zu spä­ten Wachs­tums­pha­sen. Von beson­de­rem Inter­es­se sind bei­spiels­wei­se die ultra­schnel­le Ent­ste­hung von Kunst­stoff­teil­chen und die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Amphi­p­hi­len, die für hoch­wirk­sa­me Medi­ka­men­te oder Rei­ni­gungs­mit­tel benö­tigt werden.

Für die expe­ri­men­tel­len Unter­su­chun­gen in die­sem For­schungs­pro­jekt hat För­ster ein neu­ar­ti­ges Kon­zept ent­wickelt. Es ist auf orga­ni­sche und anor­ga­ni­sche Nano­par­ti­kel glei­cher­ma­ßen anwend­bar. Von zen­tra­ler Bedeu­tung ist dabei die Ver­bin­dung von Mikro­flui­dik-Chips mit Rönt­gen-Mikro­strahl­beu­gung. Dadurch ist es mög­lich, in Abstän­den von weni­gen Tau­send­stel Sekun­den sicht­bar zu machen, wie die Keim­bil­dung und das Wachs­tum von Nano­par­ti­keln verlaufen.

Die zu erwar­ten­den Erkennt­nis­se sind nicht allein für die Grund­la­gen­for­schung äußerst wert­voll. Vor­aus­sicht­lich wer­den sie das Design mole­ku­la­rer Groß­struk­tu­ren für tech­no­lo­gi­sche Anwen­dun­gen erheb­lich vor­an­brin­gen, bis hin zur Ent­wick­lung neu­er Mate­ria­li­en für die Energie‑, die Infor­ma­ti­ons- und die Medi­zin­tech­nik. „Je bes­ser wir ver­ste­hen, wie sich mole­ku­la­re Struk­tu­ren schritt­wei­se zu immer grö­ße­ren Ein­hei­ten zusam­men­fü­gen, desto effi­zi­en­ter kön­nen Mate­ria­li­en ent­wickelt wer­den, die auf­grund ihrer Eigen­schaf­ten und Struk­tu­ren für spe­zi­el­le tech­no­lo­gi­sche Anwen­dun­gen opti­mal geeig­net sind“, erklärt För­ster und fügt hin­zu: „Die­se Per­spek­ti­ve ist umso attrak­ti­ver, als wir in den näch­sten Jahr­zehn­ten mit einer zuneh­men­den Ver­knap­pung von Roh­stof­fen rech­nen müssen.“

Auf den Spu­ren der Pla­ne­ten­ge­schich­te: Neue Erkennt­nis­se durch Inte­gra­ti­on von Geo­che­mie und Astrophysik

Die Erde und die ter­re­stri­schen Pla­ne­ten des Son­nen­sy­stems (Mer­kur, Venus und Mars), die gleich­falls einen metal­li­schen Kern und einen scha­len­för­mi­gen Auf­bau besit­zen, sind rund 4,6 Mil­li­ar­den Jah­re alt. Wel­che Pro­zes­se haben dazu geführt, dass sie ihre heu­ti­ge Mas­se und Struk­tur haben? In sei­nem mit rund 1,8 Mio. Euro geför­der­ten Pro­jekt ACCRE­TE wird Prof. Dr. David Rubie die­ser The­ma­tik auf den Grund gehen, geplant ist dabei eine Zusam­men­ar­beit mit Astro­phy­si­kern und Pla­ne­ten­for­schern in Frank­reich und den USA.

Ursprüng­lich hat­ten die Erde und die ter­re­stri­schen Pla­ne­ten eine viel klei­ne­re Mas­se als heu­te. Infol­ge der Gra­vi­ta­ti­on haben sie jedoch zusätz­li­che Mate­rie aus dem Uni­ver­sum an sich gezo­gen – ein Vor­gang, der in der For­schung als „Akkre­ti­on“ bezeich­net wird. Vor allem Kol­li­sio­nen führ­ten zu einer Ver­grö­ße­rung der Mas­se. Him­mels­kör­per, man­che so groß wie der Mond, prall­ten auf die Pla­ne­ten und ver­schmol­zen mit ihnen. Um die­se Pro­zes­se zu berech­nen, hat die Astro­phy­sik lei­stungs­star­ke mathe­ma­ti­sche Model­le ent­wickelt. Unab­hän­gig davon hat die Geo­che­mie bis­her dar­an gear­bei­tet, ent­ste­hungs­ge­schicht­li­che Pro­zes­se im Inne­ren der Pla­ne­ten auf­zu­klä­ren. Hier ent­stan­den infol­ge von Kol­li­sio­nen rie­si­ge Ozea­ne aus Mag­ma. Dar­in son­der­ten sich flüs­si­ge Metal­le all­mäh­lich ab, san­ken nach unten und bil­de­ten den Pla­ne­ten­kern; flüs­si­ge Sili­ka­te hin­ge­gen bil­de­ten einen Haupt­be­stand­teil in dar­über lie­gen­den Schichten.

Wie sich che­mi­sche Ele­men­te wäh­rend der ersten 200 Mil­lio­nen Jah­re der Erd­ge­schich­te getrennt und auf ver­schie­de­ne Berei­che des Erd­in­ne­ren ver­teilt haben, wol­len Rubie und sei­ne Mit­ar­bei­ter noch prä­zi­ser erkun­den, als dies in bis­he­ri­gen Simu­la­ti­ons­expe­ri­men­ten gelun­gen ist. In den Hoch­druck-Labo­ra­to­ri­en des Baye­ri­schen Geo­in­sti­tuts kön­nen sie dafür Drücke bis zu 100 Giga­pas­cal erzeu­gen, wie sie in 2.400 km Tie­fe im Erd­in­ne­ren herr­schen. „Der inno­va­ti­ve Cha­rak­ter des ACCRE­TE-Pro­jekts liegt dar­in, dass wir die­se For­schun­gen und die Model­le der Astro­phy­sik mit­ein­an­der inte­grie­ren wer­den“, erläu­tert Rubie. „Dadurch kön­nen wir die Erfor­schung der Erd- und Pla­ne­ten­ge­schich­te auf eine brei­te­re Grund­la­ge stel­len und neue Ein­sich­ten in das Son­nen­sy­stem gewinnen.“

Mit Prof. Dr. David Rubie erhält zum zwei­ten Mal ein Wis­sen­schaft­ler des Baye­ri­schen Geo­in­sti­tuts einen ERC Advan­ced Grant; 2009 war Dr. Dani­el Frost die­se Aus­zeich­nung ver­lie­hen worden.