Ein­wan­de­rung erzeugt kei­ne höhe­re Arbeits­lo­sig­keit: Neue Stu­die zu 24 OECD-Staaten

„Ein­wan­de­rung stei­gert die Arbeits­lo­sig­keit“ – die­se in der Öffent­lich­keit und bei Poli­ti­kern ver­brei­te­te Ein­schät­zung geht fehl. Zu die­sem Ergeb­nis kom­men Prof. Dr. Mario Larch, Lehr­stuhl für Empi­ri­sche Wirt­schafts­for­schung an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, und sein Mit­ar­bei­ter Bene­dikt Heid in einer Stu­die, die kürz­lich als E‑Journal-„Economics“-Arbeitspapier erschie­nen ist. Die bei­den Autoren haben Daten aus 24 OECD-Staa­ten, die sich auf deren öko­no­mi­sche Ent­wick­lung von 1997 bis 2007 bezie­hen, syste­ma­tisch aus­ge­wer­tet. Das Resul­tat ihrer Berech­nun­gen: Wenn Län­der ihre Arbeits­märk­te für Migran­ten öff­nen, ist dies kei­ne Ursa­che für höhe­re Arbeitslosenraten.

Die Stu­die wid­met sich der Fra­ge, in wel­cher Wei­se Migran­ten den Arbeits­markt in dem jewei­li­gen Land beein­flus­sen, in dem sie erwerbs­tä­tig wer­den. Sie dif­fe­ren­ziert dabei nicht zwi­schen den fach­li­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen der Zuwan­de­rer und eben­so­we­nig zwi­schen ver­schie­de­nen Wirt­schafts­zwei­gen. Denn im Kern geht es um die Fra­ge, wie Ein­wan­de­rung den Arbeits­markt im Durch­schnitt beein­flusst. „Als die Euro­päi­sche Uni­on im Jahr 2004 um zehn neue Mit­glieds­län­der erwei­tert wur­de, haben ins­be­son­de­re die Regie­run­gen Deutsch­lands und Öster­reichs argu­men­tiert, ein unge­hin­der­ter Zustrom von Arbeits­mi­gran­ten wür­de die durch­schnitt­li­che Arbeits­lo­sen­ra­te in ihren Län­dern nach­tei­lig beein­flus­sen“, erläu­tert Pro­fes­sor Larch. „Nicht zuletzt im Hin­blick auf die­se – auch in den Medi­en ver­brei­te­ten – Befürch­tun­gen haben wir uns dar­auf kon­zen­triert, bran­chen­über­grei­fend her­aus­zu­ar­bei­ten, wie Ein­wan­de­rung und Arbeits­lo­sig­keit in den 24 aus­ge­wähl­ten OECD-Staa­ten mit­ein­an­der zusam­men­hän­gen.“ Bei die­sen Staa­ten han­delt es sich um die USA, Kana­da, Austra­li­en, Neu­see­land, Japan sowie 19 euro­päi­sche Län­der, die mit Aus­nah­me der Schweiz alle der EU angehören.

Die bei­den Autoren wol­len mit ihrer Stu­die eine Lücke in der wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen For­schung schlie­ßen. Denn bis­he­ri­ge Unter­su­chun­gen haben zwar den Ein­fluss inter­na­tio­na­ler Han­dels­be­zie­hun­gen auf den Arbeits­markt ana­ly­siert, den Fak­tor Ein­wan­de­rung dabei aber aus­ge­blen­det. „In den Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten ist man sich heu­te dar­über einig, dass der offe­ne Aus­tausch von Gütern die Arbeits­lo­sen­ra­te in den betei­lig­ten Län­dern eher sin­ken als stei­gen lässt“, erklärt Bene­dikt Heid. „Zugleich hat sich her­aus­ge­stellt, dass der Import von Gütern häu­fig mit der Zuwan­de­rung von Arbeits­kräf­ten ein­her­geht. Des­halb lag es nahe, aus der Per­spek­ti­ve inter­na­tio­na­ler Han­dels­be­zie­hun­gen der Fra­ge nach­zu­ge­hen, ob Migra­ti­on die vor­teil­haf­ten Aus­wir­kun­gen des offe­nen Güter­aus­tau­sches ver­stärkt. Die­se Ver­mu­tung wird von unse­ren Berech­nun­gen gestützt.“

Die Stu­die schließt daher mit der Über­le­gung, dass die Regie­run­gen Deutsch­lands und Öster­reichs ihren natio­na­len Inter­es­sen zuwi­der gehan­delt haben könn­ten, als sie – nach der EU-Erwei­te­rung im Jah­re 2004 – die Zuwan­de­rung aus den mit­tel- und ost­eu­ro­päi­schen EU-Staa­ten so lan­ge wie gesetz­lich mög­lich beschränkt haben. Als ein­zi­ge „alte“ EU-Staa­ten haben Deutsch­land und Öster­reich erst im Mai 2011 ihre Arbeits­märk­te ohne Ein­schrän­kun­gen für Zuwan­de­rer aus den neu­en Mit­glieds­staa­ten geöff­net. Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on hat die­se Ver­zö­ge­rung geneh­migt. Doch dabei ist sie aus der Sicht der bei­den Autoren zu vor­ei­lig der Argu­men­ta­ti­on gefolgt, ein frü­he­rer Zeit­punkt wür­de die Arbeits­märk­te in bei­den Län­dern auf schwer­wie­gen­de Wei­se beeinträchtigen.

Ver­öf­fent­li­chung:

Mario Larch und Bene­dikt Heid, Migra­ti­on, Trade and Unemployment,
in: Eco­no­mics, Dis­cus­sion Paper, No. 2011–45, Novem­ber 2, 2011
Zum Down­load unter:
http://www.economics-ejournal.org/economics/discussionpapers/2011–45