Auf dem Weg zu neu­en Solar­zel­len: Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Poly­me­ren för­dert die Ladungstrennung

Prof. Dr. Anna Köhler (re.), Lehrstuhl für Experimentalphysik II an der Universität Bayreuth, und ihre Doktorandin Dipl.-Phys. Christina Scharsich

Prof. Dr. Anna Köh­ler (re.), Lehr­stuhl für Expe­ri­men­tal­phy­sik II an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, und ihre Dok­to­ran­din Dipl.-Phys. Chri­sti­na Scharsich

Licht­ener­gie in elek­tri­schen Strom zu ver­wan­deln ist die Funk­ti­on von Solar­zel­len, die damit eine zen­tra­le Bedeu­tung für die Gewin­nung und Nut­zung erneu­er­ba­rer Ener­gien haben. Einem For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, der LMU Mün­chen und der TU Mün­chen ist es jetzt gelun­gen, in orga­ni­schen Makro­mo­le­kü­len erst­ma­lig den Pro­zess der Strom­erzeu­gung aus Licht von Anfang an zu beob­ach­ten und zu ver­ste­hen. Ein welt­weit ein­zig­ar­ti­ger laser­tech­ni­scher Ver­suchs­auf­bau und die Ver­wen­dung von Sili­zi­um-basier­ten Struk­tu­ren mach­ten die­se For­schungs­er­kennt­nis­se möglich.

Bei den For­schungs­ar­bei­ten kamen neu­ar­ti­ge Solar­zel­len zum Ein­satz, die aus einer orga­ni­schen und einer anor­ga­ni­schen Kom­po­nen­te bestehen; genau­er gesagt: aus Kunst­stoff und aus Sili­zi­um. Sie wer­den daher auch als Hybrid-Solar­zel­len bezeich­net. Das orga­ni­sche Mate­ri­al hat dabei die Auf­ga­be, mög­lichst viel Licht­ener­gie zu sam­meln. Unter Ein­wir­kung des Son­nen­lichts wer­den Paa­re von posi­ti­ver und nega­ti­ver Ladung gebil­det, die sich durch die Cou­lomb-Kraft gegen­sei­tig anzie­hen. Die­se Cou­lomb-Kraft muss aber über­wun­den wer­den, damit die Ladun­gen sich tren­nen. Denn nur so ent­steht ein Strom­fluss. Dabei sorgt die anor­ga­ni­sche Kom­po­nen­te dafür, dass die nega­ti­ve Ladung der Elek­tro­nen auf­ge­nom­men und zur Elek­tro­de abge­lei­tet wird, wäh­rend die posi­ti­ve Ladung über die orga­ni­sche Kom­po­nen­te abfließt.

Schnel­le Ladungs­tren­nung infol­ge mole­ku­la­rer Selbstorganisation

Prof. Dr. Anna Köh­ler und Dipl.-Phys. Chri­sti­na Schar­sich an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben jetzt ent­deckt, dass die Cou­lomb-Kraft beson­ders leicht über­wun­den wer­den kann, wenn das orga­ni­sche Mate­ri­al eine geord­ne­te mole­ku­la­re Struk­tur hat. Für ihre Unter­su­chun­gen ver­wen­de­ten sie den Kunst­stoff P3HT, ein halb­lei­ten­des Poly­mer, das – abhän­gig von der jewei­li­gen Ver­ar­bei­tungs­tech­nik – ent­we­der in einer unge­ord­ne­ten, ver­knäul­ten Struk­tur oder in einer selbst­or­ga­ni­sier­ten, geord­ne­ten Form vor­liegt. „In zahl­rei­chen Expe­ri­men­ten hier in Bay­reuth haben wir her­aus­ge­fun­den, wie die P3HT-Poly­me­re aus sich selbst her­aus eine regel­haf­te Struk­tur anstre­ben“, erklärt Chri­sti­na Schar­sich. „Die­se mole­ku­la­re Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on kön­nen wir für die Strom­erzeu­gung aus­nut­zen. Wir bear­bei­ten die P3HT-Poly­me­re für die Solar­zel­len so, dass sie ihre Ten­denz zur wohl­ge­ord­ne­ten Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on voll ent­fal­ten. Die unter Ein­wir­kung von Licht­ener­gie erzeug­ten Paa­re von posi­ti­ver und nega­ti­ver Ladung haben dann viel Platz auf dem Poly­mer, so dass sie sich beson­ders leicht tren­nen. Die Effi­zi­enz der Ladungs­tren­nung ist infol­ge der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on dop­pelt so hoch.“

Prä­zi­se Ana­ly­sen durch Sili­zi­um als Elektronenakzeptor

Eine wesent­li­che Rol­le bei die­sen Unter­su­chun­gen kommt dem Elek­tro­nen auf­neh­men­den Sili­zi­um zu. Bis­her wur­den in orga­ni­schen Solar­zel­len meist kugel­för­mi­ge Koh­len­stoff­mo­le­kü­le („Ful­le­re­ne“) als Elek­tro­nen­ak­zep­tor ver­wen­det. Die Ful­le­re­ne erschwe­ren jedoch die For­schungs­ar­bei­ten mit Laser­licht, da sich ihre Signa­le mit denen des Poly­mers über­la­gern. Die­ses Pro­blem kann durch die Ver­wen­dung von Sili­zi­um gelöst wer­den. Zudem eig­net sich Sili­zi­um auf­grund sei­ner hoch geord­ne­ten Struk­tur beson­ders gut zur Auf­nah­me und Wei­ter­lei­tung von Elek­tro­nen. Den Wis­sen­schaft­lern an der TU Mün­chen um Prof. Dr. Mar­tin Stutz­mann ist es gelun­gen, Sili­zi­um so zu pro­zes­sie­ren, dass es gemein­sam mit Kunst­stoff zu einer effi­zi­en­ten Solar­zel­le ver­ar­bei­tet wer­den kann. In sei­ner Rol­le als Elek­tro­nen­ak­zep­tor unter­stützt es dabei die Ana­ly­sen der Umwand­lung von Licht in Strom opti­mal. „Ohne das Sili­zi­um in die­ser Funk­ti­on hät­ten unse­re Unter­su­chun­gen nicht zu der­ar­tig kla­ren und prä­zi­sen Ergeb­nis­sen geführt“, erläu­tert Prof. Dr. Anna Köhler.

Wie Strom aus Licht ent­steht: Neue Ein­sich­ten durch einen welt­weit ein­zig­ar­ti­gen Versuchsaufbau

Mit dem welt­weit ein­ma­li­gen Ver­suchs­auf­bau der For­schungs­part­ner an der LMU Mün­chen um Prof. Dr. Eber­hard Ried­le konn­ten die Bay­reu­ther und Münch­ner Wis­sen­schaft­ler prä­zi­se beob­ach­ten, wie Licht­ener­gie in Strom ver­wan­delt wird. Mit einer Auf­lö­sung von 40 Fem­to­se­kun­den lie­ßen sich alle Abschnit­te die­ser Trans­for­ma­ti­on bild­lich dar­stel­len: zunächst die Anre­gung der Poly­me­re durch Licht­ener­gie; dann die Bil­dung von Cou­lomb-gebun­de­nen Paa­ren posi­ti­ver und nega­ti­ver Ladung; und schließ­lich deren Tren­nung. Eine Fem­to­se­kun­de ist ein win­zi­ger Bruch­teil einer Sekun­de; z.B. legt Licht in die­ser Zeit weni­ger als ein Mil­li­on­stel Meter zurück. Mit dem laser­tech­no­lo­gi­schen Ver­suchs­auf­bau in den Münch­ner Labo­ra­to­ri­en konn­te gezeigt wer­den, wel­cher Pro­zess sich inner­halb der Solar­zel­le auf die­ser Zeit­ska­la abspielt. Die For­schungs­part­ner in Bay­reuth und Mün­chen wol­len die­se hoch­lei­stungs­fä­hi­ge Appa­ra­tur auch in Zukunft ein­set­zen, um die Grund­la­gen- und Anwen­dungs­for­schung zur Solar­ener­gie wei­ter voranzutreiben.

Ver­öf­fent­li­chung:

D. Herr­mann, S. Nie­sar, C. Schar­sich, A. Köh­ler, M. Stutz­mann, E. Riedle,
The Role of Struc­tu­ral Order and Excess Ener­gy on Ultra­fast Free Char­ge Gene­ra­ti­on in Hybrid Polythiophene/​Si Pho­to­vol­taics pro­bed in Real Time by Near-Infrared Broad­band Tran­si­ent Absorption,
in: Jour­nal of the Ame­ri­can Che­mical Socie­ty, 2011 Sept 26
DOI-Book­mark: http://​dx​.doi​.org/​1​0​.​1​0​2​1​/​j​a​2​0​7​8​87q