NABU und LBV: Doh­le ist „Vogel des Jah­res 2012“

Die intel­li­gen­ten Sing­vö­gel brau­chen einen bes­se­ren Schutz ihrer Lebensräume

Der Natur­schutz­bund Deutsch­land (NABU) und der Lan­des­bund für Vogel­schutz (LBV), NABU-Part­ner in Bay­ern, haben gestern die Doh­le (Coloeus mone­du­la) zum „Vogel des Jah­res 2012“ gekürt. „Damit beleuch­ten wir eine der intel­li­gen­te­sten hei­mi­schen Vogel­ar­ten, die trotz ihrer Anpas­sungs­fä­hig­keit immer weni­ger Nist­mög­lich­kei­ten fin­det“, erklärt NABU-Vize­prä­si­dent Hel­mut Opitz. „Mit der Ernen­nung zum Vogel des Jah­res wol­len wir uns ver­stärkt für die gesel­li­gen Doh­len ein­set­zen, denn ihre Lebens­räu­me wer­den immer mehr ein­ge­engt“, erläu­tert der LBV-Vor­sit­zen­de Lud­wig Soth­mann. Es sei drin­gend, die viel­sei­ti­gen Stimm­ta­len­te bes­ser zu schüt­zen, denn Doh­len ste­hen bereits in meh­re­ren Bun­des­län­dern auf der Roten Liste der gefähr­de­ten Arten oder auf der Vorwarnliste.

Als Kul­tur­fol­ger hat­ten sich die ursprüng­li­chen Step­pen­be­woh­ner in der mensch­li­chen Nach­bar­schaft gut ein­ge­rich­tet: Hohe Gebäu­de boten ihnen vor­züg­li­chen Unter­schlupf und Wei­den, Fel­der und Wie­sen einen reich gedeck­ten Tisch mit Käfern, Heu­schrecken, Wür­mern und Schnecken. Für die Land­wirt­schaft waren sie nütz­li­che Hel­fer bei der bio­lo­gi­schen Schäd­lings­be­kämp­fung und so leb­ten Mensch und Doh­le jahr­hun­der­te­lang ein­träch­tig mit­ein­an­der. „Doch nun ver­sie­geln wir immer mehr Grün­flä­chen und set­zen für den groß­flä­chi­gen Anbau von Ener­gie­pflan­zen – vor allem Mais und Raps – immer mehr Pesti­zi­de ein. Damit ver­schwin­det auch die Nah­rungs­grund­la­ge der Doh­len. Zugleich fin­den die Doh­len in unse­ren Städ­ten und Dör­fern immer weni­ger Nist­mög­lich­kei­ten“, erklärt NABU-Vize­prä­si­dent Opitz. So ist der Doh­len­be­stand in Deutsch­land auf geschätz­te 100.000 Brut­paa­re gesun­ken. Grö­ße­re Dich­ten erreicht die Art nur noch regio­nal, etwa am Niederrhein.

Zu dem Arten­schwund tra­gen aktu­ell auch vie­le Gebäu­de­sa­nie­run­gen bei, die zwar wich­ti­gen Ener­gie­spar­zie­len die­nen, aber den Doh­len Brut­plät­ze in Nischen, Mau­er­lö­chern und Dach­stüh­len ver­sper­ren. Wegen ihrer Vor­lie­be für Kirch­tür­me nann­te man sie frü­her „des Pastors schwar­ze Tau­be“, doch die Tür­me vie­ler Got­tes­häu­ser wur­den inzwi­schen zur Tau­ben­ab­wehr ver­git­tert. Mit dem Pro­jekt „Lebens­raum Kirch­turm“ wei­sen NABU und LBV auf die Gefähr­dung von tie­ri­schen Kirch­turm­be­woh­nern hin und set­zen sich für deren Schutz ein. Seit 2007, als der Turm­fal­ke Vogel des Jah­res war, haben NABU und LBV bereits 500 Kir­chen­ge­mein­den mit einer Pla­ket­te für ihr vor­bild­li­ches Enga­ge­ment aus­ge­zeich­net. Im Doh­len-Jahr sol­len es noch mehr werden.

So rufen NABU und LBV dazu auf, die „Woh­nungs­not“ der schwarz gefie­der­ten Vögel mit den sil­ber-blau­en Augen zu lin­dern. Dazu sol­len vor­han­de­ne Lebens­räu­me erhal­ten und neue geschaf­fen wer­den. Denn auch die Doh­len-Kolo­nien in alten Baum­be­stän­den neh­men ab, wo die durch­aus anpas­sungs­fä­hi­gen Vögel ger­ne die von Schwarz­spech­ten gezim­mer­ten Höh­len bezie­hen, erläu­tert der LBV-Vor­sit­zen­de Soth­mann. „So gilt es, natur­na­he Alt­holz­be­stän­de und „Höh­len­bäu­me“ zu schüt­zen. Auch alte Park­bäu­me in Städ­ten und Sied­lungs­räu­men kön­nen die­se Funk­ti­on erfül­len und dür­fen nicht einer über­vor­sich­ti­gen Ver­kehrs­si­che­rung oder Baum­sa­nie­run­gen zum Opfer fal­len.“ Bei den noch ver­blie­be­nen Fels­brü­tern unter den Doh­len müs­sen Stö­run­gen durch Klet­te­rer ver­mie­den wer­den, etwa indem sol­che Fel­sen wäh­rend der Brut­zeit gesperrt wer­den. Und damit Schorn­stei­ne, die noch in Betrieb sind, nicht durch Nist­ma­te­ri­al ver­stop­fen, kön­ne man vor­beu­gend Schutz­git­ter oder Abdeckun­gen anbrin­gen und den Vögeln andern­orts alter­na­ti­ve Brut­plät­ze anbie­ten. Dazu eig­nen sich spe­zi­el­le Doh­len-Nist­kä­sten, die ger­ne ange­nom­men wer­den und über den NABU und den LBV bezo­gen wer­den können.

Zugleich hof­fen der NABU und der LBV auf einen Image­ge­winn für den Vogel des Jah­res 2012 – denn tat­säch­lich sind die­se klein­sten Ver­tre­ter der Raben­vö­gel weder Unglücks­bo­ten und Pech­vö­gel, wie man­cher Volks­mund sie schmäh­te. Viel­mehr beein­drucken Doh­len durch ihr hoch ent­wickel­tes Fami­li­en- und Gesell­schafts­le­ben. Schon der Ver­hal­tens­for­scher und Nobel­preis­trä­ger Kon­rad Lorenz war fas­zi­niert von den lern­fä­hi­gen und intel­li­gen­ten Doh­len mit ihrem so gesel­li­gen wie geord­ne­ten Kolo­nie­le­ben. Doh­len­paa­re sind sich ihr Leben lang treu und auch in der für­sorg­li­chen Bezie­hung zu ihrem Nach­wuchs sind sie kei­ne Raben- son­dern wah­re Vor­zei­ge­el­tern. „So las­sen sich vie­le schö­ne Geschich­ten über unse­ren Vogel des Jah­res 2012 erzäh­len und wir hof­fen, vie­le neue Freun­de für die Doh­le zu gewin­nen, um sie gemein­sam bes­ser schüt­zen zu kön­nen“, erklä­ren die Vogel­schutz­ex­per­ten von NABU und LBV.

Vogel des Jah­res 2011 ist der Gartenrotschwanz.